Wenn etwas "Tag für Tag" passiert, ist klar: Echte Überraschungen sind hier nicht zu erwarten. Das aber hat RTLZWEI bislang nicht daran gehindert, das "Hartz und herzlich"-Spin off namens "Tag für Tag" zu drehen. Nach "Rostock Groß Klein" im Januar werden aktuell wieder die Mannheimer Benz-Baracken vorgeführt. Und es besteht keinerlei Spoiler-Gefahr, wenn wir schon mal verraten: Wer das verpasst, hat nichts verpasst. 

Diese Kolumne erschien zuerst bei FOCUS.de.

Was derzeit ab Folge 101 gezeigt wird, hat RTLZWEI im letzten Sommer geerntet. Und zwar nicht Tag für Tag, sondern über Monate hinweg. Trotzdem fühlt es sich so an, als habe das Kamerateam nur zwei, drei Tage lang Bimmel-Bingo in den Benz-Baracken gespielt: Hallo erstmal, dürfen wir reinkommen? Und dann mit der Kamera schlicht draufgehalten, während die Bewohner der Baracken vor sich hinplaudern. 

Petra hat den Mann getauscht

Petra, 32, hat einen Neuen. Sascha heißt er, und die dreifache Mutter möchte ihn baldmöglichst heiraten. Sascha ist 42 Jahre alt und seit 2019 arbeitslos. Heiraten würde er seine Petra am liebsten auf Schloss Neuschwanstein, aber das Mannheimer Standesamt ist auch okay: "Schlicht, schnell, einfach – ja, Amen und raus, verheiratet." 

Katrin, Ehefrau von Kult-Barackler Elvis, macht sich Sorgen um Tochter Jasmin, 17. Die Tochter habe ja nur herumgehangen seit dem Schulabbruch vor einem Jahr. Sie solle doch "auch mal etwas durchziehen", fordert die Mutter. Sonst sei das Kind mit 23 noch immer ohne Ausbildung, Gott bewahre. Sagt Katrin, 41 Jahre alt und seit 1999 arbeitslos. 

Dagmar steckt irgendwo auf dem Behördenweg zwischen Sozialhilfe und Rente fest

Elvis, Petra, Katrin & Co: Dank RTL2 sind die Bewohner der Benz-Baracken im Mannheimer Viertel Waldhof so etwas wie Stars der Hartz-IV-Szene geworden. Die Straßen dort tragen so optimistische Namen wie "Frohe Zuversicht" oder "Starke Hoffnung". Doch das, was zu sehen ist, sieht nach tiefster Trostlosigkeit aus. Trotzdem ist die Zuschauerquote hoch. Oder deswegen? 

Nüchtern informiert uns die Stimme aus dem Off: "Dagmar ist derzeit weder krankenversichert noch kann sie die Miete zahlen. Und die Berechnung der Mütterrente verzögert sich – trotz eingereichter Geburtsurkunden." Dagmar steckt irgendwo auf dem Behördenweg zwischen Sozialhilfe und Rente fest. Doch sie hofft tapfer täglich auf Nachricht vom Amt. "Vielleicht ist die Taube, die das bringt, abgestürzt oder abgeschossen worden", scherzt sie bitter. 

"Ihr Verlust hinterlässt eine große und schmerzhafte Lücke."

Dagmar ist so etwas wie die gute Seele der Benz-Baracken – auch wenn sie nichts hat, gibt sie gerne. Etwa an Christa, die nun, nach einem Jahr Obdachlosigkeit, endlich eine Wohnung gefunden hat. Doch kaum eingezogen, verstirbt Christa plötzlich. "Dagmar, 66 Jahre, hat Christa eine Waschmaschine gespendet", steht in der Bauchbinde von Dagmar, während diese über das Leben sinniert: "Man kann nie genau sagen, wann es soweit ist."

"Christas Kartoffelknödel werden wohl immer ihr Geheimnis bleiben", salbadert die Stimme aus dem Off: "Ihr Verlust hinterlässt eine große und schmerzhafte Lücke." Die Kamera indes ist bereits auf der Suche nach dieser Lücke: Trauert Tochter Petra ausreichend? Wo sie doch die obdachlose Mutter nicht bei sich hatte aufnehmen wollen. Und wer hat Christas Ableben so schnell im Netz verbreitet? "Die Frau ist noch nicht einmal richtig kalt, und schon steht es im Internet", regt sich Dagmar auf: "Abartig!" 

"Ruhe in Frieden", sagt Elvis versöhnlich. Doch das wird RTLZWEI zu verhindern wissen – Tag für Tag aufs Neue. 

Die besprochene Folge steht zum Abruf auf TVNOW bereit.

Der "Hartz und herzlich – Tag für Tag Benz-Baracken": Todesfall wirft Fragen auf wird veröffentlicht von FOCUS online.