Bislang stand der Schauspieler Hinnerk Schönemann bei der ARD-Krimiserie "Nord bei Nordwest" stets vor der Kamera. Nun sitzt er erstmals auch im Regiestuhl. Sein Debüt legt er mit der Episode "Auf der Flucht" (Donnerstag, 20.15 Uhr, Das Erste) vor.
"Ich kann mir vorstellen, dass es schon immer in mir geschlummert hat. Wahrscheinlich gibt es in meiner Familie so eine Art Affinität", sagt Schönemann ("Werk ohne Autor") im dpa-Interview. Der in Mecklenburg-Vorpommern lebende TV-Star, Neffe der Dokumentarfilmer Sybille und Hannes Schönemann ("Verriegelte Zeit"), fügt hinzu: "Ausschlaggebend waren dann aber die Erfahrungen, die ich selbst gesammelt hatte. Ich hatte auf einmal das Gefühl, dass ich mehr erzählen möchte. Mehr involviert sein in den ganzen Prozess - von der Entstehung bis dahin, den Film mitzuführen."
Nach der schnellen Zustimmung durch "Nord bei Nordwest"-Produzentin Claudia Schröder musste sich Schönemann allerdings noch gedulden, weil er unbedingt den von ihm geschätzten viel beschäftigten Holger Karsten Schmidt ("Ramstein - Das durchstoßene Herz") als Autor haben wollte. "Ich versteh' alles, was Schmidt schreibt", sagt der Schauspieler. Und gesteht: "Sogar, wenn ich spiele, spiele ich auch immer für ihn als Autor und sende ihm versteckte kleine Botschaften - zum Beispiel Zitate aus früheren Filmen. Ich möchte ihn auch überraschen, weil er mich immer wieder mit seinem Buch überrascht."
Mit dem Fall "Auf der Flucht" ist beiden ein schwarzhumoriger Geiselnahme-Krimi mit Thriller-Momenten gelungen. Denn im eigentlich eher beschaulichen fiktiven Dorf Schwanitz auf dem Priwall bei Travemünde (Schleswig-Holstein) nisten sich vier Schwerverbrecher ein, die einem Gefangenentransport entkommen sind. Sie nehmen die Tierärztin Jule (Marleen Lohse) und deren Praktikantin (Carolin Garnier) als Geisel. Dabei bereitet sich das ungute Quartett unter Führung des diktatorischen Victor Gericke (Roman Knizka, "Für immer Sommer 90") auf seine Flucht nach Dänemark vor.
Spannung, Sprachwitz und ein Spiel mit Genres zeichnet die von Schönemann verantwortete Geschichte aus. Der Neu-Regisseur beweist zudem Sinn für das Wesentliche, Strukturiertheit - und Gespür für die zwischenmenschlichen Dynamiken im Film. Die ergeben sich aus den Beziehungen zwischen norddeutscher Schüchternheit und Flirtversuchen der Einheimischen sowie den Ängsten und Aggressionen in Zusammenhang mit den brutalen, ziemlich unterschiedlichen Verbrechern. "Es ist am Ende so, wie ich es mir vorgestellt habe", so Schönemann.
Schönemann findet Erfüllung als Regisseur
Für ihn sei es kein Problem gewesen, sich auf die neue Funktion einzustellen. "Im Grunde ist es vertraut gewesen, es war kein großer Findungsprozess. Ich habe auch meine Regisseure der vergangenen Jahre kopiert, hatte gespeichert, was funktioniert - und was nicht. Auch meine Kolleginnen Marleen und Jana haben mir gleich das Gefühl gegeben, dass ich jetzt Regie führe. Es war ein tolles Miteinander."
Der 48-Jährige resümiert: "Mein Leben ist dadurch viel erfüllter geworden als es mir beim reinen Schauspielen möglich gewesen wäre. Allein die Vorbereitung hat fast zwei Monate gedauert. Man muss ja das Drehbuch durcharbeiten und sich viele Fragen stellen. Wie löst man eine Szene auf? Wie sollen die Kostüme aussehen?" Im Februar beginnt Schönemanns zweite Regiearbeit für "Nord bei Nordwest".
Zudem hat er die Produktionsfirma "Gorilla" gegründet. Sein Plan: "Auf lange Sicht möchte ich gerne Spielfilme in Mecklenburg machen. Ich habe ja überall gedreht, aber nie zu Hause. Da, wo ich mich wohlfühle, wo ich die Menschen kenne und richtig frei atmen kann."