Das Spielprinzip der Show ist klar: 22 Singleladys fahren ihre Krallen aus und scharwenzeln um Junggeselle Sebastian herum.

Erwartbar auch, was RTL daraus macht: Der Bachelor hat einen Beruf wie ein Bachelor (Inhaber einer Werbeagentur, nebenbei modelt er natürlich auch), er hat Hobbies wie ein Bachelor (Reisen, Fußball, Beachsoccer), er spricht wie ein Bachelor ("Es ist doch das Schönste, Zeit mit der Person zu verbringen, die man liebt. Momente und das Leben mit Jemandem zu teilen, verdoppelt das Glück des Einzelnen") und er sieht natürlich aus wie ein Bachelor: Der 30-jährige Kölner trägt gepflegten 3-Tage-Bart, hat leuchtend blaue Augen und die perfekte Frisur irgendwo zwischen lässigem Surferlook und geschmeidiger Elvis Tolle.

Der Bachelor sprengt das System

Überraschend ist nur, dass der Bachelor Sebastian Pannek verdammt sympathisch ist. Nichts pomadiges haftet ihm an, wie bei Paul Janke 2012 oder Oliver Sanne 2015. Auch nicht dieses glatte BWL-Image, wie es von RTL so gerne genommen wird, weil es so ideal zu dem Männerbild der gecasteten Einheits-Model-Business-Frau passt, die für acht Folgen in die Bachelor-Villa einziehen darf. Nein: Sebastian sieht zwar, logisch, sehr gut aus, ist jedoch so unbeholfen und gleichzeitig sanft und höflich, dass er völlig überfordert wirkt mit der Fleischschau, die da in Form von 22 nacheinander aus der Limousine steigender Frauen auf ihn zukommt.

So gutmütig lächelnd wie er da vor dem Eingang "seiner" Villa steht, wirkt es wie eine riesige Herausforderung für RTL, diesen Mann nicht allzu viel menscheln zu lassen. Ihn in die Rolle des Machos zu befördern, der Herr über ein 22-Frauen-Harem ist und rosig darüber entscheiden darf, wer ihm die nächsten Folgen zu Füßen liegt.

Jede Frau bekommt eine Rolle

Womit wir bei den Frauen wären. RTL wäre nicht RTL, wenn sie nicht von Anfang an ein klares Schema-F (F=Frau) im Auge hätten. Da ist die Frau, die viel zu viele Schuhe im Besitz hat. Die Frau, die bereits für den Playboy die Hüllen fallen ließ, und die toughe Business-Frau, die alles bekommt, was sie will. Außerdem dabei: die sexy Bibliothekarin, die emsige BWL-Studentin, die leidenschaftliche Latina, ein einfaches Dirndl-Mädl vom Ländle und die auf Krawall gebürstete Hochglanz-Blondine. Stereotypen, die den Machern der Show die Inszenierung der Dramaturgie erleichtert.

Rollenklischee über Rollenklischee: In dieser Hinsicht überrascht RTL gestern niemanden.

Überraschende Nicht-Überraschungen

Die erwartbaren Show-Versatzstücke gehen fröhlich weiter. So dreht sich das erste Gespräch des Bachelors um Kinder. War es in der letzten Staffel noch der Bachelor selbst, der die 22 Frauen mit seiner familiären Situation überraschte, ist es diesmal eine Kandidatin. Und in der mittlerweile siebten Staffel ist auch das längst erwartbarer Unterbau der Show: RTL wird irgendwo her eine Mama casten, denn das birgt Potentiale für "interessante Gespräche", vor und hinter vorgehaltener Hand.

Für einen kurzen Moment hofft man, dass es doch ein Comedy-Format ist und der Bachelor so etwas sagt wie: "Ah, Kinder. Was für ein Zufall! Ich war ja auch mal ein Kind." Aber nein, Sebastian zeigt sich natürlich total tolerant und offen und berichtet von seinen beiden Patenkindern. Für RTL ein Auftakt nach Maß.

Das Format könnte auch mit Puppen funktionieren

Alles in allem wirkt das komplette Format derart vorprogrammiert, dass man sich allen Ernstes fragt, warum RTL dafür überhaupt noch Menschen castet. Ist das nicht viel zu risikoreich? In manchen Momenten ist dieses Risiko zu spüren, dieses Menscheln, dieses unbeholfen "Normale". Da steigt ein nettes Mädchen aus der Limousine, läuft über den roten Teppich, Küsschen hier, Küsschen da und auf einmal muss ein Smalltalk her:

Bachelor: "Ja ich mag Fasching total. Als was bist du das letzte Mal gegangen?"
Kandidatin: "Als Haremsdame und du?"
Bachelor: "Als Cowboy."

Unsicheres Kichern folgt, der Bachelor bittet die Kandidatin, hoch zu gehen. Für einen Moment bröckelt die Fassade und die Idee reift: Warum versucht RTL es nicht mal mit Puppen? Denen lassen sich die Klischees noch leichter überstülpen. Die Gespräche können noch konfliktbeladener vorgeschrieben werden und auch mit denen lässt sich die "Suche nach der großen Liebe" inszenieren in dem permanenten Wissen, dass es diese niemals geben wird.

Mit "Die Puppenstars" übt RTL schon fleißig und bei so viel Vorhersehbarkeit in ihrer Prestige-Kuppel-Show sollten die Kölner ernsthaft darüber nachdenken, das Portfolio ihrer Puppenstars zu erweitern.

Autor: Steven Sowa