Bei seiner Dankesrede für den Golden Globe als bester Schauspieler in "The Disaster Artist" Anfang Januar musste James Franco ihn beinahe mit Gewalt vom Mi­kro fernhalten: Tommy Wiseau, Schauspieler, Filmemacher und Selbstdarsteller, der nicht eben unter Minderwertigkeitskomplexen leidet. Und das, obwohl er mit "The Room" den vermeintlich schlechtesten Film ­aller Zeiten drehte, in dem er auch noch sehr untalentiert eine der Hauptrollen spielte.

Ihn porträtiert James Franco in "The Disaster Artist", der minutiös die Entstehung des Wiseau'schen Machwerks schildert. Bei den Golden Globes war die von Franco selbst inszenierte Komödie auch als bester Film nominiert. Dort hatte der Regisseur zudem Lob für seinen jüngeren Bruder Dave übrig, der die Rolle des Wiseau-Kumpels und Schauspielers Greg Sestero übernahm. Ein Gespräch nicht nur unter Brüdern.

Interview mit James und Dave Franco sowie Tommy Wiseau

James, was wussten Sie über Tommy Wiseau, bevor Sie diesen Film machten?
James Franco: Nicht viel. Sie leben auch in L. A., Scott, stimmt's? Vielleicht erinnern Sie sich, auf der Highland Ave stand fünf Jahre lang, zwischen 2003 und 2008, wenn ich nicht irre, ein Werbeplakat, für das Tommy all die Zeit bezahlt hat. Das allein waren schon Hunderttausende von Dollars, glaube ich, nur für die Plakatwand. Er hat um die sechs Millionen Dollar ausgegeben für einen Film, der aussieht, als ­hätte er sechzig Dollar gekostet. (alle lachen) Auf dem Plakat waren nur sein Gesicht und eine Telefonnummer. Ich habe mir nie groß Gedanken darüber ­gemacht, ich dachte, das ­wäre so etwas wie Angelyne (legendäres Celebrity-Modell mit Werbeplakaten in Hollywood, um 1984).

Dann sahen Sie den Film?
James Franco: Nein, zuerst habe ich das Buch gelesen, das vor vielleicht vier Jahren erschien, geschrieben von dem Schauspieler Greg Sestero und einem großartigen Journalisten, Tom Bissell. Ich bin tatsächlich froh, dass ich erst das Buch gelesen habe, der Film "The Room" ist einfach so schräg, so bizarr. Seit vierzehn Jahren machen sich die Leute darüber lustig, aber da steckt mehr dahinter, das wusste ich.

Was hat Sie am meisten interessiert an der Entstehung dieses "schlechtesten Films aller Zeiten"?
Dave Franco: Ich war wirklich neugierig zu erfahren, ob Greg während der Produktion von "The Room" ­jemals wirklich geglaubt hat, dass dies ein guter Film werden könnte. Er behauptet, er habe das nie getan, aber das nehme ich ihm nicht ganz ab. Vor Beginn der Dreharbeiten habe ich mich ein paar Mal mit ihm sehr ausführlich unterhalten und ihn alles Mögliche gefragt.

Was zum Beispiel?
Dave Franco: Ich wollte unbedingt wissen, was ihn so zu Tommy hingezogen hat und warum er ihm gegenüber so loyal geblieben ist, wo doch jeder sehen konnte, dass das kein wirklich gesundes Freundschaftsverhältnis war. Greg hat viel darüber geredet, dass als junger Schauspieler tatsächlich niemand an ihn geglaubt hat und jeder ihm seinen Traum, Schauspieler zu werden, ausreden wollte. Dann traf er Tommy, der ihn anspornte und ihm das Gefühl gab, dass es diese Möglichkeit geben könnte. Das ist unbezahlbar, und das hatte ich immer im Hinterkopf beim Dreh.
Tommy, wie surreal ist es für Sie, sich selbst und Ihr eigenes Leben auf der Leinwand nachempfunden zu sehen?
Tommy Wiseau: James hatte eine Menge Material zur Verfügung, von mir und aus Gregs Buch. Mein Background ist eigentlich das Theater, ich habe vor zwanzig Jahren angefangen zu spielen. Die Idealsituation für einen Schauspieler ist immer, jemand anderen darzustellen, und da hat James einen ziemlich guten Job gemacht, finde ich. Und er hat sogar noch weit mehr getan, was ich nicht wirklich erwartet hatte.

Was war das?
Wiseau: Er war sehr gut vorbereitet, was viele überrascht hat, mich auch, ich war ja häufig vor Ort beim Dreh. Und manchmal hat er die Figur sozusagen über Bord gehen lassen, i­mmer noch einen draufgepackt, er ist den Extraweg gegangen. Das sieht man nicht oft bei Schauspielern, die ziehen sich irgendwann das Kostüm aus, und das war's dann für sie. Nicht für James. Ich glaube, er hätte jede Rolle des Films übernehmen können, das ist ziemlich einzigartig.
Dave Franco: Es ist beinahe ansteckend zu sehen, wie relaxed James am Set ist und wie viel Spaß er dabei hat. Wenn er Regie führt, ist er so glücklich wie ein kleines Kind, so habe ich ihn noch nie gesehen. Diese Dreh­arbeiten gehören eindeutig zu den erfreulicheren Erfahrungen, die ich bislang hatte.

Und wie war es, mit James als großem Bruder aufzuwachsen?
Dave Franco: Ich glaube, erst vor drei Jahren oder so hat er angefangen, mich als menschliches Wesen anzusehen (lacht), meine Ansichten zu respektieren oder sich überhaupt dafür zu interessieren, was ich denke. Als wir aufwuchsen, war ich immer nur der kleine Bruder, und er hat mich nur verarscht, dazu war auch der Altersunterschied zu groß.
James Franco: Ja, sieben Jahre. Als Dave nach Los Angeles kam, um hier zu studieren, war ich bereits eta­bliert, ich spielte in der Comedyserie "Freeks and Geeks", ich hatte den Golden Globe für den TV-Film "James Dean" gewonnen. Also sagten alle Leute zu ihm, Mensch, dein Bruder James... Ich konnte verstehen, dass er sich eine Zeit lang da raushalten wollte. Deshalb war das hier auch genau das richtige Projekt.

Weil Sie beide keine Brüder spielen?
James Franco: Das auch, aber schon als ich das Buch las, wusste ich, dass wir beide die richtige Dynamik dafür haben würden. Und es war klar, dass, wenn ich Tommy spiele, einige prothetische Veränderungen nötig sein würden, die Wangen, die Nase, das Kinn. Dadurch sah ich schon so anders aus als Davy, dass man uns gar nicht für Brüder halten würde.

Wie haben Sie sich auf die Rolle als Tommy Wiseau vorbereitet?
James Franco: So seltsam das klingt: exakt so, wie ich mich darauf vorbereitet hatte, James Dean zu spielen. Ich hatte Aufnahmen von Tommys Stimme, die ich mir ohne Ende im Auto angehört habe, ich hatte seine Filme, auch wenn es da gewisse Qualitätsunterschiede zu James Dean gab. (lacht) Ich hab sie mir ständig angesehen, um sein Verhalten genau zu studieren. Was mich so berührt, ist auch: Das hätte auch mein Weg sein können.

Tommy, macht es Ihnen ein bisschen Angst, dass Sie jetzt vielleicht den Ruhm bekommen, den Sie sich durch "The Room" einst erhofft hatten?
Wiseau: Nein, wovor sollte ich Angst haben? Ich bin niemand, der schnell Angst bekommt, ich habe als Stahlarbeiter große Gebäude gebaut. Aber mein Background war immer die Schauspielerei, ich weiß alles darüber, ich habe bei einer Schülerin von Stella Adler studiert, der Pionierin des Fachs. Ich habe mir geschworen, wenn ich nach Hollywood gehe, dann nicht ins Restaurantbusiness.

Wie soll man das verstehen?
Wiseau: Na, als Kellner. Neunzig Prozent der Schauspieler arbeiten als Kellner, das ist nun mal so. Das wollte ich nie. Ich war bereit für Hollywood, die Frage war nur: War Hollywood bereit für mich? (lacht)