Explodierendes Dynamit, Steinschlag, Wasserein brüche, Lokomotivunfälle, Krankheiten - der Tod war immer gegenwartig. Pro Kilometer Gotthardtunnel starben dreizehn Arbeiter, sogenannte Mineure, bei ihrer Knochenarbeit, insgesamt mehr als 190. Die Dunkelziffer liegt aber wohl weitaus höher. Die deutsch-schweizerische Co-Produktion "Gotthard" mit Maxim Mehmet, Marie Bäumer und Joachim Krol spart die unmenschliche Seite dieser Pioniertat nicht aus, aber schildert sie zum Glück nicht in krassem Naturalismus. Sonst müssten Eltern ihren Kindern die Augen zuhalten! Die Zuschauer erwartet eine dreistündige, opulente Zeitreise ins ausgehende 19. Jahrhundert, eine Ära, die von brutaler Ausbeutung und Fortschrittseuphorie angetrieben wurde.
Gigantismus pur
Der schiere Gigantismus dieses Projekts sorgt auch heute noch für Gänsehaut. Inspiriert vom Jahrhundertbau des Suez kanals verpfändete der Genfer Bauunternehmer Louis Favre (1826-1879) sein Schicksal an das Gelingen eines hochriskanten Plans: Der Ingenieurs-Autodidakt versprach seinen internationalen Finanziers den Bau eines fünfzehn Kilometer langen Eisenbahntunnels, des längsten der Welt, durch das granitharte Gotthardmassiv, und das innerhalb von nur acht Jahren.
Triumph über die Natur?
Der Bau sollte ein Triumph der Technik über die Alpen sein. Favre selbst erlebte ihn nicht mehr, er starb kurz vor dem Durchbruch im Schacht. Davor jedoch hatten er und seine Ingenieure Unmögliches möglich gemacht. Sie sprengten mit dem soeben erst erfundenen Dynamit, und das in einem Ausmaß, dass eigens eine Fabrik in der Nähe gebaut werden musste. Sie konstruierten multiple Bohrungetüme, um den Widerstand des Gesteins zu brechen. Weil Luftfeuchtigkeit und Giftschwa den das Arbeiten unter Tage zur Hölle machten, erfanden sie pressluftgetriebene Loks.
Gleichzeitig ließ der Visionär Tausende Mineure im ungesicherten Tunnel schinden. Die Arbeitsmigration machte den kleinen Alpenort Göschenen zu einer Goldgräberstadt, in der katastrophale hygienische Bedingungen herrschten. 1875 kam es zu einem Streik, der mit Gewalt beendet wurde.
Gleichzeitig ließ der Visionär Tausende Mineure im ungesicherten Tunnel schinden. Die Arbeitsmigration machte den kleinen Alpenort Göschenen zu einer Goldgräberstadt, in der katastrophale hygienische Bedingungen herrschten. 1875 kam es zu einem Streik, der mit Gewalt beendet wurde.
Von 1880 nach 2016
Am 29. Februar 1880 war all das vergessen: Der Durchbruch war vollbracht, alle Zweifler verstummten. Als im Juni 2016 der neue, nunmehr 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel eröffnet wurde, erinnerte man sich feierlich an diese Pioniertat. Kritiker gab es auch. Der Schweizer Autor Adolf Muschg etwa meinte, die Alpenregionen würden vom schnellen Transit nicht profitieren: Schwere Wege seien für die Einheimischen günstiger als schnelle.