.

Bundestagswahl 2017: Eine Chance für das deutsche Fernsehen

Bundestagswahl 2017: Eine Chance für das deutsche Fernsehen
Screenshot/ZDF

Nach der Bundestagswahl 2017 scheint nichts mehr so, wie es einmal war. Für den deutschen Fernsehjournalismus ist das eine Chance.

"Eine lebendige Opposition" - sowohl die SPD als auch die AfD sprach nach der Bundestagswahl am Sonntag von der Entfachung einer neuen Streitkultur im deutschen Parlament. Für die Sozialdemokraten ist dies eine Chance zur Erneuerung, für die AfD gelernter Alltag aus den Landtagen (u.a. Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen). Vielleicht ist es das (einzig) Positive am Ergebnis der diesjährigen Abstimmung, bei der die großen Volksparteien CDU/CSU und SPD so große Verluste einstecken mussten wie nie zuvor. Die nächsten vier Jahre wird lebendig gestritten, und lebhaft diskutiert.

Auch für das deutsche Fernsehen, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, ist dies eine Chance.

Wahlergebnis: Auch die Medien haben Anteil

Foto: Imago, Claus Strunz, Sandra Maischberger, Maybrit Illner und Peter Klöppel (v.l.n.r.)
Dem deutschen Fernsehjournalismus wurde vor allem nach dem Kanzlerduell Trägheit und verfehlte Schwerpunktsetzung vorgeworfen. Nur folgerichtig, dass sich gestern Stimmen mehrten, wonach eine Sendung wie die "Berliner Runde" VOR der Wahl hätte gesendet werden müssen, nicht erst danach. Nicht zu unrecht legte die Parteivorsitzende von Die Linke Katja Kipping gegenüber den beiden anwesenden Chefredakteuren Rainald Becker und Peter Frey in eben jener Runde nach, im Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Martin Schulz sei "60 Minuten lang über die Flüchtlingsthematik" gesprochen worden. Themen wie Bildung und Digitalisierung fanden im Verlauf der anderthalb Stunden keinen Platz.

Der Vollständigkeit halber: ARD und ZDF hatten sich einem zweiten Duell gegenüber offen gezeigt, SPD-Chef Martin Schulz auch, das zweite Streitgespräch scheiterte letztlich am Veto der Kanzlerin. Doch es fehlte der Debatte insgesamt an Würze, die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen wirkte in den letzten Wochen und Monaten lethargisch, dem schläfrigen Duell der beiden großen Volksparteien angepasst.

Mit dem Einzug zweier (neuer) politischer Strömungen in den deutschen Bundestag, auch die FDP zieht nach vier Jahren Abwesenheit wieder ein, wird es naturgemäß pluralistischer, folglich wird es auch mehr polarisieren zwischen den Parteien. Politische Beobachter monierten seit Längerem die Debattenkultur, dies dürfte sich nun schlagartig ändern.

Die neue Rechte muss entzaubert werden

Foto: Screenshot/ZDF
Um nicht falsch verstanden zu werden: Der gemäßigte Ton von professionellen Journalisten aus dem Hause ARD und ZDF war wichtig. Kein Mensch kann billige Meinungsmache wie die der BILD-Zeitung wollen, die Medienbeobachter von übermedien haben den Einfluss der Boulevardspitze auf das Ergebnis der AfD bei der Bundestagswahl Schlagzeile für Schlagzeile nachgewiesen. Doch neue Gesichter, mehr Stimmen und unterschiedlichste Standpunkte werden es dem deutschen Fernsehen erleichtern, wieder zu den Bürgern durchzudringen, ja, sie zu unterhalten. Mit Schwung zu mehr Aufklärung.

Was wurde in den letzten Jahren nicht geunkt: Egal, welche deutsche Polit-Talkshow, egal welches Thema, CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist dabei. Auch die Stammgäste Peter Altmaier von den Christdemokraten und Sahra Wagenknecht von Die Linke sorgten in den Fernsehgesprächen der Republik schon Lange nicht mehr für Überraschungsmomente. Es ist also eine Chance für den deutschen Fernsehjournalismus, die Breite der Gesellschaft wieder besser abzubilden.

Und wo kann der rechte Wahnsinn besser entzaubert werden, als live im deutschen Fernsehen? ARD und ZDF sollten sich diese Chance nicht nehmen lassen.