Vermutlich kennen Sie das auch. Man steht auf einer Party herum, redet kurz über die großen Themen der Weltpolitik (Was ist eigentlich aus Obamas Hund Bo ge­worden?), bevor man sich dem zuwendet, was jeden interessiert: dem Fernsehen. Und schon ist das Gespräch in vollem Gang. Der eine schwärmt von der Serie "The Deuce" mit James Franco, die ein realistisches Bild der Sexindustrie im New York der Sieb­zigerjahre zeichnet. Ein anderer hat gerade "The Man In The High Castle" entdeckt und begeistert sich für die Sorgfalt, mit der ein alternativer und zugleich schrecklicher Verlauf der Geschichte konstruiert wird, nämlich ein Sieg der Nazis und ihrer japanischen Verbündeten im Zweiten Weltkrieg. Ein dritter wirft ein, das deutsche "Dark" sei auch nicht zu verachten, ein vierter erzählt schließlich, er sehe nur noch die britische Premier League, da sei das Niveau höher als in der heimischen Bundesliga.

Was darf Fernsehen kosten?

Unterschiedliche Sachen haben wir auch schon früher gesehen. Und noch immer findet am Sonntagabend in vielen Haushalten die Entscheidung zwischen Krimi im Ersten und Romanze im ZDF statt. Neu ist, dass viele der Inhalte, über die wir heute sprechen, auf verschiedenen Kanälen zu uns gelangen. Und dann heißt es, frei nach Uschi Glas: Zur Kasse, Schätzchen. Beispiel "The Deuce": Die Serie von "The Wire"-Mastermind David Simon läuft beim Pay-TV-Anbieter Sky. Wer sich nicht langfristig binden will, kann ein monatlich kündbares Ticket für den Bereich Entertainment lösen. Das kostet im ersten Monat 1 Euro, ab dem zweiten 9,99 Euro. Will man zusätzlich einen Blick auf "The Man in The High Castle" riskieren, braucht man einen Zugang zur Plattform Amazon Prime. Mit 69 Euro im Jahr ist man dabei. Schade, dass die Serie "Dark" beim Konkurrenten Netflix läuft, denn nun werden noch mal mindestens 7,99 Euro (10,99 Euro bei HD-Qualität) Abogebühr pro Monat fällig. Die Premier League live erleben? Kein Problem, für 9,99 Euro im Monat überträgt Dazn die Spiele von Kloppo & Co. live auf alle Geräte. Um die hochgelobte Serie "The Handmaid's Tale" auf Telekom Entertain zu sehen, braucht man ein 10-Euro-Abo. Und wer außerdem seine chinesischen Sprachkenntnisse vertiefen will, der kann Sender wie CCTV4 unabhängig vom WLAN via Satellit empfangen, muss allerdings für Schüssel und Receiver einen dreistelligen Eurobetrag investieren. Dafür gibt's Nackedei-TV wie Babe­station24 gratis dazu.

Den schleichenden Übergang zum Pay-TV merkten im vergangenen Jahr die Zuschauer, die noch per Antenne fernsehen. Wollten sie nach der Umstellung auf DVB-T2 weiterhin die pri­vaten Sender gucken, wurden 69 Euro jährlich fällig. Die Privaten begründeten die Gebühr mit ihrem technischen Aufwand für die HD-Qualität. Aber sie erweisen sich auch als findig, wenn es darum geht, auf anderen Wegen Geld vom Zuschauer einzusammeln. Wer etwa verpasste Sendungen der Vox-Serie "Club der roten Bänder" in hoher Qualität auf seinem Smartphone oder Tablet sehen will, kann das mit der App von TV Now plus. 2,99 Euro kostet der Spaß im Monat.

Das ist nicht viel Geld, aber es läppert sich. Wo ist die Grenze, wie viel sind wir bereit, für gutes Fernsehen zu zahlen? In den USA zahlten 2016 die Benutzer von Cable TV im Schnitt 103 Dollar monatlich, um vor allem Sport, "Game of Thrones" auf HBO und "Homeland" auf Showtime zu ­gucken. Doch das ist inzwischen selbst den Amis zu viel. Netflix, das in den USA ab 7,99 Dollar pro Monat kostet, ist der große Gewinner der Abkehr vom Kabel.

Mal wieder Vorreiter: Netflix

Das Unternehmen aus Kalifornien weiß vermutlich besser als jeder andere Player in der Medienwelt, was seine globale Kundschaft will: intelligente Serien mit hohem Schauwert, die ruckelfrei auf allen Geräten laufen. Acht Milliarden Dollar pumpt das Unternehmen allein in diesem Jahr in originäre Inhalte. Außer mit rund 60 exklusiven Serien will der Streaminggigant seine weltweit 110 Millionen Abonnenten, davon rund fünf Millionen in Deutschland, mit großen Filmen von Martin Scorsese und Anime-Eigenproduktionen bei Laune halten. Der Preis für die aggres­sive Expansionspolitik ist ein Schuldenberg von 20 Milliarden Dollar. Vermutlich wird der Zuschauer irgendwann einen Teil der Zeche in Form höherer Abogebühren zahlen. Laut Umfragen liegt für US-Bürger zurzeit die Schmerzgrenze bei 15 Dollar pro Monat für ein Netflix-Abo, man kann also ziemlich sicher sein, dass sich die Preise in diese Richtung bewegen werden. Zumindest in den wohlhabenden Ländern, denn die Netflix-Kunden in den USA, Kanada und West­europa finanzieren die Expansion der Firma in ärmere Regionen wie Mexiko, wo das Abo lediglich 5,03 Dollar im Monat kostet.

Mit Disney setzt ein weiterer Mediengigant auf Streaming. Eine eigene Plattform ist für nächstes Jahr geplant. Dort soll exklusiv eine neue "Star Wars"-Trilogie gezeigt werden. Fernsehserien zu "Die Monster AG" und "High School Musical" sind ebenso geplant wie eine neue Marvel-Serie. Durch den spektakulären 52-Milliarden-Dollar-Deal mit Fox hat Disney zudem die Rechte an so populären Figuren wie X-Men, Avatar, Alien und den Simpsons erworben. Ob Disney mit dem Dienst auch nach Deutschland kommt, steht noch nicht fest. Geld wird man aber auf jeden Fall abdrücken müssen. Die Produkte aus dem Haus mit der Maus landen nach dem Kino bei Pantaflix, einem von Matthias Schweighöfer mitbegründeten Video-on-Demand-Dienst, wo im Durchschnitt 2,99 Euro pro Film fällig werden.

Nimmt man noch Maxdome für Filmfans, Mubi für Arthouse-Liebhaber und diverse Sport­kanäle hinzu sowie die passende Hardware (4K-Fernseher etc.), ist man rasch bei mehr als 3500 Euro. Das ist etwas für TV-Freaks. Den meisten dürften die rund 80 Programme reichen, die im TV SPIELFILM LIVE-Paket enthalten sind. Und wenn Sie mal auf einer Party sind, auf der über die tollen neuen US-Serien ge­redet wird, die es nur auf Streamingplattformen gibt, machen Sie es wie 007: Bluffen Sie. Die ­Infos ­erhalten Sie von einer schönen Russin. Oder scrollen Sie sich einfach oft genug durch unseren ­Video-on-Demand-Bereich.