Ihr Gesicht hat wohl jeder schon im Fernsehen gesehen: Anica Dobra spielte in den vergangenen Jahren in Krimireihen wie "Der gute Bulle" (2020 und 2024), Kino-Hits wie "Leberkäsjunkie" (2019) oder dem Märchen "Zwerg Nase" (2021). Dass es sich dabei nicht immer um die Hauptrolle handelt, spielt für die 1963 in Belgrad geborene Schauspielerin keine Rolle: "Ich bin glücklich, wenn ich gute Charakterrollen spielen kann", sagt sie: "Es geht mir nicht um die Drehtage oder darum, dass es eine möglichst große Rolle ist." Aktuelles Beispiel ist der Krimi "Der Millionen Raub" (am Montag, 8. April, um 20.15 Uhr, im ZDF, sowie seit Samstag, 30. März, in der ZDFmediathek).
Unter Regie von Lars Becker spielt Dobra eine Frau, deren Sohn in den Überfall auf einen Geldtransporter verwickelt wird. Im Interview spricht Dobra über Grenzen der Legalität, Schubladendenken in ihrer Branche und über ihre Tochter Mina Sovtić (28), die in Serbien, wo auch Dobra wohnt, ebenfalls als Schauspielerin tätig ist.
Anica Dobra über ihre Rolle als Mutter in "Der Millionen Raub"
In "Der Millionen Raub" spielen Sie eine Frau, die für ihren Sohn weit über die Grenzen des Rechts hinausgeht. Wie weit würden Sie gehen, um Ihre Familie zu schützen?
Anica Dobra: Oh, das weiß ich gar nicht. Die Grenzen des Gesetzes würden mich in so einem Fall auch nicht so sehr interessieren. Ich weiß aber, dass die Frau, die ich im Film spiele, ihrem Sohn im Grunde in nichts nachsteht: Er geht ja auch weit über die Grenzen des Gesetzes. Es ist irgendwie logisch: Die Mutter will natürlich nur das Beste für ihren geliebten Sohn. Alles, was sie macht, macht sie in dem Glauben, dass es das Beste für ihn ist. Ich will aber nicht zu viel über die Handlung verraten. Es ist ein spannender Thriller mit guten Dialogen, der auch sehr witzig ist. Die Schauspieler:innen sind alle gut und wirklich crazy Leute!
Haben Sie schon einmal etwas getan, was nicht ganz legal war?
Dobra: Das weiß ich nicht. Was in einem Land nicht legal ist, ist in einem anderen vielleicht doch legal. Gesetze sind so und so zu lesen. Ich persönlich bin nicht kriminell tätig, und ich denke auch nicht, dass ich dafür besonders begabt wäre. (lacht)
"Selbst in meinem Alter bekomme ich noch gute Rollen"
"Der Millionen Raub" ist nicht unbedingt das, was man von einem gewöhnlichen ZDF-Krimi erwartet. Was war Ihr erster Eindruck von dem Drehbuch?
Dobra: Ich habe mich wirklich gefreut: Auf der ersten Seite des Drehbuchs war ein Foto zu sehen, das taffe Ladys in einem Cabrio zeigte, die so ganz frech in die Kamera guckten. Da dachte ich mir: Oh! Wenn das Buch so ist wie das Foto, dann wird das was Seltenes. Und so war es dann am Ende auch. Lars Becker bewegt sich in seinen Filmen immer in verschiedenen sozialen Umfeldern. Das Thema hat ihn schon interessiert, bevor es politisch korrekt wurde. Deshalb ist er vielen einen Schritt voraus. Dieses Mal standen Frauen in einem gewissen Alter im Fokus. Es geht um Mütter, die noch verrückter sind als ihre Söhne. Deshalb sind die Söhne, wie sie sind: Weil die Mütter Temperament haben! Und noch was ist besonders: Es handelt sich nicht nur um zwei Mütter, sondern um eine ganze Frauen-Gang! Das hat mich richtig gefreut.
Braucht das deutsche Fernsehen mehr weibliche Gangster?
Dobra: Naja, wir bräuchten mehr weibliche Filme! Aber ich glaube, da tut sich aktuell schon etwas. Die Zeit, in der man über dieses Thema nur diskutiert hat, ist vorbei. Es hat ein paar Jahre gedauert, und ich bin meinen Schauspiel-Kolleginnen unendlich dankbar, die die Stimme für uns alle erhoben, die die Frechheit, die Klugheit und die Intelligenz hatten, die in der ersten Reihe standen und laut wurden. Mittlerweile ist es kein großes Thema mehr, weil immer mehr Frauen Regie führen. Selbst in meinem Alter bekomme ich noch gute Rollen. Und bei unserem "Millionen Raub" hatten wir eine tolle Kamerafrau. Ich glaube: Jede Schauspielerin ist gleich wichtig, egal, ob sie in der ersten Reihe steht oder irgendwo am Rand. Jeder macht das, was er kann. Und ich glaube, es eröffnen sich ganz neue Themen - mit Frauen in den Hauptrollen.
Anica Dobra hat keine Traumrolle
Dennoch beklagen viele Schauspielerinnen, ab einem gewissen Alter kaum noch interessante Rollen angeboten zu bekommen. Wie ist Ihre Erfahrung?
Dobra: Ja, das hat wahrscheinlich mit den Drehbuch-Autoren zu tun. Eine Sache wurde mir jedoch erst in den letzten paar Jahren klar: In der Weltliteratur - das heißt wir reden über 200, 300, 400 Jahre zuvor - wurden überwiegend richtungsweisende Männerrollen geschrieben. Das heißt, wenn Sie auf die Schauspielschule gehen, werden Sie meistens Stücke vorfinden, die für Männer geschrieben sind. Das muss einem erst mal bewusst werden: 70 Prozent der Hauptrollen sind männlich! Das schwappte natürlich auch auf den Film über. Langsam ändert sich das, und ich bin glücklich, wenn ich gute Charakterrollen spielen kann. Es geht mir nicht um die Drehtage oder darum, dass es eine möglichst große Rolle ist. Es ist mir wichtig, dass es eine gute Rolle ist! Und das läuft!
Wie sieht eine "gute Rolle" für Sie aus?
Dobra: Eine gute Rolle ist nicht eindimensional. Die Rolle kann klein sein, aber sie muss einen Bogen oder eine unerwartete Entwicklung haben. Ob ich eine Rolle annehme oder nicht, entscheide ich oft mit dem Bauchgefühl. Es kommt darauf an, enthusiastisch zu sein und Spaß zu haben!
Sie haben also keine Traumrolle?
Dobra: Nein. Da ich nie Produzentin wurde, kann ich es sowieso nicht selbst entscheiden. Ich bekomme erst mal eine Anfrage, danach bekomme ich, wenn ich Glück habe, ein Angebot. Und dann habe ich die Freiheit, zu entscheiden: Oh, das ist was für mich. Oder: Nein, das ist doch nichts für mich. Im Grunde läuft es bei mir also so: Ich freue mich über eine schöne Rolle, die ich angeboten bekomme, und mache sie so zu meiner Traumrolle.
Wieso die Schauspielerin manche Rollen absagt
Der Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker sagt, er wollte einen diversen Film ohne Stereotypen schaffen. Wie haben Sie das empfunden?
Dobra: Bei Lars Becker muss man grundsätzlich keine Angst haben, und dass er diesen Gedanken hat, finde ich großartig. Denn schon als ganz junge/r Schauspieler:in wirst du in eine Schublade gesteckt. Es ist wirklich schwierig, da wieder herauszukommen. Und wenn du dann rauskommst, dann kommst du in eine andere rein. Ich glaube, als Schauspieler musst du damit dein ganzes Leben lang kämpfen, dich zu behaupten und zu zeigen: Nee, ich kann dies, aber ich kann das andere auch.
Gibt es Rollen, die Sie aus Prinzip abgesagt haben?
Dobra: Das gab es durchaus, dass ich nicht aus Zeitgründen abgesagt habe, sondern weil ich festgestellt habe: Nee, die Rolle ist nichts für mich. Einen Schauspieler macht nicht nur das aus, was er gedreht hat, sondern auch das, was er abgelehnt hat. Was für Rollen man abgelehnt hat, weiß dann auch die Branche, und dem Schauspieler bleibt die Erfahrung.
Anica Dobras Tochter ist ebenfalls Schauspielerin
Ihre Tochter Mina Sovtić ist ebenfalls Schauspielerin. Wie fanden Sie diese Berufsentscheidung?
Dobra: Mich hat überhaupt niemand gefragt. Das finde ich auch gut so! Als ich Schauspielerin werden wollte, habe ich das niemandem erzählt. Ich bin einfach zur Aufnahmeprüfung in die Akademie gegangen. Als ich dann aufgenommen wurde, haben sich viele gewundert. Das heißt: Alle guten Sachen behalte ich Verschwörung erst mal für mich. Wahrscheinlich hat das meine Tochter ähnlich gemacht. Als sie diese Entscheidung für sich getroffen hat, hatte ich nichts einzuwenden. Sie ist besser, hübscher, talentierter, schnell denkender und belesener als ich. Das sind die neuen Generationen!
Wie müsste ein Film aussehen, in dem Sie beide gemeinsam vor der Kamera stehen?
Dobra: No idea! Jemand, der schreiben kann, soll gerne eine tolle Geschichte für uns erfinden!
Das Original zu diesem Beitrag "Anica Dobra geht in "Der Millionen Raub" über die Grenzen des Rechts" stammt von "Teleschau".