Bastian Schweinsteiger analysiert die DFB-Pokal-Blamage des FC Bayern gegen Holstein Kiel als TV-Experte in der ARD. Das wirkt noch immer irgendwie ungewohnt, auch wenn Schweinsteiger inhaltlich an Wucht und Profil gewinnt. Seine Bayern-Zuneigung kann er aber nicht ganz kaschieren.
Bastian Schweinsteiger am ARD-Mikrofon, mit Rollkragenpullover, dunklem Jackett und dunkler Hose, die graumelierten Haare korrekt zum Scheitel drapiert - das bleibt ein etwas ungewohnter Anblick. Aus dem Fußballer wurde ein elder statesman des deutschen Sports, schon in der Endphase seiner Spielerkarriere war das so, bei Chicago in den USA.
Schweinsteiger, der Oberbayer, hat längst eine Genese zum Weltbürger hinter sich, inzwischen analysiert er fürs Erste die wichtigen Fußballspiele: Das 0:6 der Nationalelf in Spanien erklärte er dem Fernseh-Fan ebenso wie das sensationelle Scheitern des FC Bayern im DFB-Pokal bei Holstein Kiel.
Auch gerne mal Phrasen
Schweinsteiger wirkt noch immer ein wenig steif in seiner Expertenrolle im TV, selten verzieht er eine Miene wie früher, als der "Schweini" ja noch ein frecher Lausbub war. Dafür gewinnen seine Worte inhaltlich an Wucht, obgleich auch ein Weltmeister und -mann den Fußball weder neu erfinden noch verwissenschaftlichen sollte: "Im Elfmeterschießen kann immer alles passieren." Ja, ist so. Kiel zeigte es beim 6:5. Die Bayern "müssen wieder an den Schraubstellen drehen". 1:0 fürs Phrasenschwein.
Dafür überzeugte Schweinsteiger mit Mut zur klaren These und keiner Scheu vor Zitierfähigem. Bemerkenswert, wie er das zuletzt stotternde Bayern-Spiel - bereits vor Anpfiff in Kiel - kritisch anzweifelte. Zentraler Punkt: das sogenannte "hohe Stehen" von Hansi Flicks Abwehrkette.
Schweinsteigers klare Kritik an Hansi Flicks Bayern
Bei Bayerns Rivalen sei zu merken, "dass sie so ein bisschen dieses Hochstehen versuchen auszuspielen mit direkten Pässen hinter die Abwehr", sagte Schweinsteiger. "Es kommt mir so vor, als ob der Code so langsam entschlüsselt wird."
Dann seine Frage, in den Raum oder an sich selbst: "Wird man immer so hochstehen oder steht man in gewissen Situationen auch mal zehn Meter tiefer und gibt dem Gegner nicht diese Räume?" Antworten erhielt der Zuschauer in der ersten Halbzeit, als Kiel ein klassisches Bayern-Gegentor gelang. "Sie stehen an der Mittellinie sehr, sehr hoch, und das auch noch in Unterzahl", mäkelte Schweinsteiger, ehe er deutlich wurde: "Das ist so unnötig in meinen Augen! Aber sie stehen so hoch. Dann dürfen sie sich auch nicht beschweren, wenn der Gegner den Ball auch mal richtig spielt."
Flick reagierte auf Schweinsteigers Ausführungen, indem er betonte, Bayern hätte "die Tiefe absichern" müssen; das habe "nichts damit zu tun, dass wir hochstehen". Allerdings räumte er die sich wiederholenden Muster in der Fehlerkette ein.
Richtig nah am Spieler dran
Nach Spielschluss wurde Kiels Finn Bartels, der besagtes 1:1 erzielt und den entscheidenden Elfmeter verwandelte hatte, zum Interview geschaltet. Er habe "nur eine Frage", rief Schweinsteiger feixend aus dem Studio zu Bartels im Schneegestöber.
Wie war das denn, als "der Davies" in der Verlängerung nach vorne gesprintet sei, "habe ich das richtig gesehen, dass der Trainer gesagt hat: 'Komm auf die andere Seite, Finn?'" Ach, antwortete Bartels, "das war eher von mir aus, ich brauchte mal 'ne Pause, weil der Davies noch mehr marschiert ist". Erfrischender Dialog, von Fußballer zu Fußballer in Fußballersprache. Gut, dass ARD-Moderator Alexander Bommes nicht dazwischengrätschte.
Schweinsteigers Lob an die heldenhaften Kieler fiel aufrichtig aus ("taktisch sehr gut aufgestellt", "überragende Leistung", "historische Nacht"), die Innenverteidiger Hauke Wahl und Stefan Thesker mochte er gesondert hervorheben - exakt dafür ist ein Experte da.
Noch nicht ganz unparteiisch
Konträr dazu demonstrierten die Bayern "nicht diese Entschlossenheit wie die Kieler", fand Schweinsteiger. Und als er über Münchens Misere urteilte, schien es, als ob er sich verkneifen müsste, "wir" statt "sie" zu sagen. Schweinsteiger war von 1998 bis 2015 im Klub, ein halbes Leben, sein Herz schlägt im roten Rekordmeistertakt, ganz unparteiisch kann er gar nicht sein.
So erkannte der 36-Jährige "einen Nackenschlag", zitierte Uli Hoeneß' Lieblingsweisheit ("the trend is your friend") und konstatierte final: "Man sieht einen gewissen Ablauf bei Bayern, der leider in den letzten Spielen entstanden ist." Leider.
Alles auf Anfang, sogar in den "Tagesthemen". Nach der Pokal-Übertragung hatte Moderatorin Caren Miosga auf einen gewissen "Sebastian Schweinsteiger" verwiesen - und sich "untröstlich" entschuldigt. Der Gewöhnungsprozess ist in vollem Gange.
Dieser Artikel erschien zuerst bei FOCUS Online.
Der Artikel Fußball im TV: Schweinsteiger kritisiert Bayern-Strategie im DFB-Pokal wird veröffentlicht von FOCUS online.