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"Chronisch überinvestiert": Heino Ferch über die Rolle des Allmen

Heino Ferch in Allmen und das Geheimnis der Dahlien
Nicht mehr ganz so ungewohnter Look: Heino Ferch als Allmen. Sender

Zum dritten Mal ist Heino Ferch in "Allmen und das Geheimnis der Dahlien" als aus der Zeit gefallener Dandy zu sehen. Wir haben Heino Ferch zum Interview gesprochen und mit ihm über die Faszination an der von Martin Suter geschaffenen Rolle gesprochen.

Allmen ermittelt wieder. Nach den ersten beiden Filmen geht es im neuen Film "Allmen und das Geheimnis der Dahlien" (13. Juli, 20:15 Uhr ZDF) um ein verschwundenes Gemälde und die große Liebe. Heino Ferch hat sich wieder in den Anzug geworfen und die Perücke zurechtgerückt, um seine Paraderolle des luxusliebenden, aber leider auch sehr verschwenderischen,  Johann Friedrich von Allmen wieder aufzunehmen. Mit uns sprach der 55-Jährige über die Dreharbeiten in Tschechien, seine Faszination für die Rolle des selbsternannten Privatermittlers und welche sprachlichen Besonderheiten er sich von der Rolle abgeguckt hat.

"Allmens Lebensphilosophie geht gegen das Tempo unserer Zeit"

TVSpielfilm.de: Wie war die Resonanz auf die ersten beiden Allmen-Filme?

Heino Ferch: Die Zuschauer lieben es, weil es ein Format ist, welches anders ist als vieles andere. Der Film vermittelt eine ganz bestimmte Attitüde: Alles ist möglich. Die Lebensphilosophie von Allmen ist etwas, was komplett gegen das Tempo unserer Zeit geht. Eben nicht "schneller, höher, weiter." Diese Leichtigkeit fehlt uns. Allmen zelebriert das Leben im Jetzt, er macht keine Pläne. Seine Pleite umschreibt er mit den Worten: "Ich bin chronisch überinvestiert". Und doch schafft er es, mit gewissen Tricks, einen luxuriösen Lebensstil zu genießen.

Warum hat Luxus so einen hohen Stellenwert für Allmen? Will er anderen imponieren oder macht er es nur für sich?

Allmen ist Hedonist, Snob und Hochstapler. In erster Linie lebt er den Luxus also für sich selbst. Er ist ganz sicher auch ein eitler Mensch, er würde niemals einer anderen Person in einem nicht geeigneten Anzug gegenübertreten. Er liebt es, sich mit Kunst zu beschäftigen, er ist sehr gebildet, liebt schöne Hotels und schöne Frauen und hat die Gabe, mit seinen philosophischen Sprüchen und Zitaten mal mehr und mal weniger auf die Nerven zu gehen. Allmen lebt dieses Leben mit seinem Butler, der eigentlich sein bester Freund ist, wie in einer Art Männerehe.

Wie würden Sie die Beziehung zwischen Allmen und seinem Diener Carlos beschreiben? Ist es wirklich eine Beziehung auf Augenhöhe? Allmen ist zwar höflich, aber sehr bestimmend.

Die beiden führen die Idealform einer Beziehung: Sie versuchen den anderen nicht zu ändern, sie nehmen die Stärken an und akzeptieren die Schwächen des Anderen. Obwohl Carlos angestellt ist, ist es eine Beziehung auf Augenhöhe. Allmen kann schon bestimmend sein, das stimmt. Aber Carlos ist ein Charakter mit großem Selbstbewusstsein in dem Dienen und seiner Fürsorge für Allmen. Sie sind eine Symbiose, der eine kann und will ohne den anderen nicht. Allmen braucht natürlich auch jemanden, der ihn auf den Boden der Tatsachen zurückbringt (lacht).

Heino Ferch über seine Rolle: "Er ist verletzlich"

Foto: Privat, Heino Ferch (l.) und Kerstin Ammermann (TV Spielfilm) beim Interview-Termin in Hamburg, natürlich mit einem Damengemälde im Hintergrund.

Carlos hält ihm ja auch den Rücken frei und sorgt sich um ihn. Eine eigene Familie hat Allmen nicht. Ist er einsam?

Beziehungen sind ein interessantes Stichwort. Ich glaube, dass es in Allmen eine große sehnsüchtige Seele gibt. Er hat seine Immer-Amour, die Jojo, die aber auch als Frau geschrieben ist, die eine reiche Erbin ist und ein Stück weit nicht aus ihrer Haut kann. Die beiden lieben sich, sie schlafen miteinander, sie sind aber kein Paar. Sie lieben das Schöne am Leben, aber jeder braucht seine Freiheiten.

Könnte Allmen überhaupt eine klassische Beziehung führen?

Nein. Er hat auch keine Kinder. Im ersten Teil der Reihe gibt es eine Szene, in der er sagt, dass es ein "schwerer Fehler war, weil [er] den Moment verpasst hat mit diesem Menschen." Allmen braucht seine Freiheit, er will sich nicht binden. Er ist verführt von der Schönheit und der Anmut toller Frauen. Die Figur verbindet viele Sehnsüchte, die alle haben. Er liebt das Risiko und setzt dabei nicht seine Sicherheit aufs Spiel. Mein Lieblingssatz aus dem ersten Buch ist: "Meine Augen befinden sich bereits in Zustand seeliger Vorfreude." Das sagt er, wenn er mit Jojo telefoniert. Martin Suter hat eine großartige Figur geschaffen, die das Leben auf sehr philosophische Art sieht. Aber ja, ich glaube, dass Allmen auch melancholisch ist …

Ich habe beim Zugucken das Gefühl bekommen, dass Allmen Sprache nutzt, um sich und seine Verletzlichkeit zu schützen. Das ständige philosophische Gerede hält andere Menschen auf Abstand.

Absolut, Allmen ist verletzlich. Katharina Schüttler spielt in dem Film eine wunderbare Psychoanalytikerin, die auch eine zerrissene Person ist. Die analysiert ihn auf den Punkt.

Er ist ein Mensch, der seiner Umwelt mit dem ständigen Zitieren auf die Nerven geht. Das ist alles eine Fassade, um Verletzungen zu verdecken. Allmen ist alleine und hat seine traurigen Momente. Er genießt es förmlich, analysiert zu werden – und die beiden flirten ja auch miteinander …

Haben Sie denn sprachlich auch etwas übernommen von Allmen in ihren Alltag?

Oh ja, das kann schon gut sein. Ich zitiere ja auch immer wieder mal was. "Meine Augen befinden sich bereits in Zustand seeliger Vorfreude", kommt mir ab und zu über die Lippen (lacht). Aber das ist schon sehr exquisites Werkzeug.

Sie sind Schauspieler, sie beschäftigen sich den ganzen Tag mit Sprache. Was für ein Sprachtyp sind Sie denn privat?

Ich versuche präzise zu sein. Ich habe auch gemerkt, dass ich diese leichte Sprachironie von Allmen ein bisschen übernommen habe. Ich sage oft "Das ist nicht sehr elegant von Ihnen." Ich nutze das Wort Eleganz oft und in den verschiedensten Situationen.

Und Schimpfwörter würden nicht über Ihre Lippen kommen?

Doch, natürlich, aber ich fluche selten. Ich bin Wahl-Bayer, da wird sehr viel geflucht.

Wenn es authentisch ist, ist alles wunderbar. In Bayern gibt es den Satz: "Net gschimpft isch globt gnug." Ich sehe das aber anders. Ich schimpfe nicht gerne, ich sage dann lieber nichts. So viel zu schimpfen ist mir zu negativ.

Heino Ferch dreht seine Stunts selber

Im Film wird ein Gemälde gestohlen, um damit um eine Frau zu werben. Finden Sie das bescheuert oder romantisch?

Ich finde das großartig. Ich bin Romantiker durch und durch.

Glauben Sie, dass Romantik in der heutigen Zeit zu kurz kommt?

Bei mir auf jeden Fall nicht (lacht). Ich bin ein total romantischer Mensch. Ich kenne alle Jahrestage und andere besondere Tage, ich verschicke Blumen und Geschenke. Ich finde Rituale auch ganz wichtig, die zelebriere ich. Es ist doch herrlich, ein Bild über Dahlien zu klauen und sich in Gefahr zu begeben.

Es gibt ja einmal die Dahlien auf dem Bild und die weiblichen Dahlien im Film ...

Das hat der Suter alles wunderbar zusammengebastelt. Die alte Dahlia Gutbauer wurde von der großartigen Kollegin Erni Mangold gespielt, die jetzt 92 Jahre alt geworden ist. Was für eine Begegnung, so eine tolle, freche Lady aus Wien. In den Drehpausen hat sie mir von ihrer Zeit bei Gustaf Gründgens in Hamburg erzählt. Es ist toll so einem Menschen zu begegnen, der in dem Alter noch so fit ist.

Möchten Sie mit 90 auch noch vor der Kamera stehen?

Ja, wenn es keine Qual ist, wenn ich gewollt bin, wenn ich noch einen Beitrag für eine schöne Szene oder einen schönen Film leisten kann, warum nicht? Aber die Entscheidung muss jeder für sich selber treffen, weil da so viele verschiedene Faktoren zusammenkommen.

Was ist eigentlich das größte Laster von Allmen außer den Zigaretten?

Der Alkohol (lacht). Er trinkt den ganzen Tag und beschäftigt sich damit. Es sind zwar keine harten Drogen, aber gesund ist der Lebensstil sicherlich nicht (lacht).

Zu Beginn des Films klettert Allmen an einer Häuserfassade entlang. Haben Sie das selbst gedreht oder einen Stuntman engagiert?

Die Szene an der Fassade des Grand Hotels in Karlsbad in Tschechien habe ich selbst gespielt. Ich hing in ungefähr 20 Meter Höhe, gesichert mit einem Drei-Punkt-Gurt. Da ich keine Höhenangst habe und schwindelfrei bin, war das für mich kein Problem.

Wird es eine weitere Fortsetzung von Allmen geben?

Martin Suter hat ja schon letzten September einen neuen Allmen-Roman veröffentlicht. Und es gibt schon einen Auftrag, daraus ein Drehbuch zu entwickeln. Ich hoffe, dass wir nächsten Herbst wieder nach Tschechien reisen.

 

Vielen Dank für das Interview!