Es sind die frühen 80er-Jahre und ein Medium verändert die (Film)Welt: Videokassetten. Das laute Klicken der Tasten an den Rekordern, das sirrende Spulen, das leise krachende Einführen der VHS-Kassetten: Für viele Menschen ein Gefühl der wohligen Nostalgie, das unser Streamingtipp offenbar beiseite fegen möchte: "Censor" spielt in einer Zeit, als in Großbritannien eine Diskussion um brutale Horrorfilme entbrannte, die zum Großteil direkt auf Video erschienen.
Mitten in dieser Welle von Low-Budet-Filmen mit ordentlich Blut und künstlichen Splatter-Effekt arbeitet in "Censor" eine junge Frau namens Enid (Niamh Algar). Sie ist Zensorin beim "British Board of Film Censors" – der britischen FSK. Sie sichtet Filme, vergibt Altersfreigaben und bestimmt welche Szenen geschnitten werden müssen, damit diese Streifen überhaupt erscheinen können. Aber dann bringt ein Ereignis ihre Arbeit und ihr Leben durcheinander.
Censor: Wo ist Enids Schwester?
Bei der Sichtung eines Films bekommt Enid einen heftigen Schreck: Eine der Schauspielerinnen sieht aus wie die erwachsene Version ihrer Schwester, die seit ihrer gemeinsamen Kindheit als vermisst gilt. Damals war Enid mit ihr in den Wald gegangen aber ihre Schwester kam nicht wieder mit heraus – die Erinnerungen sind verwischt und unklar. Was ist damals passiert? Der Horrorfilm sieht ihrer eigenen Erinnerung erstaunlich ähnlich. Als Enid Nachforschungen über die Schauspielerin betreibt, kommt sie zu einem irren Verdacht. Hat sie selbst etwas mit dem Verschwinden ihrer Schwester zu tun?
Wer versteckt hier was?
Was als detektivisches Puzzle beginnt, driftet schnell in eine Hölle der eigenen Erinnerungen. Enid kann nicht mehr klar unterscheiden zwischen den brutalen Horrorfilmen, die sie in ihrem Leben gesehen hat und den eigenen Kindheitserinnerungen, die ihr selbst immer wieder entgleiten. Aber es zu verdrängen, geht sie auf die Jagd nach ihrer eigenen Kindheit.
Der psychologische Druck ist dabei schlimmer als jede Splatter-Orgie, die "Censor" im perfekt getroffenen 80er-Stil selbst präsentiert. Mit jeder Minute bekommt man mehr Angst vor und um Enid und fragt sich, was sie als nächstes macht – ebenso groß wie die Spannung ist das Mitleid mit ihr. Als im letzten Drittel Regisseur Prano Bailey-Bond schließlich die Zuschauer im freien Fall in den Wahnsinn stößt, gibt es keinen Halt mehr vor dem Abgrund von "Censor". Das Bildformat verschiebt sich und das sind die nicht die einzigen Tricks, mit denen uns vor den Bildschirmen Angst eingejagt wird. Das Ende lässt einen geschockt zurück – eine Meisterleistung.