Die Folge "Nosedive" (dt. "Abgestürzt") ist inzwischen über zwei Jahre alt. Im Oktober 2016 wurde sie mit der 3. Staffel "Black Mirror" bei Netflix veröffentlicht. Vergangene Woche sorgte das Experiment einer Gymnasiallehrerin nun für einen Gegenwartsbezug - mit wahlweise "überraschendem Ergebnis" (bento) oder "überraschende(n) Erkenntnisse(n)" (stern), je nach dem auf welchem Medium man davon erfuhr. Beim deutschen Ableger von Buzzfeed las man noch, dass das Experiment "erschreckend gut" funktionierte.
Dabei ist das Experiment der Lehrerin mit dem was die Drehbuchautoren Rashida Jones und Mike Schur für "Nosedive" erdacht haben nur entfernt verwandt. Rufen wir uns dafür noch einmal den Inhalt der rund einstündigen "Black Mirror"-Folge ins Gedächtnis: In einer imaginären Hochglanz-Welt kann jeder Menschen auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 5 (super) Sternen andere Menschen bewerten. Dies geschieht auf Basis von banalen Alltagsaktivitäten (Kaffee trinken) oder sozialen Interaktionen (Jemand beendet eine Beziehung). Im Mittelpunkt steht die sanfte, aber geltungssüchtige Lacie Pound (Bryce Dallas Howard). Sie hat ein Ranking von 4,2 und erreicht durch die Beschaffung eines Luxusapartments eine Wertung von 4,5 Sternen. In der gläsernen Social-Media-Welt sind die Wertungen aller Menschen frei ersichtlich. Es kommt zur Ausgrenzung von "schlecht bewerteten" Personen. Am Ende von "Nosedive" hat das dramatische Folgen...
Dabei ist das Experiment der Lehrerin mit dem was die Drehbuchautoren Rashida Jones und Mike Schur für "Nosedive" erdacht haben nur entfernt verwandt. Rufen wir uns dafür noch einmal den Inhalt der rund einstündigen "Black Mirror"-Folge ins Gedächtnis: In einer imaginären Hochglanz-Welt kann jeder Menschen auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 5 (super) Sternen andere Menschen bewerten. Dies geschieht auf Basis von banalen Alltagsaktivitäten (Kaffee trinken) oder sozialen Interaktionen (Jemand beendet eine Beziehung). Im Mittelpunkt steht die sanfte, aber geltungssüchtige Lacie Pound (Bryce Dallas Howard). Sie hat ein Ranking von 4,2 und erreicht durch die Beschaffung eines Luxusapartments eine Wertung von 4,5 Sternen. In der gläsernen Social-Media-Welt sind die Wertungen aller Menschen frei ersichtlich. Es kommt zur Ausgrenzung von "schlecht bewerteten" Personen. Am Ende von "Nosedive" hat das dramatische Folgen...
Frau Schiller unterrichtet an einem Gymnasium in Brandenburg. Um "ein "Experiment" zur Gesellschafts- und Medienkritik" mit ihren Schülern durchzuführen, teilt sie diese in zwei Gruppe ein. Bei Twitter erklärt sie ihre Vorgehensweise:
Zuerst sortierte Frau Schiller die Klasse nach Noten. "Einser" saßen vorne und genossen Vergünstigungen, etwa kostenlose Stifte und gutes Papier. "Vierer" saßen hinten und bekamen nichts. Dann wurden Sachtexte zu modernen Medien bearbeitet. Wer gut mitarbeitete, bekam Bonuspunkte und rückte nach vorne auf, wer nicht gut mitarbeitete, rutschte nach hinten ab.
Danach stellte die Lehrerin erstmals den Bezug zur britischen Sci-Fi-Serie her: Die erste Hälfte von "Black Mirror: Nosedive" wurde gezeigt. Als die Stunde dann vorbei war, gab die Lehrerin eine freiwillige Hausaufgabe. Jeder könne in seiner Freizeit Bonuspunkte sammeln, etwa durch Mithilfe im Haushalt, Gassigehen mit dem Hund oder freundliches Grüßen der Lehrkräfte. "Die "Hausaufgabe" wurde belächelt. Meine Schüler sitzen sonst am liebsten so weit hinten wie möglich.", berichtet die Lehrerin auf Twitter.
Doch erstaunlich sei das Ergebnis gewesen: Alle hätten Pluspunkte gesammelt. Bis auf einen:
Den Stuhl des unwilligen Schülers Nico stellte die Lehrerin vor die Tür. Er musste dem Unterricht vom Flur aus folgen. Laut Frau Schiller trug sich dann Erstaunliches zu: Die Schüler wiesen Nico zurück, als dieser sich wehrte. "Er würde den Unterricht gefährden", hätten Schüler als Begründung geäußert.
Im Fazit erklärt Frau Schiller auf Twitter, ihr Experiment habe funktioniert. "Ein Leistungskurs voller cleverer, fast erwachsener Menschen ließ sich (...) in ein System drängen, das sie von Beginn an falsch fanden."
Bei bento kann man dazu noch ein Interview mit der Lehrerin finden, bei der sie erklärt: "Dass er (Anm. d. Red.: Nico) dann am nächsten Tag der einzige Schüler ohne Punkte war, war perfekt für das Übermitteln der Lektion. Plötzlich war der beliebte Junge außen vor. In der Reflexion war er wieder stark, zog Parallelen zum chinesischen System und ging als Held aus der Stunde hervor."
Die Parallelen zum chinesischen System sind tatsächlich frappierend. Allerdings nicht die zu dem Schülerexperiment, sondern die zur "Black Mirror"-Episode. In China gibt es Pläne für ein soziales Kreditsystem. Die Stadtregierung von Peking hat bereits angekündigt, ein Bewertungssystem einzuführen, welches das Verhalten aller Bewohner erfassen soll. Im Bewertungskatalog werden unter anderem Verkehrsdelikte, rüpelhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit oder Rauchen in öffentlichen Räumen erwähnt.
Womit wir bei dem schiefen Vergleich zwischen "Black Mirror" und dem Schülerexperiment von Frau Schiller in Brandenburg wären. In der Serienfolge geht es darum, dass jegliches Verhalten im Alltag bewertet und dementsprechend auch abgewertet werden kann. "Black Mirror"-Mastermind Charlie Brooker erklärte, "Nosedive" sei ein Film über "das Bild von uns selbst, so wie wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen". Im Prinzip sei es eine Geschichte "über die Welt in der wir leben". Ob bei Facebook, Tripadvisor, yelp oder lieferando: Auf all diesen Bewertungsplattformen können Menschen ihre Beurteilungen (über andere Menschen) äußern. Besonders in Sozialen Netzwerken kann dies zu sozialer Ausgrenzung führen. Cyber-Mobbing ist längst kein Kavaliersdelikt mehr und hat ähnlich drastische Folgen wie in der fiktiven Welt von "Nosedive" - wenngleich die "Black Mirror"-Folge diese Mechanismen überspitzt fiktionalisiert.
Das Experiment von Frau Schiller hingegen ist nettes Anschauungsmaterial für Gruppendynamiken, die unter der Bedingung des Klassenverbunds entstehen können. Vergleiche mit einer gläsernen Welt wie in "Black Mirror: Nosedive" sind hingegen allein aufgrund der Versuchsanordnung ganz schön weit hergeholt.