Bundestrainer Joachim Löw gewährt seinen Weltmeistern eine Pause. Nur Matthias Ginter, Julian Draxler und Shkodran Mustafi sind dabei, wenn der DFB-Tross zum Confed Cup nach Russland reist. Außerdem sieben Neulinge und jede Menge Youngster, die vom Alter her auch bei der fast zeitgleich stattfindenden U21-EM (16. bis 30. Juni 2017) hätten auflaufen können. Da passt es, dass das ZDF seinem Stammduo Welke/Kahn ebenfalls eine Auszeit gönnt und Jochen Breyer (34) mit Exnationalspieler Sebastian Kehl (37) auflaufen lässt, um die ZDF-Spiele der beiden Turniere zu präsentieren. Wir haben mit Kehl gesprochen - u.a. über urlaubende Stars, seine Rolle als TV-Experte und das komplizierte Personalpuzzle, das Löw und sein U21-Kollege Stefan Kuntz bei der Nominierung zusammensetzen mussten.
Was hätten Sie an Stelle von Leon Goretzka oder Max Meyer bevorzugt: eine Einladung zur U21-EM oder zum Confed Cup?
Sebastian Kehl: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Jeder Spieler möchte natürlich im A-Team dabei sein. Aber in dem Fall ist die U21-Nominierung für Max Meyer nicht als Degradierung zu verstehen. Die Entscheidungen von Löw und Kuntz wurden mit den Spielern klar besprochen. Das Ziel ist hierbei beide Teams für den Confed Cup und die U21-EM so zusammenzustellen, dass sie möglichst erfolgreich sind und jeder die Chance hat zu spielen.
Warum braucht ein Spieler wie Mario Gomez, der mit seinem Verein nicht international unterwegs war, eigentlich eine Pause?
Jogi Löw kennt Mario Gomez seit etlichen Jahren. Er muss ihn nicht mehr testen, und ich halte ihn für einen wichtigen Faktor auf dem Weg zur WM 2018. Darüberhinaus hat sich Sandro Wagner nach seiner guten Saison in Hoffenheim nun eine Chance verdient. Der Confed Cup bietet Löw die viel zu seltene Gelegenheit, Spieler über einen längeren Zeitraum zu beobachten und sich ein klares Bild zu machen. Ich glaube, dass dieses Perspektivteam in der gewählten Form gut zusammenpasst.
Was halten Sie von der Entscheidung des Bundestrainers, vielen arrivierten Spielern in diesem Sommer lieber eine Pause zu gönnen, um damit die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung bei der WM 2018 zu erhöhen?
Ich kann die Entscheidung absolut nachvollziehen. Fast alle Spieler, die jetzt von Löw eine Pause bekommen, gehören zum Stammpersonal, hatten in den letzten Jahren sehr hohe Belastungen und benötigen eine Auszeit. Sie werden sich darüber freuen, den Urlaub genießen und sich auf die neue Saison gut vorbereiten. Die Mission Titelverteidigung 2018 steht über allem und der Confed Cup ist schlussendlich als eine Zwischenstation zu sehen.
Man hat das Gefühl, dass weder Fans noch Spieler sich für den Confed Cup wirklich begeistern. Wie schätzen Sie den sportlichen Wert des Turniers ein?
Die sportliche Bedeutung ist bei allen teilnehmenden Nationen nicht besonders hoch. Aber trotzdem werden gerade die Neulinge und jungen Spieler ihr Chance nutzen, sich aufdrängen und das Vakuum an Führungsspielern in diesem Kader für sich nutzen wollen. Aber der ein oder andere wird auch nicht böse sein, wenn dieses Test- und Perspektivturnier irgendwann nicht mehr stattfindet (lacht).
Ein anderes Thema ist die geplante DFB-Akademie, für die Sie den Bereich Mentoring aufbauen. Was hat Sie daran gereizt?
Der DFB und seine Akademie betreten in vielen Bereichen Neuland. Jungen Spielern Mentoren an die Seite zu stellen, gibt es im Fußball bislang nicht. Starke Veränderungen in der Welt des Fußballs, Kommerzialisierung und Digitalisierung lassen die Anforderungen an junge Spieler zunehmend wachsen. Das Modul Mentoring soll ihnen hierbei zusätzliche Unterstützung bieten und die wertvolle Möglichkeit sie auf ihrem sportlichen und persönlichen Weg zu begleiten.
Mit erfahrenen Profis kann sich der Nachwuchs doch auch in der Kabine austauschen, oder?
Sicher übernehmen auch einige ältere Spieler weiterhin Verantwortung für den Nachwuchs und bieten Hilfestellung an. Aber diese Entwicklung ist rückläufig und vielerorts rücken eigene Interessen mehr und mehr in den Fokus. Ein unabhängiger Mentor, der das Profigeschäft kennt, sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive und kann durch seine Erfahrung deshalb vor, während und nach der Karriere einen deutlichen Mehrwert bringen.
Hätten Sie sich als junger Spieler selbst mal Unterstützung von einem "alten Hasen" gewünscht?
Ja, in der Rückschau wäre der ehrliche, unabhängige Rat eines erfahrenen Profis hin und wieder hilfreich gewesen. Ich hätte die Bereitschaft daraus zu lernen und mich weiter zu entwickeln gerne genutzt. Ob das die heutige Spielergeneration dann am Ende auch beherzigt und umsetzen will, daran muss man gemeinsam arbeiten.
Gibt es aktuelle Entwicklungen in der Nachwuchsförderung, die Sie auch nachdenklich machen?
In den NLZ (DFB-Leistungszentren) und Vereinen wird mittlerweile sehr professionell gearbeitet. Wenn ich das mit den Anfängen meiner Karriere vergleiche gab es einen extremen Wandel. Aber diese Professionalisierung fördert nun mal die Persönlichkeitsentwicklung, die ein wichtiger Bestandteil von Mentoring ist, nicht gleichermaßen. Wenn wir Persönlichkeiten auf dem Platz wollen, dann hilft es auch, sie außerhalb des Platzes zu fordern. Selbstständigkeit und Proaktivität der Spieler, sich weiterentwickeln zu wollen, sind hierbei ganz wichtig.
...Sie sind schon mit 16 von zu Hause ausgezogen, um zu Hannover 96 zu gehen.
Der Umzug nach Hannover, die ersten harten Monate dort, sich alleine mit Schule und Beruf zurechtfinden, parallel zum Profifußball noch das Abitur machen: Ich habe gelernt, früh auf eigenen Füßen zu stehen. Mir hat das geholfen und die Zeit hat mich sehr geprägt. Heute gibt es ganz andere Hilfestellungen. Auf der anderen Seite kann man einiges auch kritisch hinterfragen: Wird den Spielern vielleicht schon zu viel abgenommen? Kann die eindimensionale Entwicklung im Fußball sogar hinderlich sein auf dem Weg zum möglichst erfolgreichen Profi?
Sebastian Kehl: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Jeder Spieler möchte natürlich im A-Team dabei sein. Aber in dem Fall ist die U21-Nominierung für Max Meyer nicht als Degradierung zu verstehen. Die Entscheidungen von Löw und Kuntz wurden mit den Spielern klar besprochen. Das Ziel ist hierbei beide Teams für den Confed Cup und die U21-EM so zusammenzustellen, dass sie möglichst erfolgreich sind und jeder die Chance hat zu spielen.
Warum braucht ein Spieler wie Mario Gomez, der mit seinem Verein nicht international unterwegs war, eigentlich eine Pause?
Jogi Löw kennt Mario Gomez seit etlichen Jahren. Er muss ihn nicht mehr testen, und ich halte ihn für einen wichtigen Faktor auf dem Weg zur WM 2018. Darüberhinaus hat sich Sandro Wagner nach seiner guten Saison in Hoffenheim nun eine Chance verdient. Der Confed Cup bietet Löw die viel zu seltene Gelegenheit, Spieler über einen längeren Zeitraum zu beobachten und sich ein klares Bild zu machen. Ich glaube, dass dieses Perspektivteam in der gewählten Form gut zusammenpasst.
Was halten Sie von der Entscheidung des Bundestrainers, vielen arrivierten Spielern in diesem Sommer lieber eine Pause zu gönnen, um damit die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung bei der WM 2018 zu erhöhen?
Ich kann die Entscheidung absolut nachvollziehen. Fast alle Spieler, die jetzt von Löw eine Pause bekommen, gehören zum Stammpersonal, hatten in den letzten Jahren sehr hohe Belastungen und benötigen eine Auszeit. Sie werden sich darüber freuen, den Urlaub genießen und sich auf die neue Saison gut vorbereiten. Die Mission Titelverteidigung 2018 steht über allem und der Confed Cup ist schlussendlich als eine Zwischenstation zu sehen.
Man hat das Gefühl, dass weder Fans noch Spieler sich für den Confed Cup wirklich begeistern. Wie schätzen Sie den sportlichen Wert des Turniers ein?
Die sportliche Bedeutung ist bei allen teilnehmenden Nationen nicht besonders hoch. Aber trotzdem werden gerade die Neulinge und jungen Spieler ihr Chance nutzen, sich aufdrängen und das Vakuum an Führungsspielern in diesem Kader für sich nutzen wollen. Aber der ein oder andere wird auch nicht böse sein, wenn dieses Test- und Perspektivturnier irgendwann nicht mehr stattfindet (lacht).
Ein anderes Thema ist die geplante DFB-Akademie, für die Sie den Bereich Mentoring aufbauen. Was hat Sie daran gereizt?
Der DFB und seine Akademie betreten in vielen Bereichen Neuland. Jungen Spielern Mentoren an die Seite zu stellen, gibt es im Fußball bislang nicht. Starke Veränderungen in der Welt des Fußballs, Kommerzialisierung und Digitalisierung lassen die Anforderungen an junge Spieler zunehmend wachsen. Das Modul Mentoring soll ihnen hierbei zusätzliche Unterstützung bieten und die wertvolle Möglichkeit sie auf ihrem sportlichen und persönlichen Weg zu begleiten.
Mit erfahrenen Profis kann sich der Nachwuchs doch auch in der Kabine austauschen, oder?
Sicher übernehmen auch einige ältere Spieler weiterhin Verantwortung für den Nachwuchs und bieten Hilfestellung an. Aber diese Entwicklung ist rückläufig und vielerorts rücken eigene Interessen mehr und mehr in den Fokus. Ein unabhängiger Mentor, der das Profigeschäft kennt, sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive und kann durch seine Erfahrung deshalb vor, während und nach der Karriere einen deutlichen Mehrwert bringen.
Hätten Sie sich als junger Spieler selbst mal Unterstützung von einem "alten Hasen" gewünscht?
Ja, in der Rückschau wäre der ehrliche, unabhängige Rat eines erfahrenen Profis hin und wieder hilfreich gewesen. Ich hätte die Bereitschaft daraus zu lernen und mich weiter zu entwickeln gerne genutzt. Ob das die heutige Spielergeneration dann am Ende auch beherzigt und umsetzen will, daran muss man gemeinsam arbeiten.
Gibt es aktuelle Entwicklungen in der Nachwuchsförderung, die Sie auch nachdenklich machen?
In den NLZ (DFB-Leistungszentren) und Vereinen wird mittlerweile sehr professionell gearbeitet. Wenn ich das mit den Anfängen meiner Karriere vergleiche gab es einen extremen Wandel. Aber diese Professionalisierung fördert nun mal die Persönlichkeitsentwicklung, die ein wichtiger Bestandteil von Mentoring ist, nicht gleichermaßen. Wenn wir Persönlichkeiten auf dem Platz wollen, dann hilft es auch, sie außerhalb des Platzes zu fordern. Selbstständigkeit und Proaktivität der Spieler, sich weiterentwickeln zu wollen, sind hierbei ganz wichtig.
...Sie sind schon mit 16 von zu Hause ausgezogen, um zu Hannover 96 zu gehen.
Der Umzug nach Hannover, die ersten harten Monate dort, sich alleine mit Schule und Beruf zurechtfinden, parallel zum Profifußball noch das Abitur machen: Ich habe gelernt, früh auf eigenen Füßen zu stehen. Mir hat das geholfen und die Zeit hat mich sehr geprägt. Heute gibt es ganz andere Hilfestellungen. Auf der anderen Seite kann man einiges auch kritisch hinterfragen: Wird den Spielern vielleicht schon zu viel abgenommen? Kann die eindimensionale Entwicklung im Fußball sogar hinderlich sein auf dem Weg zum möglichst erfolgreichen Profi?
TV-Experte, Trainerausbildung, Management-Studium bei der Uefa, DFB-Akademie: Seit ihrem Karriereende 2015 sind Sie in vielen Bereichen aktiv. Kristallisiert sich langsam heraus, in welche Richtung es Sie letztlich ziehen wird?
Das kann ich noch nicht abschließend sagen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder dieser Bausteine mir in der jetzigen Lebensphase hilft mich weiterzuentwickeln und meinen Weg zu gehen. Das war und ist bei mir der große innerliche Antrieb.
Am 6. Juni sind Sie als ZDF-Experte beim Länderspiel Dänemark - Deutschland an der Seite von Jochen Breyer im Einsatz, bevor es dann am 18. Juni mit der ersten Confed-Cup-Übertragung im Zweiten weitergeht. Ist die Trainerausbildung dafür derzeit schon Vorbereitung genug?
Meine Trainerausbildung gibt mir die Gelegenheit, wieder eine neue Perspektive einzunehmen und Neues zu lernen. In meinen 18 Jahren als Profispieler habe ich Erfahrungen in verschiedenen Rollen sammeln können: als Profi-Fußballer, als Nationalspieler oder auch als Kapitän einer großen Mannschaft. Die Trainerausbildung und besonders der Austausch mit erfahrenen Trainern eröffnet mir neue Einblicke und Erfahrungen, ob im Bereich Taktik, Trainingsformen oder auch Menschenführung. All das vergrößert mein Expertenwissen.
Wie sieht denn Ihre Vorbereitung auf die Spiele des Confed Cup und der U21-EM konkret aus?
Dazu gehört unter anderem mir die beteiligten Mannschaften in den nächsten Tagen noch genauer anzuschauen, zu analysieren und viele Hintergrundgespräche zu führen. Ich freu mich auf die neue Rolle mit Jochen Breyer. Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Wir wollen die Zuschauer informieren und unterhalten, den Spaß am Fußball vermitteln.
Wie definieren Sie Ihre Rolle als TV-Experte?
Ich möchte dem Zuschauer mit meiner Erfahrung das Spiel aus der Perspektive eines Spielers näherbringen. Den Zuschauer somit noch mehr Teil werden lassen am Geschehen. Natürlich spielen Taktik und Spielaufbau dabei eine Rolle. Aber auch die vielen, vermeintlich kleinen Dinge, die dich als Spieler immer beeinflussen. Darüber hinaus glaube ich, dass es zu meinen Stärken gehört, verschiedene Standpunkte und Perspektiven zu integrieren. Ich war immer ein Teamplayer. Als Kapitän einer Mannschaft musste ich die verschiedenen Interessenlagen berücksichtigen und bewerten. Von dieser Haltung möchte ich den Zuschauer profitieren lassen.
Wie halten Sie es mit der kritischen Begleitung des Spiels? Wenn Ex-Profis als TV-Experten die Leistung ehemaliger Kollegen bewerten, ist das ein mediales Minenfeld...
Selbstverständlich gehören kritische Anmerkungen dazu, ich bin aber nicht derjenige, der Spieler persönlich angreift, um populistisch zu werden. Wir haben das große Glück, über die schönste Nebensache der Welt zu berichten. Und am Ende über Menschen. Mit ihren Stärken und auch Schwächen. Über die kleinen Dinge, die den Sieg oder die Niederlage ausmachen. Das macht es so spannend und so emotional.
Mit etwas Abstand zu Ihrem letzten Spiel für den BVB: Was hat sich in Ihrem Leben verändert, was für Sie wichtig, aber vielleicht gar nicht so augenfällig ist?
Der Rhythmus insgesamt hat sich verändert, ich bin jetzt selbstbestimmt. Wobei ich durch die eben angesprochenen Themenfelder natürlich auch wieder an Termine gebunden bin und viele Verpflichtungen habe. Meine Kinder fragen ab und an schon: Papa, eigentlich hatten wir gedacht, dass es jetzt ein bisschen ruhiger wird und wir mehr Zeit miteinander verbringen. Weiter an sich zu arbeiten, nicht stehen zu bleiben und sich auf dem Erreichten auszuruhen aber zugleich das Leben nach der aktiven Karriere auch zu genießen - dieser Spagat ist nicht immer einfach.
Er scheint Ihnen aber gut zu gelingen: Ich habe gelesen, dass Sie täglich mit ihrem Sohn Luis auf einem Kleinfeld in Ihrem Keller kicken.
(lacht) Nicht täglich, aber ab und an. Luis ist jetzt 10, hat meine Karriere in weiten Teilen verfolgt, auch die Erfolge mitbekommen. Und natürlich fragen er und seine Freunde schon mal, ob wir nicht zusammen kicken können. Wenn es passt, nehme ich mir natürlich gerne die Zeit. Wir haben Samstags morgens öfter auf irgendeinem Kunstrasenplatz mit ein paar Jungs und deren Vätern gespielt, und danach zusammen ins Stadion gefahren. So kann ein Samstag bei mir heute auch mal aussehen. War ja lange ein bisschen anders (lacht)...
Interview: Frank Steinberg