Das ist schon eine brenzlige Konstellation: Die routinierte Berliner Hauptkommissarin Irene Gaup (Caroline Peters) bekommt als neue Partnerin eine reichlich arrogante Ermittlerin vor die Nase gesetzt. Die neue Kollegin Julia Jungklausen (Natalia Belitski) ist, wie schnell klar wird, ausgerechnet die Affäre von Irenes Noch-Ehemann, dem Staatsanwalt Hans (Götz Schubert). Seit ein paar Monaten sind die beiden Eheleute getrennt, und erst allmählich schafft es Irene, wieder Gleichgewicht in ihr Leben zu bringen.
Wer jetzt einen gnadenlosen Zickenkrieg im Polizeidezernat erwartet hat, liegt völlig falsch: "Das böse Kind", die Pilotfolge der neuen ZDF-Krimireihe "Kolleginnen", die am Samstag um 20.15 Uhr im Zweiten läuft, entpuppt sich als starker, glaubwürdiger Polizeifilm, der ganz nah an den Figuren dran ist und eine packende Geschichte erzählt.
"Kolleginnen": Das ist der erste Fall
Am Stadtrand von Berlin wird die Leiche des 18-Jährigen Korbinian Walser entdeckt. Der Junge trägt eine auffällige Halskette, DNA-Spuren führen zurück zu einem ungeklärten Vermisstenfall. Vier Jahre zuvor verschwand die damals 13-jährige Emma Lennartz (Emilie Neumeister) mit ihrem gerade neugeborenen Kind spurlos. Damals leitete Irene Gaup die Ermittlungen, bis heute macht sie sich Vorwürfe, weil sie einen Moment lang unachtsam war.
Vielleicht hat sich die junge Mutter ja auf dem Selbstversorger-Hof in der Nähe des Tatorts versteckt. Die Befragung der Bäuerin (Karoline Eichhorn) ergibt zunächst wenig, aber die Frau scheint sich mit Rechtsfragen gut auszukennen. Und dann wäre da noch der seltsame Schamane Keanu (Marek Harloff), der in einem Tipi auf dem Acker neben dem Hof lebt und die Gemeinschaft auf den Weg der Erleuchtung bringt.
Das sind viele Fährten und Spuren, die von Regisseurin Vanessa Jopp ("Gut gegen Nordwind") und der Drehbuchautorin Annette Simon gekonnt ausgelegt werden. Dabei liegt der Fokus des Auftaktfilms ganz klar auf den ermittelnden Frauen. Caroline Peters ("Mord mit Aussicht") überzeugt als verletzte, verlassene Polizistin, die sich mit viel Mut und Power aus ihrem emotionalen Tief herausarbeitet.
Einmal kommt ihr Ex-Mann abends zu ihr in die Küche. "Hast Du was zu essen für mich?", fragt er naiv. Da knetet sie gerade den Nudelteig. Aber er wird hungrig ins Bett zu seiner neuen Geliebten kriechen, derweil Irene die schöne Pasta ganz ungerührt in den Abfall schmeißt. Ein genial-lakonisches Bild für das Ende einer 20-jährigen Ehe.
Der preisgekrönte Kameramann Hans Fromm ("Transit", "Barbara") findet immer wieder die richtigen Einstellungen, um die Verlorenheit und Hoffnungen der Figuren zu zeigen: Schon das Eingangstableau mit dem kleinen Mädchen allein auf einem Spielplatz ist großartig gefilmt.
Auch schauspielerisch ist der Auftakt von "Kolleginnen" stark: An der Seite der routinierten, beliebten Caroline Peters, die derzeit auch im Ensemble der Berliner Schaubühne Glanzlichter setzt, geht Natalia Belitski ("Stumme Schreie") als jüngere Kollegin keineswegs unter. Mit Entschlossenheit kämpft sie um den Respekt der Älteren - die beiden passen gerade in ihrer Gegensätzlichkeit gut zusammen.
Ein spannendes Duo, das komplettiert wird von Götz Schubert, Karoline Eichhorn oder dem wunderbaren Marek Harloff, der als Schamane so etwas wie den spirituellen Teppich für diesen Krimi ausbreitet, in dem es vor allem um Trauer und Verlust geht. Zweimal besuchen die Ermittlerinnen die Mutter des jungen Mordopfers, das sind herzergreifende, berührende Szenen.
Und wie geht es weiter mit den "Kolleginnen"? Die zweite Folge ist laut ZDF bereits abgedreht, und dieser erste Aufschlag macht auf jeden Fall Lust auf mehr.