Noch bevor das Bregenzer "Naturgeisterfestival" mit seinen gar schrecklichen Teufelsmasken im Gange ist, vermeldet die aufgeregte Lisa Schwegelin (Anna Herrmann) einen Mord, der im Getümmel geschieht. Doch noch gibt es keinen Toten, doch Lisa kann das Opfer genau beschreiben: Hat sie Visionen? - Nur wenige Stunden später geschieht dann wirklich der Mord. Den Bodensee-Kommissaren Hannah Zeiler (Nora Waldstätten) und Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) gibt das naturgemäß manches Rätsel auf. Während Oberländer die seltsame Zeugin für verrückt erklärt, glaubt Nora an einen ernsten Hintergrund.

"Das zweite Gesicht" lautet der Titel dieses 14. Films (Erstausstrahlung Januar 2022) aus der erfolgreichen Montagskrimireihe des ZDF, die seit 2014 im Programm ist. Erstmals führt der "Tatort"-erfahrene Filmemacher Christian Theede Regie, auch die Autoren Jeanet Pfitzer, Frank Koopmann und Roland Heep sind neu an Bord.

Drehbuch kramt in den Untiefen der menschlichen Psyche

Die Bregenzer Geister raven zu wilden Trommelschlägen, sie können einem wirklich Angst einjagen. Der Spaß daran, das nur nebenbei, grassiert neuerdings ja wieder in den Alpenländern, die Grusel-Folklore wird flächendeckend neu belebt. Für den Film wurde das Teufelstreiben in ein "Naturgeisterfestival" umbenannt, vielleicht wollte man den Brauchtumsvereinen mit dem filmischen Psycho-Trip nicht zu nahe treten.

Denn es dauert nicht lange, da hat Lisa schon wieder eine Vision: Diesmal wird ein Bootseigner mit derselben Klinge ums Eck gebracht. Zwei Männer von ein und derselben Person - hatte womöglich Lisa selbst die Tat begangen? Das Drehbuch geht nun erstaunlich weit, es kramt in den Untiefen der menschlichen Psyche. Ist Lisa krank, und wenn ja, ist sie zwei? Und warum schickt Lisas Bruder so rigoros die Kommissare weg, warum versucht er Lisa zu schützen? Christian Theede, dem Regisseur, gelingt es, trotz früher Preisgabe von Tatmotiven, die Spannung bis zuletzt hochzuhalten. Anna Herrmann als Lisa hält dabei geschickt die Balance zwischen Normalmensch und Medium.

Nora Waldstätten ist ausgestiegen

Spätestens als Götz Otto als Psychiater die Bildfläche betritt, gewissermaßen mit dem Lehrbuch der Psychopathologie unterm Arm, scheint klar zu sein, wer der eigentliche Drahtzieher des Unglücks ist. Es wird dann aber doch ein weiterer Grund für die Morde ans Licht gezogen.

Wen die Schulpsychologie nicht stört und wer auch gegen vielfaches Namedropping einigermaßen gewappnet ist, sieht einen durchaus spannenden Psychokrimi. Der Bodensee allerdings, eigentlich "fünfter Hauptdarsteller" der Krimireihe, wie Matthias Koeberlin meint, hat diesmal fast bis zum Ende Pause. Erst mit dem Countdown am Bootshafen wird für Romantiker noch einiges nachgereicht.

Bei der Erstausstrahlung im Januar 2022 erreichte "Die Toten vom Bodensee - Das zweite Gesicht" gute 8,23 Millionen Menschen, was dem zweithöchsten Wert nach Film zwölf "Der Wegspuk" vom Dezember 2020 entsprach. Mit "Unter Wölfen" (November 2022) und "Nemesis" (Februar 2023) sind inzwischen zwei weitere Filme der Reihe erschienen. In "Nemesis" stand erstmals Alina Fritsch als Wiener Abteilungsinspektorin Luisa Hoffmann vor der Kamera: Die 1990 geborene Schauspielerin ersetzt Nora Waldstätten, die die Krimireihe nach neun erfolgreichen Jahren verließ. Vier weitere Filme unter den Arbeitstiteln "Nachtalb", "Atemlos", "Die Messias" und "Der Nachtschatten" sind bereits abgedreht.

Die Toten vom Bodensee - Das zweite Gesicht : am Montag, 07.08. um 20.15 Uhr im ZDF.