Sportlich ging es den deutschen Tennisherren schon mal schlechter: Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer gehören zu den 30 besten Spielern der Welt. Anfang April haben sie die Chance, mit dem Davis-Cup-Team in Lyon gegen Frankreich erstmals seit 2007 ins Halbfinale einzuziehen.

Dennoch hagelte es zuletzt Kritik - weil keiner aus dem Trio nach dem vorzeitigen Sieg in der Vorrunde gegen Spanien zum bedeutungslos gewordenen dritten Einzel antrat. Zu verletzt? Zu erschöpft? Oder zu satt? Wir haben bei Matthias Stach nachgefragt, der die Partie für Sat.1 Gold kommentiert hat.
TV SPIELFILM: Herr Stach, erinnern Sie sich noch an die Euphorie nach dem ersten Davis-Cup-Sieg der Deutschen, 1988 in Göteborg?

MATTHIAS STACH Ich saß als Radioreporter mitten unter - wenigstens am ersten Tag - total enthusiastischen Schweden. Als die Deutschen bereits am zweiten Tag alles klar machten war die gesamte schwedische Mannschaft feiern. Keiner wusste, ob da am nächsten Tag überhaupt noch einer zum Match erscheint.

TV SPIELFILM: Waren die Fans wütend, als Boris Becker seinen Auftritt am abschließenden Sonntag absagte?

MATTHIAS STACH Die Frage für die schwedischen Fans war eher: Wo ist Mats Wilander, damals die Nummer 1 der Welt? Der hatte an Tag 3 nicht mehr spielen können, denn die Frustparty in der Nacht zum Sonntag war heftig! Die Fans haben das entspannt hingenommen.

TV SPIELFILM: Sie wissen natürlich, worauf ich hinaus will: Als Anfang Februar das dritte Einzel in der Davis-Cup-Partie Deutschland gegen Spanien abgesagt wurde, waren die Fans nicht so relaxt.

MATTHIAS STACH Jeder, der sich über diesen Sonntag aufgeregt hat, hat Recht. Das ist unbestritten. Wenn ich eine Karte gekauft und keine Akkreditierung gehabt hätte, wäre ich auch sauer gewesen. Das hat man im Zuge der überschäumenden Freude am Samstag Abend klar unterschätzt! Ich hoffe einfach, dass der DTB (Deutscher Tennis Bund) am 30. März eine ganz wichtige Botschaft transportieren kann: Fans und Spieler rücken - auf welche Art auch immer - zusammen.

TV SPIELFILM: An diesem Tag veranstaltet der DTB in Frankfurt einen Showkampf mit Kindertraining, um die Gemüter der Fans zu beruhigen.

MATTHIAS STACH Für mich als Fan wäre da ein bisschen Tennis und Kindertraining nicht genug. Mal sehen, was sich die Herren haben einfallen lassen. Es müssen unbedingt alle Spieler kommen, die eine Woche später Davis Cup in Frankreich spielen! Positiv finde ich, dass die Aktion so schnell umgesetzt wurde.

TV SPIELFILM: Wie schwer wiegt der Eklat für Ihren Sport, der in Deutschland schwer um Aufmerksamkeit ringen muss?

MATTHIAS STACH Nach diesem sensationellen Samstag mit der vorzeitigen Entscheidung waren alle höchst euphorisiert. Mit der Wucht der Publikumsreaktion hat beim DTB keiner gerechnet. Das Bittere war dann diese Diskrepanz zwischen der Euphorie der ersten beiden Tage, Motto: Tennis lebt wieder in Deutschland, und dem, was am Sonntag passiert ist. Dass eigentlich keiner mehr über den sportlichen Erfolg geredet hat. Eine Katastrophe für den Tennissport in Deutschland.

TV SPIELFILM: Spieler oder Teamchef Carsten Arriens: Wem hat die Absage des dritten Einzels mehr geschadet?

MATTHIAS STACH Arriens hat sicher Fehler gemacht. Wie alle. Für mich hat sich die Kritik aber viel zu sehr auf ihn konzentriert. Denn er macht wirklich einen guten Job.

TV SPIELFILM: Nach dem Skandal war viel von "personellen Konsequenzen" die Rede. Was halten Sie davon?

MATTHIAS STACH Nichts, zumindest was die Position des Teamchefs anbelangt. Als neutraler Beobachter, der schon etwas länger dabei ist, hätte ich eher gedacht, dass es mal eine Konfrontation mit den Spielern und ihrem Umfeld geben müsste. Schon um die eigene Position zu stärken, dürfte der DTB das Thema Schwarzweiß-Vereinbarungen forcieren: Entweder, du spielst unter folgenden Bedingungen für die Mannschaft oder wir können dich nicht berücksichtigen.

TV SPIELFILM: Sie haben Ende der 80er-Jahre mitten im Graf-Becker-Tennis-Boom als Tennisreporter angefangen. Wie sehr schmerzt es Sie, dass Tennis in Deutschland zur TV-Randsportart geworden ist?

MATTHIAS STACH Das schmerzt natürlich. Aber wenn ich in die Clubs gehe, merke ich ja, dass dieser Sport immer noch einer der wirklichen Breitensportarten in Deutschland ist. Und es kann sich wieder einiges entwickeln.

TV SPIELFILM: Boris Becker ist 2014 als Coach von Novak Djokovic auf die große Tennisbühne zurückgekehrt. Ihr erstes Zwischenfazit?

MATTHIAS STACH Das ist ein langfristiges Projekt. Becker soll ja nicht unbedingt tennistechnische Elemente im Spiel von Djokovic verbessern, sondern sich um das Mentale kümmern. Eine seriöse Einschätzung ist vielleicht nach dem Turnier in Wimbledon möglich - da könnte Djokovic theoretisch ja am meisten von Becker profitieren.

Frank Steinberg

Davis-Cup: Frankreich - Deutschland
ab FR, 4.4., Sat1Gold, 13:15 Uhr