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TV-Kritik

Curvy ist das neue dünn

Bei der Castingshow "Curvy Supermodels" ist auch nicht alles (Hüften)gold, was glänzt.

"Sie sind echt, sie sind schön, sie sind kurvig" versprach gestern der Vorspann von der neuen RTL II-Show "Curvy Supermodels" und Harald Glööckler träumte von der Befreiung von kräftigen Frauen, die sich sonst vor Scham nicht auf die Straße trauen. Das Versprechen: ein Modelcasting, bei dem es auch darum geht, das Selbstbewusstsein der Kandidatinnen zu stärken. Die Hoffnung der Zuschauer: Eine Show, die sich zu "Germany's next Topmodel" so verhält wie "The Voice of Germany" zu "Deutschland sucht den Superstar".

Zur Erklärung für alle, die noch nicht mitbekommen haben, das "Curvy" das neue Ding ist: Früher nannte man das Übergrößenmodel oder Plus-Size-Model, also alles über Kleidergröße 42. Außerdem schient Curvy ein neuer Euphemismus für das politisch unkorrekte "dick" zu sein. Harald Klööckler: "Wie lange sind sie schon curvy?" Die Botschaft der Show: "Auch Curvy ist sexy". Soll heißen: Auch kräftige Frauen sind etwas wert, aber nur wenn sie sich offenherzig vor der Kamera präsentieren.

In der Jury: Der gar nicht kurvige Ted Linow, ein Exmodel und Curvymodel-Vermittler mit der Mimik eines sadistischen Grafen aus einem britischen Horrorfilm der 60er-Jahre. RTLs sympathische Jury-Allzweckwaffe Motsi Mabuse. Angelina Kirsch, angeblich Deutschlands erfolgreichstes Kurvenmodell. Und natürlich Modedesigner Harald Glööckler, selbsternannter "Robin Hood der kräftigen Damen". Klar, denen vertickt er ja schon länger via Teleshopping Klamotten.
"Wir suchen keinen Wackelpudding"
Aber wir lernen bald: Curvy ist nicht gleich curvy. Das merkt eine Kandidatin schmerzhaft, die stolz mit ihrem wogenden "Pudding" schüttelt, aber gleich rausfliegt. Linow: "Wir suchen keinen Wackelpudding". Gewünscht sind nur hart durchtrainierte Kurven. Die gleiche Sanduhr-Silhouette wie bei den Magermodels muss es sein, nur eben mit ein paar Kleidergrößen mehr. Eine Frage drängt sich auf: Was machen eigentlich die armen Dinger, die für "Germanys next Topmodel" zu kurvig und für "Curvy Supermodel" zu dürr sind?

Glöökler und Mabuse nimmt man trotz aller neoliberalen Castingshow-Mantren (Hart arbeiten, Chance nutzen, sich präsentieren) die Absicht sogar ab, den Kandidatinnen Selbstbewusstsein einzuimpfen. Einer mauerblümchenhaften, vom eigenen Freund als zu hässlich zum modeln befundene Kandidatin löst Glööckler pathetisch die Haare: "Fühl dich wie Cinderella auf dem Weg zum Ball".

Und das ist gerade das perfide an der gar nicht unsympathischen Show, verschleiert es doch die knallharten Geschäftsinteressen, die dahinter stehen. Schließlich sind Übergrößen ein gigantischer Markt, die Gewinnerin kommt in Linows Kartei.
Da ist man dem Modelagenten, der für den Castingshow-typischen Fiesling (Bohlen, Llambi) fast noch zu nett ist, beinahe dankbar, wenn er mal die Wahrheit ausspricht: "Sie hat ein kommerzielles Gesicht", "Ich muss sie ja verkaufen können". Schließlich werden die Kandidatinnen dann auch wie auf dem Viehmarkt beinhart nach Kleidergrößen taxiert: "Oben 42, unten eher 46".

Gegen Ende fiel die fast schon zu harmonische Sendung aber doch in "Germany's next Topmodel"-Muster: Als die Kandidatinnen selbstständig ein Fotomotiv mit einem jungen, natürlich gar nicht kurvigen Männermodel erarbeiten mussten, suggerierte die Inszenierung erste Zwistigkeiten zwischen den Frauen.

Mal sehen, wie es sich jetzt in der "Model-Villa" weiter entwickelt. Eines ist schließlich klar: Ob dünn oder dick, Möchtegern-Model oder Wannabe-Sängerin: Bei Castingshows zählt nur die Befriedigung des Voyeurismus der TV-Zuschauer.

Sebastian Milpetz