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The Biggest Loser: "Problematische Körperbilder" - Dr. Christine Theiss zum neuen Ableger

Christine Theiss, The biggest Loser
"The Biggest Loser: Family Power Couples": Camp-Chefin Dr. Christine Theiss. SAT.1/Ben Pakalski

In Sat.1 geht geht der Kampf gegen die überzähligen Kilos in eine neue Runde. Zum Start von "The Biggest Loser – Family Power Couples" sprachen wir mit Camp-Chefin Dr. Christine Theiss über die Show und gesunde Ernährung.

Am Montag, 30.8., startet "The Biggest Loser – Family Power Couples", das Spin-off der Abnehmshow: Acht Eltern-Kind-Duos treten gegeneinander an. Das Team, bei dem die meisten Pfunde purzeln, gewinnt 50 000 Euro. Dabei kämpfen die Schwergewichte nicht nur gegen die Waage, sondern manchmal auch gegen den eigenen Mitstreiter. Schon in der Auftaktfolge motzt der Schüler Jan (16) seine Mutter Andrea (41) hart an, als sie zu schnell am Ende ihrer Kräfte ist: "Gib doch auf jetzt. Gib auf jetzt – los". Die Duos motivieren und anspornen wird wie immer Dr. Christine Theiss, die uns Rede und Antwort stand.

TVSPIELFILM.de Wie kam es zur Idee von "The Biggest Loser – Family Power Couples"?

Dr. Christine Theiss: Aus zwei Gründen. Es gibt immer mehr Kinder und Jugendliche, die übergewichtig sind. Man muss mit den Gegenmaßnahmen früh angreifen. In meinen Augen sogar noch viel früher als im Teenageralter, aber das ist dann in meinen Augen kein Bereich mehr, der vor Kameras stattfinden sollte. Zum anderen hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass bei vielen Menschen die Probleme mit dem Übergewicht in der Jugend und/oder im Zusammenleben mit ihren Eltern begannen. Deshalb war es eigentlich nur die richtige Konsequenz dieses Alter, aber auch die gemeinsame Konstellation ins "The Biggest Loser" Camp zu holen.

Warum nimmt die Zahl übergewichtiger Kinder zu und welche gefährlichen Folgen kann dies haben?

Essen ist immer und überall vorhanden, gleichzeitig nimmt die Bewegung immer mehr ab. Auch habe ich den Eindruck, dass in der Elterngeneration das Wissen, wie man gesund und unproblematisch kocht, verloren geht. 

Übergewicht ist oft ein Familienthema: Wie wirkt sich die falsche Ernährungs- und Lebensweise als Kind auch später im Erwachsenenalter aus? 

Fatal. Menschen, die bereits als Kind übergewichtig waren, haben kaum eine Chance auf ein "normales" Leben, denn der Körper möchte immer wieder zu seinem Ausgangsgewicht zurück, selbst wenn eine Gewichtsabnahme erfolgreich war. Außerdem haben bereits viele junge Erwachsene mittlerweile Diabetes mellitus Typ 2 und Gelenkbeschwerden. Von den Ausgrenzungen, die die jungen Übergewichtigen erfahren müssen, ganz zu schweigen. Sei es, weil die Gesellschaft sie ausgrenzt oder sie es von sich aus tun, weil sie sich in ihrer Haut nicht mehr wohlfühlen oder körperlich nicht mehr mithalten können.

Die ersten 1000 Lebenstage sind entscheidend

Wie wirken sich die Vorlieben der Eltern in Bezug auf Lebensmittel und Körperbilder eventuell auf das Kind aus?

Das beginnt schon beim Ungeborenen beziehungsweise dann Säugling. Was die Mutter isst, wird geschmacklich über die Plazenta und später Muttermilch bereits übertragen. Der nächste Schritt ist dann die verabreichte Babynahrung. Einer Studie zufolge sind die ersten 1000 Tage im Leben eines Kindes eine entscheidende Prägungsphase.

Wie können Eltern ihren Kindern eine gesunde Lebensweise vermitteln?

Indem die Eltern es den Kindern vorleben und sie positiv zum Mitmachen animieren. Aber meist reicht Vorleben aus und die kleinen Kinder wollen automatisch ihren Eltern nacheifern, nur müssen wir sie dann auch lassen. Es ist umständlicher, aber zahlt sich für die Zukunft aus.

Es geht aber nicht nur um Übergewicht: Auch Untergewicht bei Babys bis zu Jugendlichen kann zu einem ernstzunehmenden Gesundheitsproblem werden – welche Ursachen und Folgen sehen Sie hier?

Ich denke, da muss man klar unterscheiden. Ist es ein Kind, das schon immer auf der unteren Perzentile mit seinem Gewicht war und in dem Bereich aber kontinuierlich zunimmt, dann ist meist alles in Ordnung und einfach individuell verschieden. Bei Gedeihstörungen bei einem Säugling müssen aber natürlich Stoffwechsel- oder sonstige Erkrankungen ausgeschlossen werden. Anders ist die Lage, wenn ein Kind plötzlich anfängt abzunehmen, sich zurückzieht oder andere Verhaltensänderungen zeigt. Da muss das Umfeld die Ohren spitzen. Da ist das veränderte Essverhalten, wie übrigens auch beim Übergewicht, oft nur ein Symptom für ein viel tiefer liegendes Problem unterschiedlichster Art. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass die Trennung der Eltern eine wichtige Rolle bei der Entstehung von problematischen Essverhalten ist, aber leider auch sexueller Missbrauch. Ein Bereich, bei dem die Gesellschaft immer noch zu oft wegschaut.

Was können Eltern tun, wenn ihr Kind nur bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen möchte und sich sehr einseitig ernährt?

Ich bin keine Expertin auf diesem Gebiet und kann daher nur meine persönliche Einschätzung abgeben. Es kommt auf das Alter an. Bei einem jüngeren Kind würde ich beharrlich abwechslungsreiche Gerichte auf den Tisch stellen und sie selbst genießen. Nicht dem Kind irgendetwas mit Zwang eintrichtern, damit verbaut man nur Lösungen. Außerdem würde ich es animieren, selbst Hand anzulegen, sprich selbst einzukaufen beziehungsweise auszuwählen und zu kochen. Bei älteren Kindern würde ich Ruhe bewahren, da meldet sich der Körper oft schon von selbst. Wenn plötzlich gar keine Freude mehr an Essen vorhanden ist, dann macht es allerdings schon Sinn, genauer nachzuhaken, ob ernstere Probleme der wahre Hintergrund sind.

Wie sollte ich mich verhalten, wenn mein Kind sich vegetarisch oder gar vegan ernähren möchte – ist gerade letzteres nicht zu einseitig gerade in der Wachstumsphase?

Ich persönlich würde mein Kind dabei unterstützen. Gemeinsam Rezepte ausprobieren und die Grundlebensmittel kaufen. Gerade bei letztgenannter Ernährungsform ist Wissen gefordert, um nicht zu einseitig zu werden. Aber Wissen kann man sich aneignen und gemeinsam macht es mehr Spaß. Auf keinen Fall auf Konfrontation gehen.

Was sind absolute No-Gos, die Eltern vermeiden sollten, um zu verhindern, dass ihre Kinder eine ungesunde Beziehung zum Essen und zu ihrem Körper aufbauen?

Immer noch geben wir unseren Kindern Süßigkeiten zum Trösten. Warum? Wenn ein Kind aufs Knie fällt, hat es Schmerzen und keine Heißhungerattacke. Dieses Verhaltensmuster Essen gleich Trost wird sehr früh etabliert. Auch halte ich nichts von Süßigkeiten als Belohnung oder wenn Essen nebenher gereicht wird wie zum Beispiel Knabbern vor dem Fernseher oder um ein Kind ruhig zu stellen.

Was halten Sie von Verboten in Bezug auf Essen – seien es Zwischenmahlzeiten, Süßigkeiten oder gewisse Lebensmittel, die schlechter verträglich sind?

Von Verboten halte ich bei normalgewichtigen Menschen grundsätzlich nichts, außer es liegt tatsächlich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit vor. Wie so oft im Leben macht die Dosis das Gift. Außerdem sollte man sich nach gesünderen Alternativen umschauen, zum Beispiel statt Energydrinks zu trinken auf diverse Teesorten umsteigen.

Wie können Eltern damit umgehen, wenn ihre Kinder zum Beispiel Frustessen?

Die Ursache für den Frust herausfinden und nach Möglichkeit sogar beseitigen. Außerdem gemeinsam nach anderen Lösungen suchen zum Beispiel auf einen Sandsack einhauen oder den Bolzplatz aufsuchen. Essen sollte immer der Nahrungsaufnahme und dem Genuss dienen, aber nicht der Lösung von Problemen.

Woran können Eltern rechtzeitig erkennen, dass ihre Kinder eine Essstörung entwickeln und richtig handeln?

Ich bin kein Psychiater oder Psychologe. Kann also auch hier nur persönliche Ratschläge geben. Eltern sollten hellhörig werden, wenn das Kind plötzlich sein Verhalten ändert, wenn es sich ausgrenzt, wenn es aufhört, Dinge zu genießen, sondern nur noch entweder mit Widerwillen oder mit Gier Nahrung zu sich nimmt. Beginnt das Kind mit Kleidung die eigentlichen Körpermaße zu kaschieren, sollten die Alarmglocken läuten. Ich kann nur empfehlen, bei Zweifeln immer rechtzeitig professionelle Beratung aufzusuchen. Wenn es ein Fehlalarm war, ist es doch nur gut.  

 

Experimente erwünscht

Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht medial vermittelte Körperbilder und Ernährungstrends für Kinder und Jugendliche?

Ich persönlich glaube, dass diese eine sehr wichtige Rolle spielen. Vor allem die vermittelten Körperbilder sind sehr problematisch. Auf Instagram findet man nur noch perfekte Körper und Gesichter, die mit Filtern bearbeitet wurden. Aber das Ganze beginnt doch schon viel früher. Wir müssen doch nur mal die Zeitschriften für junge Mädchen anschauen. Die dort gezeichneten Mädchen haben praktisch alle anorektische Körpermaße, große Kulleraugen, Schmolllippen. Das beginnt schon so früh und deshalb ist es die Aufgabe von uns Eltern, unseren Kindern Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben und wir müssen ihnen die Möglichkeit bieten, sich über etwas anderes als über die reine Äußerlichkeit zu definieren. Sport ist da ein gutes Hilfsmittel und viel mehr als nur die Möglichkeit, schlank zu bleiben.

Welche Strategien würden Sie empfehlen, um Kinder direkt mit in die Ernährung einzubeziehen und sie mit Spaß ans Kochen heranzuführen?

Kinder sind von Natur aus neugierig, also lassen wir doch diese Neugierde zu. Ja, es ist nervig, wenn die Küche hinterher so ausschaut, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ja, Kinder halten sich nicht zwingend an Rezepte. Na und? Lasst sie experimentieren. Zudem gibt es mittlerweile viele, tolle Kochbücher für Kinder mit einfachen Rezepten, bei denen sie die meisten Schritte selbst ausführen können. Meine fünfjährige Tochter hilft ganz oft beim Kochen. Wenn es mal etwas Spezielles ist, bei dem sie vielleicht das Ergebnis gefährdet, dann darf sie parallel dazu etwas eigenes zaubern, bei dem sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen kann.

Sollten Kinder zwingend eine Sportart betreiben? Welche Bewegungsarten empfehlen Sie?

Ich meine ja. Aber wichtig ist, dass sie die für sie passende sportliche Betätigung finden. Bei Kindern ist oft gar nicht so sehr die Sportart entscheidend, sondern ob sie sich im Umfeld wohlfühlen. Es sollte nicht der Erfolg im Vordergrund stehen, sondern der Spaß und das Erlernen von sozialen Kompetenzen wie Teamgeist, Disziplin, Umgang mit Niederlagen, aber auch Siegen. Welche Sportart am Ende die richtige für ein Kind ist, spielt doch keine Rolle. Wir sollten ihnen die Zeit geben, den richtigen Deckel für den Topf zu finden.  

"The Biggest Loser – Family Power Couples" – ab 30. August 2021 immer montags um 20:15 Uhr in SAT.1.

Dieser Artikel erschien zuerst auf fitforfun.de