Nur die Älteren werden sich, vielleicht mit feuchtem Glanz in den Augen, daran erinnern: Die "Klimbim"-Familie war einfach anders. Sie spielte mit überkommenen Traditionen, nahm jedliches Familienidyll auf die Schippe und war auf Provokation geeicht. Vertrieben die Studenten 1968 noch den Muff unter den Talaren der Professoren, so vertrieben ab dem ersten Sendetermin, dem 24, Juli 1973, Elisabeth Volkmann und Ingrid Steeger mit Strapsen, frivol bis zur Schmerzgrenze, den Muff aus deutschen Wohnzimmern. Kontrovers gedacht war das von Anfang an, Michael Pflehar, der Amerika-erfahrene Regisseur, der schon mit der Familienshow "Wünsch dir was" angeeckt war, brachte den Deutschen in den 70-ern bei, was subversiver Humor bedeuten kann.
Nichts gegen Heinz Schubert als Ekel Alfred in "Ein Herz und eine Seele", der Polit-Comedy, die kurz zuvor - gleichfalls vom WDR produziert - gestartet war. Aber diese Wundertüte aus Kalauern, Sex und Sketchen hatte ihren ganz eigenen, geradezu anarchischen Charme. Längst ist daraus ein Klassiker, eine Kultshow geworden, auf DVD fürs Heimkino erhältlich. Es war eben nicht nur der Sex der jungen Ingrid Steeger oder das Dekollete der hysterischen Familienmutter Elisabeth Volkmann, die damals über Nacht zu Stars avancierten. Es waren auch das Tempo und die scheinbare Unbekümmertheit der Abfolgen, die verrückten Gegensätze, die "Klimbim" zum Kult machten. Steeger selbst war bis zum Wimpernaufschlag und zur Lippenstellung durchinszeniert, die Kamera kroch ihr in die Poren.
Die Show, die mal im Studio vor Gästen, mal an Originalschauplätzen gedreht wurde, nahm sich immer wieder selbst auf die Schippe. Am Ende der fünfmal sechs Staffeln bis 1979 drohte sie jeweils immer wieder mit ihrem Aus, um dann einfach wiederzukehren - sei es nach einem vorherigen Einfrieren oder nach der unverhofften Rückkehr von einem anderen Stern.Das Titellied "Klimbim ist unser Leben, und ist es mal nicht wahr, dann mach ich mir 'nen Schlitz ins Kleid und find es wunderbar", geträllert von Ingrid Steeger, gehörte genauso zur DNS des Ganzen wie die stehende Wendung des Militaristen-Opas: "Das Frühstücksei ist wieder mal zu hart!" In jeder Folge warf er es gegen die Wand und machte damit den Weg für eine neue Kintopp-Nummer frei.
Die Regie arbeitete mit modernem Bluescreen und Zeitraffer und machte so die ganze Strohhut-Maskerade von 1900 wieder wett. Gör Gabi langweilte sich mit Papa im Schaumbad und schlug vor, doch wieder mal in den Zoo zu gehen, um dort die Eisbären mit Reißnägeln zu füttern, während im nächsten Augenblick eine hinreißende argentinische Soubrette Tangolieder sang und ein doppelter Udo Jürgens "Mathilda" zum Besten gab. Und kann es Größeres geben, als Jerry Lewis als "Bobby Zischer" beim Schachwettkampf mit Boris Spasski als dampfenden, hustenden WM-Gegner zu sehen? Durchsetzt mit internationalen Stars war das Ganze eben auch.
Nacktheit im Ersten – und das 1973
Pfleghar nahm sie alle mit, die pantoffeligen Altschlagerfans und die Freunde wohlgeformter Brüste, die Slapstick-Liebhaber und die Pazifisten. Ein Schuft, wer das alles zur "Peepshow des kleinen Mannes" verhohnepiepeln will. Allerdings fiel kein Gag mit der Tür ins Haus, allenfalls wurden Wände eingerissen - und sei es, um die Steeger mal wieder halbnackt zu zeigen. Merke, nur nebenbei: Erst jetzt, 50 Jahre später wurde in deutschen Freibädern "oben ohne" für Frauen erlaubt.
Wichart von Roëll aber, der mit Gummiglatze den Großvater spielte, durfte ob der Militaristenkarikatur zwei Jahre lang nicht mehr mit seinem erbosten Vater sprechen. Er hatte den Vater zu Veteranentreffen begleitet und wusste: "Was Soldaten im Krieg erlebt haben, kriegen sie nicht mehr aus dem Kopf." Das Klimbim-Ensemble sei hinter den Kulissen eine verschworene Gemeinschaft gewesen, so berichtet er. "Manchmal sehe ich sie in meinen Träumen", sagte er vor einiger Zeit über die bereits verstorbenen Kollegen. Ingrid Steeger ruft er manchmal an. Sie ist derzeit wieder einmal im Krankenhaus, ihr Zustand gibt Anlass zu großer Sorge. Von Roëll selbst hatte kürzlich einen Schlaganfall.
Die blonde Gabi blieb für Ingrid Steeger die Rolle ihres Lebens. Kein Glück mit Männern, keines mit Rollen. Dabei wollte sie nach dem Klimbim-Ende eigentlich "nie mehr die Doofe vom Dienst sein, die mit herausgedrücktem Busen durchs Bild stöckelt". Dabei war sie doch viel mehr - eine lebendige Befürworterin des gutmütig Naiven. Und sie wusste, das teilte sie als Fazit mit: "Männer gehen, Sketche bleiben."
Das Original zu diesem Beitrag "Oben ohne zur besten Sendezeit: Kult-Comedy "Klimbim" wird 50" stammt von "Teleschau".