Biografische Geschichten laden selten zum Lachen ein. Sobald das Label "Basierend auf wahren Begebenheiten" auf einem Film oder einer Serie steht, handelt es sich allermeist um ein Drama. Der Realität räumt man in Hollywood zumeist eine gewisse Seriosität ein. Für die neue HBO-Serie "White House Plumbers", die in Deutschland bei WOW gestartet ist, gilt das jedoch zu keiner Sekunde: Die Serie stellt ihre realen Hauptfiguren gnadenlos und ohne Blatt vor dem Mund bloß – und das aus gutem Grund. Es geht um das schräge Duo G. Gordon Liddy und E. Howard Hunt, die 1972 nicht weniger getan haben, als die Grundfeste der US-Demokratie nachhaltig zu erschüttern. Wer sich in US-amerikanischer Geschichte auskennt, weiß um die Bedeutung der zwei Herren: Sie waren es, die einst im Weißen Haus eine Spezialeinheit namens "Klempner" leiteten, und für Präsident Richard Nixon illegal ins Watergate-Gebäude einbrachen, um dort den politischen Gegner mit Wanzen abzuhören.
Als dies aufflog, führte das zum bis dato größten Skandal der US-Politik und zum bislang einzigen Mal, dass ein Präsident zurücktreten musste. Schon oft erzählt und mit "Die Unbestechlichen" legendär verfilmt wurde die Watergate-Affäre aus Sicht der mutigen Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein, die den Einbruch aufdeckten und an die Öffentlichkeit brachten. "White House Plumbers" erklärt aber, wie Liddy und Hunt mit ihrem Einbruch je auffliegen könnten. Der Grund: Es handelte sich um die wohl dilettantischsten Knalltüten, die Nixon jemals hätte beauftragen können.
Schon wieder Watergate? Warum "White House Plumbers" trotzdem neu ist
"Braucht es wirklich noch eine Watergate-Verfilmung?", wird sich bei der Ankündigung der Serie manch einer gedacht haben. Watergate war ein Ereignis von solch politischer Sprengkraft, dass es in Hollywood häufig für Adaptionen diente. Zumeist wird von dem Skandal als Underdog-Geschichte erzählt. Der erwähnte Klassiker "Die Unbestechlichen" zeigt den Kampf zweier Journalisten gegen den mächtigsten Mann der Welt, im satirischen "Ich liebe Dick" sind zwei 15-jährige Teen-Girls für das Aufdecken des Skandals verantwortlich und der meisterhafte "Frost/Nixon" erzählte, wie der kleine und eher belächelte TV-Moderator David Frost drei Jahre nach Nixons Rücktritt dem Präsidenten im Interview ein Quasi-Geständnis entlockte.
Fast immer, wenn Watergate verfilmt wurde, deutete man diesen Skandal zur Heldengeschichte "des kleinen Mannes" um. Man kann die meisten Watergate-Adaptionen als therapeutisches Kino für eine geschundene Nation sehen, die durch die Affäre stärker denn je an ihren eigenen Werten (ver)zweifelte. "White House Plumbers" dreht den Spieß über 50 Jahre nach dem Watergate-Einbruch lustvoll um: Drehbuchautor Alex Gregory und Regisseur David Mandel führen Liddy und Hunt als karikaturistische Idioten vor, die genauso in infantilen Komödien wie "Dumm und Dümmer" oder "Police Academy" auftreten könnten. So entsteht ein ganz neuer Blick auf Watergate: Nach dem Anschauen der fünf fast einstündigen Episoden hat man den Eindruck, bei Watergate sei gar keine Aufdeckung nötig gewesen, die aus dem Kino bekannten Helden hätte es gar nicht gebraucht. Der Präsident und seine Schergen sind einzig und allein über ihre eigene Blödheit gestolpert.
Sensationell komisch: "White House Plumbers" besticht durch tolle Darsteller
Es ist eine ganz große Freude, zuzusehen, wie "White House Plumbers" mit pointenreicher Slapstick-Überdosis diese Deppen vorführt. Woody Harrelson ("True Detective"), immerhin etablierter Charakterdarsteller, spielt E. Howard Hunt als einen überzogen selbstgerechten Ex-CIA-Mann, der in einer Tour auf dümmlichste Weise davon redet, das Abendland retten zu wollen, welches durch Feministen und Hippies bedroht werde. Sein Partner G. Gordon Liddy wird dank des fähigen Spiels von Justin Theroux ("The Leftovers") sogar noch mehr zur Lachnummer: Er hat nicht nur trotz akuter Unfähigkeit ein gigantisches Ego, sondern auch eine irritierende Faszination für Adolf Hitler (dies ist sogar historisch verbürgt) und lebt diese skurril aus – beim Abendessen etwa legt er eine Schallplatte auf, die ein "Best-Of" der schlimmsten Reden enthält, die Hitler je gehalten hat.
Keine Frage: In knallbunter Optik, die eher an leichtherzige Stoffe wie "The Marvelous Mrs. Maisel" erinnert, wird hier eine Komödie über Superidioten präsentiert, die irgendwo zwischen stupider rechtsradikaler Gesinnung, sexistischem Altherrenhumor und Midlife-Crisis mal so eben durch ihre Blödheit die US-Demokratie auszuhebeln versuchen. Viermal versuchten sie, in den Watergate-Komplex einzubrechen und Abhörgeräte zu platzieren, und stellten sich dabei so tollpatschig an, wie es nur geht. So breitbeinig, wie die beiden und ihr Team aus nicht weniger albern auftretenden Männern agieren, ist "White House Plumbers" eine erfrischend bissige Satire auf das, was man heute "Boomertum" nennt. Wenig verwunderlich sind oft die Ehefrauen der beiden dann die Charaktere, die am ehesten Sympathie wecken: Fran Liddy, wunderbar gespielt von Judy Greer ("Halloween Kills"), darf einem ob ihrer unschuldigen Naivität richtig leidtun, während "Game of Thrones"-Biest Lena Headey in Bestform als Dorothy Hunt regelmäßig an dem Unfug verzweifelt, den ihr Mann von sich gibt.
"White House Plumbers" ist trotz Watergate brandaktuell
Und doch werden manche bei der Frage bleiben: "Braucht es wirklich noch eine Watergate-Verfilmung?" Worauf "White House Plumbers" wirklich abzielt, wird erst nach und nach deutlich. Als die Liddy und Hunt ihre Stelle bei den Republikanern antreten, instruiert Nixons Berater John Dean (nicht ganz zufällig gespielt von Domhnall Gleeson, der zuletzt als lächerlich auftretender "Star Wars"-Schurke zu sehen war) die beiden mit den Worten: "Ihre Aufgabenbereiche sind Spionage, Sabotage, Desinformation, Infiltration und Überwachung: Also all der Scheiß, den wir vor jeder Wahl machen." Als Watergate später aufflog und Dean einer der Sündenböcke werden sollte, wechselte er die Seiten und wurde der Hauptbelastungszeuge des Skandals. In diesen Momenten wird eindeutig, dass "White House Plumbers" zwar in den 70ern spielt und die "Watergate"-Akteure zeigt, in Wahrheit aber vom gegenwärtigen Amerika spricht – und von Donald Trump, einem viel aktuelleren Ex-Präsidenten, der ebenfalls derzeit vor Gericht steht.
Man kann nicht anders, als bei all dem stümperhaften politischen Dilettantismus der Nixon-Administration wieder und wieder zu denken, wie vergleichsweise harmlos und lächerlich der Watergate-Skandal im Angesicht der vergangenen Jahre US-Politik wirkt. Aus der politischen Rückbetrachtung fällt es leicht, über die groben und bescheuerten Männer und ihre Ansichten zu lachen, die durch ihre Unprofessionalität einen Präsidenten zu Fall brachten. Gleichzeitig entlarvt die Serie Männer wie Liddy und Hunt als Ursache für jene heute extrem gespaltene Nation, in der schockierende Vorfälle wie der Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 möglich sind. In männlich dominierten Herrschaftssystemen können die dümmsten der Dummen so infantil auftreten, wie sie wollen – und verändern, selbst wenn sie scheitern, noch die Welt.
Eine finale Texteinblendung macht besonders niederschmetternd pointiert darauf aufmerksam, wie lasch für die "Klempner" des Weißen Hauses letztlich die Strafe aussah: G. Gordon Liddy saß nur magere viereinhalb Jahre im Gefängnis, ehe er auf Bewährung freikam, und war später u.a. in zwei Folgen der TV-Serie "Miami Vice" zu sehen. Eine historische Tatsache – genau wie die, dass Liddy natürlich über Jahre hinweg als politischer Kommentator beim Fernsehsender Fox News eingestellt wurde.
Es ist genau bei der Nennung solcher Fakten, dass einem bei "White House Plumbers", der wohl lustigsten Serie des Jahres 2023, das Lachen dann doch im Halse stecken bleibt.
"White House Plumbers" ist am 2. Mai 2023 in Deutschland bei WOW gestartet. Jeden Dienstag erscheint dort eine neue Folge.