Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Kleine manchmal auch, vor allem wenn sie mit Geld zu tun haben. Es geht um ­eine Preiserhöhung, vielleicht ­einen Euro im Monat. Die letzte liegt mehr als zehn Jahre zurück, ­besagte käme frühestens 2021. ­Eigentlich eine Lappalie.

Doch weil es um das Reizthema Rundfunkbeitrag geht, kochen die Gemüter vorsorglich schon einmal über, bevor irgendetwas spruchreif ist: Ministerpräsidenten zanken, Intendanten drohen mit dem Verfassungsgericht, und die üblichen Verdächtigen, die ­gegen "Staatsfunk" und "Zwangs­gebühren" wettern, tun, was sie am liebsten tun: Sie wettern.

17,50 Euro im Monat muss jeder Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk berappen. Im europäischen Vergleich liegen wir damit im Mittelfeld. Nächstes Jahr endet die aktuelle Gebührenperiode, die Sender drängen auf eine Anhebung. Doch wozu brauchen sie noch mehr Geld?

Das Internet kostet Geld!

Eine einschüchternd detaillierte Antwort geben ARD und ZDF alle vier Jahre mit ihrer "Anmeldung des Finanzbedarfs", einem vielhundertseitigen Konvolut voller Zahlen, Tabellen und Wirtschaftskauderwelsch. Dieses ­Papier prüft die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Das ist ein sechzehnköpfiges Gremium renommierter Rechts- und Wirtschaftsfachleute, die von den Landes­regierungen entsandt werden. Die KEF erstellt dann einen Bericht, in dem sie eine Empfehlung für die Höhe des künftigen Rundfunkbeitrags abgibt. Auf Basis der KEF-Empfehlungen handeln dann die Ministerpräsidenten die Höhe des Rundfunkbeitrags für die nächsten vier Jahre aus.

Tatsächlich gibt es gute Argumente für eine Gebührenerhöhung: Zur allgemeinen Inflation kommen beispielsweise die zuletzt rasant steigenden Streamingkosten: Für jede Minute "Tatort", die via Mediathek abgerufen wird, müssen die Sender Geld an Internet-Dienstleister überweisen. Das Datenvolumen hat sich zuletzt Jahr für Jahr verdoppelt!

Doch statt durch sachliche Argumente wird die öffentliche Diskussion durch die immer gleichen Erregungsrituale dominiert, und die Sender machen fröhlich mit. Beispielsweise wenn sie sich als Gralshüter von Bildung und Kultur ­stilisieren und düstere Szenarien zeichnen "Ohne Beitragsanpassung ist das Qualitätsniveau auf keinen Fall zu halten", mahnte ZDF-Intendant Thomas Bellut unlängst. Unangenehm klingen bis heute die Worte von WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn im Ohr, der die Gebühr zur "Demokratieabgabe" überhöhte.

Keine Frage: Gerade die Politik- und Infoangebote von ARD und ZDF sind größtenteils hochwertig und unverzichtbar. Zur Wahrheit gehört aber auch: Als Kostenfaktor fallen sie wenig ins Gewicht. Der Programmbereich Information im Ersten bekommt gerade einmal 57 Cent von den 17,50 Euro Monatsbeitrag! Wie überhaupt nur gut die Hälfte des jährlichen Beitragsaufkommens von derzeit etwa 7,8 Milliarden Euro ins TV-Programm fließt (siehe Punkt "Kostenbeispiele"). Wer wegen ein paar Gebührencents mehr oder weniger ausgerechnet hier Einschnitte androht, dem mangelt es an Fantasie oder Sinn für Prioritäten.

Privatsender werden im Supermarkt finanziert

Der Arroganz, mit der die ­Öffentlich-Rechtlichen zuweilen auftreten, steht die Ignoranz mancher Kritiker gegenüber. ­Immer für einen Aufreger gut sind zum Beispiel angebliche "Luxusgehälter", die ARD und ZDF an ihre Angestellten verteilen. Es stimmt, viele Fernsehleute verdienen verdammt gut. Doch die Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren mit den Privatsendern nicht nur um Zuschauer, sondern auch um die besten Mitarbeiter. Ihren Preis bestimmt der Arbeitsmarkt.

Fragwürdig auch die Kritik, es würde zu viel Geld in Sender wie Arte oder ZDF info gebuttert, die nur eine Minderheit einschalten. Denn einerseits ist es die vornehmste Pflicht der Öffentlich-Rechtlichen, eben nicht (immer nur) auf die Quote zu schielen. Und zum anderen begnügt sich etwa ZDF info mit 0,3 Prozent vom Gebührenkuchen. Der Zuschaueranteil liegt bei 1,4 Prozent.

Und dann ist da noch das Lieblingsargument vieler Gebührengegner: "Ich schaue nur RTL und Pro Sieben, warum soll ich für ARD und ZDF zahlen?" Wer so denkt, sollte sich kurz klarmachen, wie sich das Privatfernsehen finanziert: durch die 15 Mil­liarden Euro, die Unternehmen jedes Jahr für TV-Werbung ausgeben. Diese Kosten schlagen sie auf den Preis ihrer Produkte auf. Auch wer ausschließlich Arte und 3sat schaut, zahlt also fürs Dschungelcamp und "GNTM" – an der Supermarktkasse.

Kostenbeispiele: Wohin der Rundfunkbeitrag fließt

Imago, Sender

1.600000 Euro: "Tatort"
Die Produktionskosten sind für TV-Verhältnisse hoch, doch den einzelnen Beitragszahler kostet ein Sonntagskrimi keine vier Cent. Kein Wunder, dass kaum jemand ein Ticket für Schweigers Kino-"Tatort" kaufen wollte.

214.000000 Euro: Die Fussball-WM 2022
Große Sportereignisse sind die mit Abstand teuersten Angebote im TV. Immerhin: Die Rechte für die Fußball-WM 2022 in Katar sind um vier Millionen Euro günstiger als die für die WM 2018.

27.300 Euro: "Tagesschau"
Mit einem Minutenpreis von 1820 Euro zählt das News-Flaggschiff zu den preiswerten Produktionen im Ersten. Insgesamt kostet die komplette Nachrichtenschiene des ARD-Fernsehens 1,3 Prozent des Rundfunkbeitrags.

50.000000 Euro: ZDF neo
Der (nicht nur) Böhmermann-Sender hat von allen Spartenkanälen das höchste Jahresbudget. Zum Vergleich: Der ARD-Sender One muss mit circa 12 Millionen Euro im Jahr hinkommen.

290.000 Euro: "Terra x"-Folge
Hochglanz-Dokus zählen zu den Prunkstücken des öffentlich-rechtlichen Programms – und sind dabei erschwinglich. Eine "SOKO"-Folge am ZDF-Vorabend kostet das Anderthalbfache einer "Terra X"-Doku.

399.000 Euro: Der Intendant
Unter den Chefs der ARD darf sich WDR-Intendant Tom Buhrow über das höchste Jahresgehalt freuen. Er verdient doppelt so viel wie die NRW-Ministerpräsidentin – aber deutlich weniger als die Bosse beim Privatfernsehen.

TV ist nur die halbe Wahrheit

Beim Rundfunkbeitrag denkt man ans Fernsehen. Doch nur 56 Prozent des Gelds fließen ins TV-Programm. Im Großposten "Sonstiges" stecken unter anderem Kosten für Verwaltung, IT, Marketing und die ARD-Orchester.

Sonstiges: 29%

Die Dritten: 17%

Das Erste: 16%

ZDF: 16%

Radio: 15%

Digital- und Spartensender: 7%