Allein dieses Städtchen. Die Welt in der Fernsehserie "Gilmore Girls" ist eigentlich immer ein bisschen zu schön. Da hängen Lichterketten über Plätzen, es wird Zuckerwatte verkauft und durch Strohlabyrinthe gerannt. In den USA lief vor rund 20 Jahren - im Oktober 2000 - die erste Folge, in Deutschland gibt es bis heute viele Fans. Warum traf die Serie über eine Mutter und deren Teenietochter einen Nerv? Schauen wir auf die allererste Folge. In der fiktiven Kleinstadt Stars Hollow betritt Lorelai Gilmore (Lauren Graham) das Café. Sie will Kaffee: "Bitte, Luke. Bitte, bitte, bitte!" "Wie viele Tassen hast du dir heute schon genehmigt?", fragt der Cafébesitzer (Scott Patterson). "Keine." "Bis auf?" "Fünf, aber deiner ist besser."
Ein fremder Typ spricht Lorelai an und fragt, ob sie einen Namen habe. "Sicher habe ich einen Namen", lässt sie ihn auflaufen, "aber ich bin wirklich verabredet, deshalb..." Kurz darauf kommt ihre 16-jährige Tochter Rory (Alexis Bledel) dazu, auch sie lässt den Typen abblitzen. Dann teilen Mutter und Tochter ein wenig Lipgloss. Rund 150 Folgen der "Gilmore Girls" gibt es. In Deutschland strahlte Sender Vox die Serie aus. Heute läuft sie beim TV-Sender Sixx und beim Streamingdienst Netflix, der auch vier neue Episoden drehen ließ. Bei Fans sorgte das für Diskussionen. Sah Lorelai schon immer so aus? Und war Rory schon immer so selbstbezogen und nervig?
Die leicht verrückte Welt der "Gilmore Girls"
Man kennt die Figuren, die Stimmen
Für Streamingdienste sind ältere Serien wie "Friends" oder "Gilmore Girls" durchaus wertvoll. Die Entscheidung, ein Abonnement bei einem der Anbieter abzuschließen, sei durchaus auch vom Angebot älterer Serien abhängig, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schlütz von der Filmuniversität Babelsberg.
Ein wichtiges Stichwort dabei lautet "Comfort Binging". Es beschreibt das Phänomen, dass man trotz vieler neuer Produktionen immer wieder bei alten Serien hängen bleibt. Eine neue Serie sei immer auch mit Unsicherheit verbunden, erklärt Schlütz. "Bei meiner Lieblingsserie weiß ich: Die mag ich." Das Einschalten der "Gilmore Girls" etwa sie wie ein entspanntes Treffen mit alten Freundinnen.
Man kennt die Charaktere und kann sich berieseln lassen. "Die parasoziale Beziehung, wie wir das nennen, ist bei "Gilmore Girls" schon sehr ausgeprägt", sagt Schlütz. Man kenne die Figuren, die Stimmen, fühle sich gut aufgehoben. Im Unterschied zu Video- oder DVD-Boxen merke sich der Streamingdienst auch noch, bei welcher Folge man aufgehört habe. "Das macht es einfach."
Ganz klare Botschaft
Die "Gilmore Girls" seien eine Comedyserie, in der auch viele Stereotype bedient würden. "Aber die Hauptdarstellerinnen sind schon besonders", sagt Schlütz. Es seien eigenständige Frauen, die ihr Leben im Griff hätten. "Diese Figuren sind besonders, die Beziehung ist besonders. Und unterhaltsam ist es einfach auch."
Manche Darstellungen scheinen heute ziemlich aus der Zeit gefallen. Aber die Produktion hatte - wenn auch nicht immer konsequent durchgezogen - eine Botschaft: Klar kann man als Frau alleine ein Kind großziehen, ohne heiraten zu müssen. Und natürlich dürfen Mädchen klug sein, sehr sogar.
Die Erfinderin der Serie, Amy Sherman-Palladino, hat gerade auch an anderer Stelle TV-Geschichte geschrieben. Ihre Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" über eine Komikerin in den 1950ern gewann bereits mehrere Emmys und Golden Globes. Ihre durchaus sehenswerte Serie "Bunheads" über eine Ballettschule ging eher etwas unter.
Was die "Gilmore Girls" liebenswert macht, sind die Figuren. Die verwirrte Köchin Sookie (Melissa McCarthy), der knatschige Rezeptionist Michel, der eigenwillige Kirk, die perfektionistische Paris, die Schlagzeugerin Lane und deren koreanische Mutter. Wenn die Titelmusik einer neuen Folge beginnt, stellt sich für manche schon eine wohlige Wärme ein. Auch nach 20 Jahren. "If you're out on the road, feeling lonely and so cold..."
"Gilmore Girls" läuft dienstags ab 20.15 Uhr bei SIXX.