ZDF

Béla Réthy

Ein TV-Reporter fängt nach dem Finale der Champions League ­einen Spieler vor der Kabine ab, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Die Siegerehrung steht bevor, es regnet. "Okay, ich bin gleich wieder da", sagt der völlig durchnässte Kicker, verschwindet kurz in der Umkleide und stellt sich dann zum Interview. Erst ein knappes Vierteljahrhundert ist diese Szene her, medial allerdings stammt sie aus der fußballerischen Steinzeit: Denn was zwischen Rudi Völler, damals in Diensten des ersten Champions-League-Siegers Olympique Marseille, und ZDF-Mann Béla Réthy 1993 selbstverständlich war, ist schon lange völlig ausgeschlossen.

"Den direkten Zugriff auf die Protagonisten gibt es nicht mehr", sagt Réthy. Ohne eine Vermittlungsperson geht heute gar nichts mehr. Manchmal sind es sogar Dutzende. "Wenn ich Nach­berichte für die Champions League mache, laufen da ungefähr 50 Schlips­träger von der UEFA rum. Die fragen dann, wen man interviewen will, können das aber gar nicht entscheiden. Das letzte Wort hat der Pressesprecher des Vereins." Réthy sagt das nicht wertend, er stellt es fest.

Kai Dittmann von Sky hat ähnliche Erfahrungen mit der Königsklasse gemacht. "In den Anfängen war das eine Veranstaltung wie jede andere auch, da ist man noch in Bereiche des Stadions gekommen, die heute absolut tabu sind", erinnert er sich. "Da kam man hin, wenn man nett grüßte und eine Akkreditierung mit vielen bunten Zeichen hatte." Bei einem seiner ersten Champions-League-Einsätze in Bremen stand er unvermittelt neben dem damaligen Trainer Otto Reh­hagel, und man plauderte über das Spiel. Heute ist das Produkt Cham­pions League so weit formatiert, dass es keinen Spielraum für Zufälle mehr gibt. "Da braucht man als Journalist im Stadion nicht mal mehr Hinweisschilder an den Türen: Die Wege sind klar vorgegeben. Für Interviews gibt es die Mixed Zone, darüber hinaus noch den Presseraum und die Pressetribüne. Alles ist durchorganisiert."

Die Stimmung in den Stadien verändert sich

Imago Sport

Kai Dittmann

Ziemlich abgehoben geht es in der Champions League nicht nur für die Berichterstatter zu. Mal abgesehen vom Geld - der erste Champions-League-Sieger kassierte umgerechnet rund 5,5 Millionen Euro, Real Madrid zuletzt 89,5 Millionen - ist der Wandel zum globalen Megaevent vor allem in den Stadien zu besichtigen. "Die Atmosphäre hat sich eventisiert", sagt Réthy, der besonders in England verstärkt "Operettenstimmung" auf den Rängen registriert. Und Dittmann ergänzt: "Ein Extrembeispiel ist Arsenal - im Emirates-Stadion ziehe ich mir auch mal bei 30 Grad ­eine Jacke an, weil die Atmosphäre dort schon sehr kalt ist." ­Typisch sei das für die Champions League aber keineswegs: "Was auffällt, sind bis heute die Fans, die in Vereinskleidung auflaufen, Vereinslieder singen, Stimmung machen. Das hat sich in 25 Jahren kein bisschen geändert." Auch Réthy will von "Früher war alles besser"-Romantik nichts wissen. "Die Stadien sind besser, der Komfort ist besser, auch die Qualität des Spiels hat sich fraglos verbessert. Alles positive Aspekte - aber ein Stück Emotion ist vielleicht verloren gegangen, ein Stück Ursprünglichkeit."

Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Fußballs scheint angesichts des 222-Millionen-Euro-Transfers von Barca-Star Neymar zu Paris SG überfällig. Der Wechsel hat die ganze Branche auf eine Achterbahn geschickt, die vom TÜV noch nicht abgenommen ist. Niemand weiß, ob der Wagen irgendwann aus der Kurve fliegt. Dittmann selbst trennt professionell zwischen den bisweilen bizarren Nebengeräuschen des Geschäfts und dem Geschehen auf dem Rasen, um den Spaß am Kommentatorenjob nicht zu verlieren. "Mich persönlich interessiert nach wie vor das Spiel, nicht der Hype um irgendwelche Millionentransfers."