Zugegeben, ganz fair ist ein direkter Vergleich zwischen der Formel-1-Saison von 1976, einer der spektakulärsten überhaupt, und dem sterilen Königsklassengegondel von heute nicht. Damals gab es das packende Duell der Fahrerlegenden Niki Lauda und James Hunt, von Regisseur Ron Howard filmisch gekonnt eingebettet in die schillernde Playboy-Ära eines mondä­nen Rennzirkus.

Aktuell liefern sich die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und sein (ewiger?) Vize Nico Rosberg einen ermüdenden teaminternen Zweikampf, ein­gebettet ins hermetisch von den Fans abgeschottete Paralleluniversum des Formel-1-Impresarios Bernie Ecclestone.

Und doch könnte das Rennfahrerdrama "Rush - Alles für den Sieg" der sogenannten Strategiegruppe der Formel 1 trotz der vielen fiktionalen Zuspitzungen als Lehrfilm dienen. Denn die Kritik an der kriselnden Rennserie mit ihren meist blassen Protagonisten und Autos, deren Aussehen einfach nicht zu ihrem mickrigen Sound passen will, wird lauter.
Um sinkenden Sponsoreneinnahmen und in vielen Ländern bröckelnden TV-Einschaltquoten entgegenzu­wirken, plant besagte Strategie­grup­pe, in der neben Ecclestone auch Jean Todt, Präsident des automobilen Weltverbands FIA, sowie Vertreter der wichtigsten Teams sitzen, eine kleine Regelrevolution.

Ab 2017, ließ man im Mai verlautbaren, sollen breitere Reifen, stärkere und lautere Motoren und Autos mit "aggressive­rem Aussehen" die müde Show pimpen. Auch Tankstopps, seit 2010 aus Sicherheitsgründen abgeschafft, wollen einige Gremiumsmitglieder wieder einführen.

"Die (geltenden) Regeln sind Müll", befand Ecclestone mit Blick auf die derzeitige Situation. "Wir müssen spektakulären Sport bieten und nicht den Vorreiter in der Automobiltechnologie spielen." Eine Spitze gegen die effizienten, erst 2014 eingeführten Hybridantriebe. Doch selbst wenn alle Maßnahmen in die Tat umgesetzt würden - über Regeländerungen entscheidet nicht die Strategiegruppe, sondern allein der Motorsportweltrat der FIA -, bliebe ein Kernproblem bestehen.

In Zeiten von Lauda und Hunt ließen sich auch mit technisch unterlegenen Boliden durch fahrerische Brillanz Top­platzierungen erzielen. Heute wirken die Akteure hinter dem Steuer in vielen Momenten nur noch wie Sklaven der Technik, die Hierarchie im Fahrerfeld ist weitgehend betoniert. Autonomes (Renn-)Fahren - wie sollen sich die Piloten da noch zu charismatischen Stars wie in den 70er-Jahren entwickeln?

"Ich persönlich vermisse den harten Rennsport Fahrer gegen Fahrer, wo in der letzten Runde um wenige Sekunden der Sieger entschieden wird", kritisierte der ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger nach dem Großen Preis von Italien im September bei Servus TV. "Mir ist es zu ­wenig emotional, es ist zu technisch. (...) Man muss heute ein Fan mit extremem Tiefgang sein, um überhaupt zu verstehen, was abläuft."

Dass sich die Rückbesinnung auf die Grundlagen des Rennsports auszahlen kann, beweisen die Zweiradkonkurrenten der MotoGP: Superstar Valentino Rossi und Fahrer wie Marc Marquez, die Ausnahmeerscheinung der letzten Jahre, liefern sich oft bis auf die Zielgerade atemberaubende Überholmanöver. Ein Fest für jeden Motorsportfan. Aber so einfach, da muss man kein Prophet sein, wird es in der komplizierten Welt der Formel 1 natürlich nicht gehen.

Die Formel 1 gestern und heute

■ Der Titelkampf
1976: Lauda vs. Hunt
Nach neun Rennen sah für Weltmeister Niki Lauda alles nach Titelverteidigung aus. Dann stoppte ihn der Feuer-Crash auf dem Nürburgring. Aber obwohl der Österreicher­ ­bereits sechs Wochen nach dem Unfall wieder am Start war, gewann am Ende James Hunt die WM - mit einem Punkt Vorsprung.
2015: Hamilton vs. Rosberg
Anders als in der Vorsaison dominiert Lewis Hamilton die Konkurrenz fast nach Belieben, beim Rennen in den USA verteidigt der Brite seinen Titel vorzeitig. Eine herbe Enttäuschung für seinen Teamkollegen, den frischgebackenen Vater Nico Rosberg. Machen Kids einen Rennfahrer doch langsamer?

■ Die Sicherheit
1976: Eine Gratwanderung
Die Strecken boten kaum Auslaufzonen, ­Zuschauer konnten direkt an ­die Piste. Die Fahrer trugen ­Vollvisierhelme und feuerfeste ­Rennanzüge, ihre Autos waren ­mit Alu-Monocoques aber längst nicht so stabil wie heute. Abgedroschen, aber wahr: Der Tod fuhr mit!
2015: Ein Spaziergang
Der Vollvisier­helm mit Kohlefaserkragen zum Schutz der Halswirbelsäule (HANS-System), das Auto mit Monocoque aus Kohlefaser, automatischem Feuerlöschsystem und Unfalldatenschreiber sowie zeitgemäße Rennstrecken minimieren die Risiken.

■ Das Fahrerimage
1976: Playboy
Schillernde Figuren wie James Hunt, der angeblich 5000 Geliebte hatte, prägten einen Rennzirkus, der nicht nur nach Benzin roch, sondern auch einen Hauch von Hollywood verströmte.
2015: Playstation
Vettel, Alonso, Hamilton: Fantastische Fahrer gibt es natürlich auch heute noch. Nur ist ihre Strahlkraft begrenzt. Jagen sie nicht gerade über die Rennkurse, schwitzen sie im Gym, sitzen im Fahrsimulator oder haben Sponsorentermine. Ein Lewis Hamilton spielt zwar mit dem Superstarimage, wirkt im Vergleich mit Hunt & Co. aber wie ein Milchbubi.

Frank Steinberg