Es ist ein Phänomen, über das viel berichtet wurde, aber selten konnten wir so nah dran sein: Minderjährige Mädchen wurden in den Hochzeiten des sogenannten "Islamischen Staats" angeworben, um nach Syrien und in den Irak auszuwandern. Dort wurden sie verheiratet und lebten als radikale Muslima mit Folterern und Mördern zusammen. Aber wie geht es eigentlich den Familien der Mädchen und jungen Frauen, welche Möglichkeiten haben die IS-Kämpferinnen zurück nach Deutschland zu kommen und wie bekommen sie ihr normales Leben zurück? Dieser Frage geht die Dokumentation "Leonora – Einmal IS-Terror und zurück" nach, die seit dem 4. Juli in der ARD-Mediathek zu sehen ist.
Der Fall Leonora Messing erzeugte schon einmal großes Aufsehen, als die Macher des Films einen längeren Beitrag für die Tagesthemen zusammenstellten. Jetzt gibt es die ganze Geschichte über das Mädchen zu sehen, was von 2015 bis zum Ende des IS Teil der Terrororganisation war. Besonders beeindruckend ist ihr Vater Maik Messing, der neben ihr die Hauptrolle in der Doku spielt. Nach zwei Monaten in Syrien, schreibt die damals 15-Jährige ihm, dass sie zurück nach Deutschland will und ihre Entscheidung bereut. Von da an führt der Vater einen sechsjährigen Kampf seine Tochter zurückzuholen und sein Einsatz rührt einen selbst zu Tränen.
Leonoras traumatisierende Erlebnisse
Die Macher des Films Britta von der Heiden, Volkmar Kabisch und Amir Musaway zeichnen von der Radikalisierung der Tochter, über ihre Hochzeit mit einem hochrangingen IS-Mann, der ebenfalls aus Deutschland stammt, bis zu den Fluchtversuchen und schließlich ihrer Rückkehr die Geschichte von Leonora nach. Besonders Angst bekommt man um Vater Maik, als dieser sich durch Kabisch mit Schleusern in Verbindung bringt, die Leonora rausholen sollen: Die Schleuser gehörten zu al-Qaida. Mehrfach gerät die Tochter bei den Fluchtversuchen in Lebensgefahr, immer wieder kommt es zu längerer Funkstille, zwischendurch erzählt Maik, dass er nicht mehr leben wollte.
Die Grausamkeiten, die Leonora mit ansehen muss, schildert sie abgeklärt, aber sichtlich traumatisiert. Ihr Ehemann, der noch mit zwei weiteren Frauen verheiratet war, kaufte zwischendurch eine jesidische Sklavin für 800 Dollar. Die Filmemacher konfrontieren den Mann mit diesen Vorwürfen: Er behauptet, er hätte die kranke jesidische Frau retten wollen, verkauft hat er sie ihrer Familie später für mehr als 24.000 Dollar.
Eine weitere interessante Frage, die die Doku verhandelt ist, wie Leonora den Weg zurück in ihr altes Leben findet und ob sie noch radikalisiert ist, einen Prozess wegen ihrer IS-Mitgliedschaft gibt es ebenfalls. Obwohl der Film manchmal arg zwischen den Zeiten springt und an manchen Stellen durchaus noch tiefer hätte gehen können, ist die Dokumentation Pflichtfernsehen von höchster Qualität.
"Leonora – Einmal IS-Terror und zurück" ist in der ARD-Mediathek verfügbar.