Nach Drogensucht, computertechnischen Höhenflügen und sozialer Abkapselung endete das Leben des visionären Hackers Karl Koch in einem Rätsel. Am Ende lag seine Leiche in einer kreisrunden Feuerstelle, schwarz verkohlt. Es sei eine Szenerie gewesen, ob der sich selbst ausgebuffte Polizisten erbrochen hätten, erinnert sich Ermittler Herrmann Salge in "23 - Der mysteriöse Tod eines Hackers" (ab 7. Dezember, Sky). Ob sich der damals 23-Jährige nun selbst umgebracht hat, ob er 1989 einem Mordkomplott des russischen Geheimdienstes KGB zum Opfer fiel oder ob er es sich mit einem Drogenboss tödlich verscherzt hat, vermag auch der Dokumentarfilm nicht aufzudecken.
Sehenswert ist der 90-Minüter trotzdem, weil er politische und technische Zeitgeschichte mit geheimnisumwitterter True-Crime-Geschichte kombiniert und obendrein eine interessante, weil mannigfaltige Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt. "Auf Anhieb" habe man Karl in Schulzeiten gernhaben können, denkt Hanna Over, Mutter von Karls Schulfreund Freke Over zurück. Der erinnert vor allem "die schwierige, düstere" Familie seines Kumpels. Doch dann eröffnet sich Karl, Freke und deren Kumpel Volker Ulle Anfang der 80er-Jahre eine neue Welt: das Hacken.
Schon bald lässt Karl die Schule schleifen, schlägt sich lieber die Nächte am Computer um die Ohren. Nach drei vergeblichen Versuchen, die elfte Klasse zu schaffen, schmeißt er hin. Stattdessen schmieden das Computergenie und seine Freunde unter Drogeneinfluss einen Plan: Sie wollen aus ihrem Talent Geld machen, indem sie dem KGB ihre Dienste für das Ausspionieren westlicher Institutionen zur Verfügung stellen - der Startpunkt des berüchtigten KGB-Hacks.
Ehemalige Weggefährten sind im Dokumentarfilm dabei
Regisseur Carsten Gutschmidt ("Terra X") hat für seinen Dokumentarfilm keine Mühen gescheut. Zahlreiche ehemalige Weggefährten zeichnen eindrucksvoll die Hintergründe des KGB-Hacks nach und versuchen sich an einem Psychogramm Karl Kochs. Mit von der Partie sind auch Ex-"Hart aber fair"-Moderator Frank Plasberg, der einst als Polizeireporter arbeitete, und Schauspieler August Diehl, der in der Rolle des Karl Koch im Kinofilm "23 - Nichts ist so wie es scheint" (1998) seinen Durchbruch feierte.
Karl Kochs Tod bleibt bis heute ein Rätsel, auch weil unter anderem der Obduktionsbericht trotz des Ablaufs der Geheimhaltungsfristen weiterhin unter Verschluss gehalten wird. Die "Blackbox um Karls Tod" lasse Volker Ulle "bis heute sehr unzufrieden sein", räumt der einstige Hackerkollege ein. Tragisch mutet währenddessen der im Sky-Film ausführlich behandelte körperliche und seelische Verfall des Protagonisten an. "Karl konnte nicht mehr ruhig sitzen, hatte zitternde Hände", rekapituliert Freke Over Kochs Medikamentensucht. Das sei "heftig mitanzusehen" gewesen.
Schwere Vorfürfe gegen Journalisten
Nicht besser hätten Karls Situation nach Overs Auffassung sensationsheischende Journalisten gemacht, die ihren "journalistischen Ethos aufs Schärfste verraten haben", um selbst Karriere zu machen: "Sie wussten, dass Karl in psychiatrischer Behandlung ist. Sie haben versucht, Karl zu benutzen, um ihre Karriere zu fördern." Schwere Vorwürfe, die der damalige NDR-Journalist Bernd Scheunemann in "23 - Der mysteriöse Tod eines Hackers" entschieden zurückweist.
Zusätzliche Authentizität verleihen dem ambitionierten Dokumentarfilm Zitate von Karl Koch aus den Verhörprotokollen, verlesen von August Diehl. Sie unterfüttern die Erzählung eines Lebens, das nur Extreme kannte - aber teils auch ungemeine Weitsicht. Schon Ende der 80er-Jahre warnte Koch vor "Kommunikationsprofilen", machte sich Sorgen, der Mensch würde durch die technischen Fortschritte "gläsern" werden und politische Systeme könnten technische Möglichkeiten missbrauchen.
Das Original zu diesem Beitrag "Mit 23 gestorben: Sky zeigt True-Crime-Film über deutsches Hackergenie" stammt von "Teleschau".