Angefangen hatte Peter Rüchel Ende der 60er-Jahre beim SFB, von dort ging es zum ZDF, wo er das Jugendmagazin "direkt" startete. Schon diese Sendung eine mediale Revolution, plötzlich gab es da ein Format, das Themen wie Schwangerschaftsabbruch, Drogen und Homosexualität thematisierte. Der Gegenwind war entsprechend, Rüchel zog dennoch durch. Es war wohl auch dieser Mix aus Hartnäckigkeit, Neugier und Pioniergeist, die den "Rockpalast" schließlich von der Idee zum europaweit einzigartigen Projekt machten.
Zusammen mit Regisseur Christian Wagner ersonnen, starten die beiden in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1977 das erste Rockpalast-Festival. Ort des Geschehens ist die Essener Grugahalle, auf der Bühne stehen mit Rory Gallagher, Little Feat und Thunderbird drei Granden des Bluesrock. Am Anfang liegt hier der stilistische Schwerpunkt, doch nach und nach öffnet sich das Team, zu dem auch die Moderatoren Alan Bangs und Albrecht Metzger gehören, einem sehr vielfältigen musikalischen Spektrum. Metzger ist es denn auch, der das legendäre Intro prägt. Seine Ansager-Parole "German Television proudly presents" wird zum Kult, wegen des deutschem Akzents immer etwas belächelt, gleichzeitig jedoch ein verlässlich verheißungsvoller Auftakt für etliche Konzerte.
Dylans erstes Bett in Deutschland
Siebzehn Rockpalast-Nächte werden es, die Acts lesen sich wie das "Who is Who" der Rockhistorie: Peter Gabriel und Patti Smith, ZZ Top und Joan Armatrading, The Police, The Who, The Grateful Dead, ebenso Black Uhuru, Rick James und King Sunny Adé. Bei der letzten Rockpalast-Nacht, vom 15. auf den 16. März 1986 stehen Big Country, Jackson Browne und BAP auf der Bühne. Wer dieser Geschichte aus ungewöhnlicher Perspektive nachspüren will, dem sei ein Besuch im Hotel Bredeney in Essen empfohlen. Jean-Pierre Troillet ist dort seit 1975 als Direktor im Einsatz und hat sie alle erlebt, nicht nur die Rockpalast-Rocker und Rockerinnen, sondern auch etliche andere Bands, die in die Stadt kamen, um Konzerte zu spielen. Der Blick in seine Gästebücher liest sich wie ein Soundtrack: Black Sabbath und Van Halen haben sich hier ebenso verewigt, wie Udo Lindenberg, Gianna Nannini, Roxy Music, Cocker, Stevens, Donovan und Udo Jürgens. Georges Moustaki spielt hier für das Küchenpersonal, zum Dank für ein Nachtmahl, zu den freundlichsten Gästen zählte Nina Hagen und als Bob Dylan seine ersten drei Nächte überhaupt in Deutschland verbringt, tut er es hier in Essen, im Hotel Bredeney.
Für den Rockpalast sind diese Live-Nächte nur ein Teil der vielfältigen Geschichte. So zeigt das Team auch Konzerte aus anderen Clubs. Diese Band namens U2 zum Beispiel, die im November 1981 im Berliner Metropol spielt. 1000 Leute fasst der Laden, nur 350 Zuschauer haben sich eingefunden. Wohl nur wenige ahnen, dass sich diese junge, irische Band mit dem selbstbewussten Sänger zu einer der größten Bands des Planeten aufschwingen würde. Zwei Jahre später sieht das schon anders aus. U2 spielen auf der Loreley, der WDR überträgt und vor 20.000 begeisterten Zuschauern macht die Band einen ganz entscheidenden Schritt Richtung Supergroup. In den Jahren danach sorgen hier auf dem Felsen bei St. Goarshausen Bands wie The Alarm, Little Steven und natürlich die Red Hot Chili Peppers für Begeisterungsstürme. Kiedis & Co. absolvieren hier 1985 ihren ersten TV-Auftritt überhaupt und gehen mit "Rock Out With Your Cock Out" – nackt und nur mit einer Socke über dem Gemächt – in die Geschichte ein.
In ein neues Jahrtausend
Nach dem Ende der Rockpalast-Nächte versucht man sich an einem Comeback als ‚Rocklife‘, aber der alte Zauber lässt sich nicht so einfach wiederherstellen. Die Szenen verändern sich, das Privatfernsehen und Musiksender wie MTV sorgen für neue Sehgewohnheiten. Doch Rüchel & Co. gehen die Evolution mit, sind fortan nicht mehr Ausrichter, sondern tauchen als Gast, als TV-Partner bei den immer erfolgreicher werdenden Groß-Festivals auf, darunter legendäre Dickschiffe wie Rock Am Ring und das Bizarre-Festival.
Das neue Millennium bricht an, die Zeichen stehen ein weiteres Mal auf Abschied, da rufen leidenschaftliche Fans die Aktion "Rettet den Rockpalast" ins Leben. 2003 schließlich endet die Ära Rüchel, der "Häuptling" übergibt an die next Generation, an seinen Nachfolger Peter Sommer. Mit dem Namensvetter setzt sich die Geschichte fort, Festivals wie Area4, Summerjam, Haldern Pop und das Reeperbahn-Festival werden übertragen. Zum 20-jährigen Jubiläum der Band In Extremo geht es 2015 sogar noch einmal auf die Loreley zurück. Und während im Laufe der Jahre auch Hip-Hop-Größen wie Casper zum ‚Rockpalast' gehören, geht es mit dem ‚Crossroads Blues & More‘ wieder zurück zu den Wurzeln. Die Übergänge sind fließend, von Scheuklappen keine Spur. Live, das ist das Stichwort. Es muss live sein, es muss auf der Bühne funktionieren, so Elmar Sommer, Realisator und freier Mitarbeiter beim ‚Rockpalast‘.
Von Peter Rüchel musste sich das Publikum im vergangenen Jahr endgültig verabschieden, am 20. Februar 2019 ist Rüchel verstorben. Und auch wenn sich sein großer Traum –einmal Bruce Springsteen im ‚Rockpalast‘ – nicht mehr erfüllen sollte, sein Livemusik-Baby hat die Dekaden bestens überstanden. Die Idee war gut, die Welt bereit. Die Geschichte des ‚Rockpalast‘, sie geht weiter.