Die Politik hat ihre Pointen verschossen. Armin Laschet mit seinem "Brücken-Lockdown". Markus Söder, als er öffentlich sagt: "Ich plädiere für Harmonie." Angela Merkel, wenn sie ins Fernsehen geht, um wenigstens hier noch regieren zu können und via "Anne Will" widerstrebende Ministerpräsidenten unter Druck zu setzen. All das an schrägem Corona-Humor hatten wir in diesen Wochen. Deutschland aber will lachen. Versuchen wir's bei RTL. "Darf er das? – Die Chris Tall Show" startet in die nächste Staffel. Kann er das?
Lustig? Naja.
Vor inzwischen fünf Jahren hat er den deutschen Comedy-Preis als bester Newcomer gewonnen. Inzwischen ist er 29 und trägt Sakko mit Einstecktuch. "Ich will der schönste Mann im deutschen Fernsehen bleiben", sagt er gleich zu Beginn. Um dann ehrlich zu werden: "Der Dicke vorne im Bild ist gleich geblieben." Der Dicke-im-Bild versucht's mit Promis. Tim Bendzko gratuliert er live zum Geburtstag. Sophia Thomalla präsentiert er als Latex-Osterhase mit ihrem Instagram-Bild. Lustig? Naja.
"Ich bin sehr sauer"
Zwei Gäste kommen ins Studio. Pietro Lombardi und Giovanni Zarrella nehmen Platz. Zarrella hat an diesem Tag seine neue CD veröffentlicht. "Ciao!" heißt das Ding, und es reitet die Masche weiter, deutsche Hits italienisch zu singen. "Hinterm Horizont geht's weiter" zum Beispiel. Vor dem Horizont wird's gerade etwas düster für Pietro Lombardi. Der hatte gerade Plagiatsvorwürfe am Bein. Seinen Sommerhit sollte er schlicht geklaut haben. Und ausgerechnet das RTL-Frühstücksfernsehen "Guten Morgen Deutschland" hat ihn damit live konfrontiert – und schwer ins Schwitzen gebracht. Dass das nur ein Scherz zum 1. April war? War okay. Mehr als eine Woche später zeigt Chris Tall, wie er das eingefädelt hat. Lustig?
"Ich bin sehr sauer", sagt Pietro Lombardi. "In dem Moment war ich am Ende", fügt er hinzu. Und droht: "Es wird sehr hart zurückkommen." Humor ist, wenn man's trotzdem macht.
Unterhaltung. Kann er das?
Da beschäftigt sich die RTL-Humor-Maschine doch schon mal selbst – und macht sich auf den Weg zum Perpetuum Mobile. Per Zufallsgenerator werden deutsche Hits und Sprachen kombiniert. Zarrelli soll "Santa Maria" tschechisch singen. "Sehr, sehr geil", feiert Chris Tall. "Ohne Dich" folgt Lombardi mit Holländisch. Das klingt eher polnisch. "Ohne meine Brille kann ich nicht mal den Text lesen", stöhnt Lombardi. Dschinghis Khan auf Japanisch ist die Herausforderung für Gastgeber Chris Tall. Dem spielt man dann den Songtext auch noch in Schriftzeichen ein. Zufall und spontan? Vielleicht liefert die Politik in der kommenden Woche dann doch noch die besseren Pointen.
Von FOCUS-Online-Autor Josef Seitz.
Der Artikel Chris Tall: An den Grenzen des guten Geschmacks wird veröffentlicht von FOCUS online.