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Neue Reportage-Reihe mit dem britischen Experten Stuart Pigott

Weinwunder Deutschland

Weinwunder
Stuart Pigott trinkt Riesling, Jack Nicholson schaut zu Bayerischer Rundfunk

Deutsche Weine erleben seit einigen Jahren eine Renaissance. Stuart Pigott, in Berlin lebender Engländer und einer der weltweit führenden Weinjournalistein, hat sich auf die Suche nach den Ursachen für das "Weinwunder Deutschland" gemacht. Der Bayerische Rundfunk zeigt in seinem dritten Programm ab dem 25. Dezember zunächst sechs von 12 Folgen der Reportagereihe.

"Weinwunder Deutschland im TV"
Herr Pigott, woran erkennen Sie einen guten Wein?

Stuart Pigott Ganz einfach: am Geschmack.

Braucht man ein besonderes Talent, um Weine unterscheiden zu können?

Stuart Pigott Viele Leute glauben, meine Weinkritiker-Kollegen oder ich hätten einen Supergaumen, mit dem wir jedes Aroma erkennen könnten. Ich muss Sie enttäuschen: mein Gaumen und meine Nase sind nicht anders als die ihren.

Dann könnte ich ja Ihren Job machen...

Stuart Pigott Im Prinzip ja. Aber Sie bräuchten ein wenig Zeit, um sich das Wissen und die Erfahrung anzueignen. Ich habe vor 26 Jahren meinen ersten Artikel über Wein veröffentlicht, übrigens über Weißwein aus der Pfalz, und ich habe mich seitdem mit großer Beharrlichkeit professionell mit Wein beschäftigt.
Woher rührt Ihr Interesse an deutschen Weinen?

Stuart Pigott Sie schmecken mir einfach. Außerdem hatte ich anfangs ein typisch britisches Interesse daran, Partei für den Underdog zu ergreifen. Und das war Deutschland in Bezug auf Wein lange Zeit, gemessen an Frankreich und Italien. Inzwischen hat sich das sehr geändert, wie auch die Fernsehreihe "Weinwunder Deutschland" zeigt.

Wie ist die Reihe aufgebaut, schildern Sie Region für Region?

Stuart Pigott Gott bewahre! Wir wollen die Zuschauer nicht mit Geographie-Unterricht langweilen. Wir gehen eher thematisch vor und untersuchen beispielsweise den Boom von Ökoweinen. Die waren lange Zeit ein Randphänomen und sind, wie man so schön sagt, inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Was unterscheidet die Weinkultur in Deutschland von der in anderen Ländern?

Stuart Pigott Zum Beispiel die jungen Winzer Die sind ganz anderes drauf als anderswo. Sie sind kreativer und sie verstehen Wein als Teil der Popkultur. Hinter den Fassaden der alten Winzerhäuser and der Mosel oder in Rheinhessen finden sie ein Ambiente, auf das manche coole Bar in Berlin-Mitte neidisch wäre.

Der Durchschnittpreis für einen Liter Wein im Lebensmittelhandel liegt bei 2,47 Euro. Kann ein Wein zu diesem Preis schmecken?

Stuart Pigott Sie müssen bedenken, dass zwei Drittel des Weins von nur 17 Prozent der deutschen Bevölkerung konsumiert werden, und die leben meist im Süden und in den Großstädten. Und dann gibt es natürlich auch einen Unterschichen-Konsum. Diese Leute wollen es so billig wie möglich. Und sie kriegen es auch, weil es eine globale Überproduktion von Wein gibt. Deutschland leidet glücklicherweise nicht unter diesem Problem.

Wenn ich einen einfachen, sauberen Landwein trinken möchte: Wie viel muss ich mindestens ausgeben?

Stuart Pigott Ich denke, Sie können schon für unter drei Euro einen guten Alltagswein finden. Das setzt voraus, dass die Anbaufläche flach ist und die Produktion komplett mechanisiert. Ich kenne einen Jungwinzer aus Rheinhessen, dessen normaler Silvaner kostet rund 2,50 Euro. Das ist ein sehr angenehmer Wein. Wenn ich auf einer Fete so etwas zu trinken bekäme, wäre ich glücklich.

Weihnachten steht vor der Tür. Welchen Wein empfehlen Sie zu Gans mit Rotkohl?

Stuart PigottEin Spätburgunder aus Baden oder der Pfalz bietet sich an. Eine Alternative wäre ein trockener kräftiger Riesling mit mindestens 13 % Alkohol. Oder, etwas unkonventioneller, ein feinherber Riesling von der Mosel. Für 10 bis 15 Euro wird man etwas finden, um Weihnachten würdig zu feiern.

Wie viel Wein darf man trinken, ohne dass die Leber zwickt?

Stuart Pigott Das hängt vom Zustand der Leber ab. Ich trinke nur dann nicht, wenn ich krank bin. Vielleicht sollte ich besser sagen: Wenn ich nichts trinke, bin ich garantiert krank.

Ich habe kürzlich Ralf Frenzel getroffen, den Weinkenner und Verleger vom Tre Torri Verlag, bei dem auch Ihr Buch "Weinwunder Deutschland" erscheint. Er hat erzählt dass er für einen Riesling, der im Einkauf 28 Euro kostet, in einem Restaurant 150 Euro bezahlt hat. Warum sind deutsche Weine im Restaurant so teuer?

Stuart Pigott Manche Restaurantbesitzer gehen von völlig falschen Voraussetzungen aus. Sie denken, dass sie nicht genug am Essen verdienen, und wollen das dadurch kompensieren, dass sie den Wein extrem teuer machen. Das ist nicht nur genussfeindlich, sondern auch betriebswirtschaftlich unsinnig. Die Gäste fühlen sich über den Tisch gezogen und kommen kein zweites Mal. Fühlen sie sich dagegen angemessen behandelt, weil die Weinpreise fair kalkuliert sind, bestellen sie eine zweite Flasche und kommen gern wieder.

Was war der teuerste Wein, den Sie jemals verkostet haben?

Stuart Pigott Es gibt Weine, von denen weiß ich gar nicht, welche Preise sie auf einer Auktion erzielen würden. Vor zehn Jahren habe ich einen Riesling Forster Auslese von 1811 getrunken, übrigens der Lieblingsjahrgang von Goethe, das war schon etwas Besonderes. Aber es ist nicht notwendig so, dass alt auch gut bedeutet. Ich habe mal einen Chateau Lafite von 1893 probiert. Ich fand ihn widerwärtig. Aber manche Leute zahlen für eine Flasche dieses Jahrgangs von einem der berühmtesten Güter im Bordeaux mehrere tausend Euro.

Ob im Fachhandel oder im Supermarkt: Immer mehr Flaschen haben einen Schraubverschluss statt des klassischen Korkens. Was sagen Sie dazu?

Stuart Pigott Der Korken ist wunderbar, wenn er funktioniert. Aber es gibt immer Ausschuss durch schlechte Korken. Solche Mängel treten beim Schraubverschluss nicht auf. Das spricht eindeutig für ihn.

Kommen wir zu etwas ganz anderem: Auf Ihrer Website schrieben Sie, dass Sie der Film "The Social Network" in ihrer Abneigung gegen Facebook bestärkt hat: NO TWITTER, NO FACEBOKK. NO BULLSHIT. Bei jungen Leuten ist das ein großer Trend, alle wollen dabei sein. Was stört Sie daran?

Stuart Pigott Der Nationalsozialismus war auch ein großer Trend, speziell bei jungen Leuten. Im Ernst: Stellen Sie sich vor, dass morgen Facebook bekannt gibt, sie hätten die Firma zu 100 % an russische Staatsfonds verkauft. Fänden Sie es lustig, dass die neuen Eigentümer Zugriff auf alle ihre Daten hätten? Ich nicht.

Rainer Unruh

Weinwunder Deutschland: Stuart Pigotts Entdeckungsreisen
25.12. BR 16.30 Uhr
Fünf weitere Folgen laufen zur gleichen Uhrzeit am 26.12., 31.12., 1.1., 2.1. und 6.1.


"Weinwunder Deutschland", das Buch zur Reihe, ist im Tre Torri Verlag erschienen und kostet 29,90 Euro (Hardcover, 280 Seiten, zahlreiche Farbfotos)