Würdest du töten für die Liebe? Was nach einem Shakespeare- oder Hollywood-Drama klingt, ist in Wahrheit die entscheidende Frage im Justizfall um Jens Söring. Der Diplomatensohn wurde 1990 in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er die Eltern seiner Freundin ermordet haben soll. Er beteuert seine Unschuld und es gibt Gründe, ihm zu glauben. 2019 wurde nach Deutschland überstellt, der Fall erregte großes Aufsehen. Jetzt widmet sich ab dem heutigen Dienstag um 20:15 Uhr auf ZDFinfo und in der Mediathek eine neue Dokumentation der schwierigen Frage nach Sörings Schuld: "Killing for Love".
Killing for Love: Jens Söring als Mörder?
Als Jens Söring, der Sohn eines deutschen Diplomaten in den USA 1984 Elizabeth Haysom kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Die beiden verlieben sich und werden ein Paar. Allerdings kommt es nach einer kurzen, schönen Zeit zu einem Zwischenfall. Sie erzählt ihm, dass sie von ihrer Mutter missbraucht und auf einem Internat vergewaltigt wurde. Sie sagt ihm immer wieder, dass sie sich den Tod ihrer Eltern wünscht. Als eines Tages die beiden tatsächlich tot aufgefunden werden, landen Söring und Haysom im Gefängnis und werden nach vierjähriger Verhandlung verurteilt. Er wegen Mordes, sie wegen Anstiftung zum Mord.
Aber es gibt einige Zweifel an dem Urteil: nicht angehörte Zeugen, unberücksichtigte Beweise und widersprüchliche Aussagen trüben das Bild des schuldigen Söring, der dazu noch darauf besteht, unschuldig zu sein. Bereits 2016 gab es eine Dokumentation über ihn: "Das Versprechen", die den Fall zurück in das gesellschaftliche Gedächtnis brachte und scheinbar eindrückliche Beweise für Sörings Unschuld liefert. 2019 wurde Söring nach 33 Jahren auf Bewährung nach Deutschland ausgeliefert, aber ist er wirklich unschuldig?
Die Macher von "Das Versprechen" haben jetzt eine neue Doku gedreht: "Killing for Love", in der sie ihre Arbeit fortsetzen. Autor Marcus Vetter stellte im Interview mit dem ZDF klar: "Der Film lässt den Zuschauer selbst entscheiden." Die Frage, ob Jens Söring Doppelmörder oder unschuldiges Opfer der US-amerikanischen Justiz wurde, soll offengelassen werden. Eine interessante Herangehensweise zumal der erste Film "Das Versprechen" auf jeden Fall begründete Zweifel beim Zuschauer an der Schuld von Söring weckte. Jetzt ist nochmal neues Material dazugekommen.
Neue Aufnahmen bei ZDFinfo
Die vier Teile "Der Mord", "Der Verrat", "Die Alibis" und "Das Urteil" zeichnen im Wesentlichen aufwendiger und neu zusammengetragen nach, was "Das Versprechen" schon zu einer fesselnden True-Crime-Doku gemacht hat: Ein unglaublich erscheinender Fall in einem Rechtssystem, das eindeutig mit Problemen zu kämpfen hat, wie diverse andere Serien wie "Making a Murderer" und "The Staircase" schon gezeigt haben. Außerdem ist die Dramatik zwischen Haysom und Söring bestechend: Er ist der scheinbar unerfahrene Student, sie ist eine wilde, freie Frau. Ihre einzelnen Prozesse zeigen, dass es schwierig ist ein eindeutiges Urteil zu fällen: Beide stellen den Tathergang nach einigem Hin und Her völlig verschieden dar.
"Killing for Love" zeigt einiges neues Material, dass Vetter und seine Co-Regisseurin Karin Steinberger mühsam beschaffen mussten. Ein TV-Sender aus Virginia hat damals den Prozess von Elizabeth Haysom gefilmt: "Es war unglaublich arbeitsintensiv all das Material zu sichten und zu bewerten", sagt Vetter. Auch wenn die Freilassung auf Bewährung 2019 nach Deutschland (im Fall von Haysom in ihre Heimat Kanada) wie ein Eingeständnis des Gerichts an eine mögliche Unschuld aussieht, sollte sich davon niemand blenden lassen. Dass ein Verurteilter in sein Heimatland abgeschoben wird, ist nicht unüblich und einem möglichen Doppelmörder die Schuld abzusprechen, sollte sich jeder Zuschauer gut überlegen. Fest steht: "Killing for Love" gibt einen faszinierenden Einblick in den Fall und ist dazu spannend gemacht.
Alle Folgen "Killing for Love" laufen am Dienstag, 4. August ab 20:15 Uhr und sind ab sofort in der ZDF-Mediathek verfügbar.