Als ich aus der U-Bahnstation Wembley Park in London aussteige, fällt mir natürlich zunächst einmal das berühmte Wembley Stadion auf, das quasi gleich um die Ecke steht und ganz imposant meinen Blick auf sich zieht. In der unmittelbaren Umgebung scheint es aber nichts weiter außerordentlich Sehenswertes zu geben: Eine Starbucks-Filiale und ein großer Food-Court sind in Gehweite zu erreichen und ansonsten sieht alles recht gewöhnlich aus. Und hier soll mit "Morbius" die nächste Hollywood-Comicverfilmung nach Marvel-Vorlage mit einem Multimillionen-Dollar-Budget entstehen?

Irgendwie kann ich nicht glauben, dass ich am korrekten Ort bin. Doch einen kleinen Spaziergang später entdecke ich an der grauen, unscheinbaren Fassade eines von McDonald's, LIDL und JD Sports umgebenen Gebäudes ein recht kleines Schild: "Fountain Studios". Ich bin tatsächlich an der richtigen Adresse! Wenig später werde ich auch schon mit einer Gruppe anderer Journalisten über einen Hinterhof in die Hallen des ehemaligen TV-Studios und dort in einen Raum gebracht. Der Set-Besuch kann starten!

Das ist "Morbius"

Zunächst einmal ein paar wesentliche Informationen: "Morbius" wird lose auf den Marvel-Comics "Morbius, The Living Vampire" basieren, die in derselben Welt wie Spider-Man spielen. Wie der Titel der Vorlage es schon vermuten lässt, geht es darin um Dr. Michael Morbius (im Film wird er gespielt von Oscarpreisträger Jared Leto), ein genialer Wissenschaftler, der an einer äußerst seltenen Krankheit leidet. Um ein Gegenmittel zu finden, experimentiert er mit Fledermäusen, doch die Zeit drängt. Eines Tages aber scheint er es endlich geschafft zu haben. Doch wie so viele Medikamente kommt auch seine neueste Entdeckung mit einigen Nebenwirkungen daher – und nach der Einnahme muss Morbius fortan als Vampir mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und einem unstillbaren Durst nach Blut leben …

Modelle, Skizzen und erste Details

Direkt nach dem Betreten des Raums fallen uns schon einmal zahlreiche Konzeptzeichnungen auf, die an verschiedenen Wänden angebracht wurden und die schon einen ersten Eindruck von Sets und Szenen liefern. Dazu erzählt uns Lucas Foster, einer der Produzenten des Films, erste kleine Handlungsdetails und erklärt, was wir da eigentlich vor uns sehen. Aber zuerst: "Willkommen in London, während wir so tun, als wären wir in Manhattan."

Auf einer der Zeichnungen ist das "Horizon Lab" abgebildet, das Labor von Dr. Morbius, das sich oben auf "einem sehr coolen Gebäude" befindet und wo der Protagonist Forschungen anstellt. Dabei verfügt er über einen speziellen Käfig für Fledermäuse, die er jederzeit zu sich holen kann, wann immer er mit ihnen arbeiten möchte. "Er sucht verzweifelt nach einer Lösung", erklärt Foster, "seine Arbeit ist an der Grenze des ethisch Vertretbaren, weshalb er sogar den Nobelpreis abgelehnt hat."

Viel über Blut gelernt

Trotzdem bekommt er jede Menge Ressourcen und Gelder zur Verfügung gestellt, um ein verrücktes Experiment auf hoher See durchzuführen. Dazu zeigt uns Foster ein kleines Modell eines Sets, das einen großen Lagerraum auf einem Schiff zeigt, worin sich wiederum ein separater Container befindet, wo Morbius und seine Freundin und Kollegin Martine Bancroft (Adria Arjona) arbeiten. Das Schiff wird indes von schwer bewaffneten Söldnern bewacht. Dann überschlagen sich die Ereignisse es kommt zu einer großen Actionsequenz, die Foster als "cool, episch und furchteinflößend" beschreibt.

Ebenfalls auf dem Schiff zu sehen ist übrigens eine Art Zentrifuge, mit der Morbius das heilende Serum erzeugt. Ein Teil der Maschine steht mit uns im Raum und kann aus nächster Nähe begutachtet werden:

"Wir haben viel über Blut gelernt und ich weiß jetzt alles darüber und was man damit anstellen kann", verrät uns Foster dann nicht ohne ein kleines Schmunzeln, wie die Recherchen für den Film abliefen. Schließlich muss ja ein Blutsauger dargestellt werden, der auch noch in einen schweren moralischen Konflikt gerät – Morbius hat nämlich den hippokratischen Eid geleistet, braucht aber Blut, um bei Kräften zu bleiben. Beim Film "Morbius" wird es sich jedenfalls um eine Ursprungsgeschichte handeln, in der den Anfängen der Comicfigur auf den Zahn gefühlt werden soll.

Und…Action!

Für uns geht es aber nun konkret zum Anfang des Films, denn an diesem Tag wird in den Fountain Studios die Eröffnungssequenz von "Morbius" gedreht. Dazu werden wir Reporter in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine darf direkt am Set die Dreharbeiten aus nächster Nähe bewundern, die andere wird in einen sogenannten Monitorraum gebracht, wo auf einem großen Fernseher die Aufnahmen von gleich drei verschiedenen Kameras live übertragen werden – später wird dann getauscht.

Das Set wurde in einer riesigen, runden Halle aufgebaut und wird ringsum von einem Greenscreen umgeben. In der Mitte befindet sich ein künstliches, felsiges Plateau, an dessen Ende sich ein Höhleneingang befindet. Einige Kisten stehen herum – und ein Hubschrauber, aus dem Jared Leto steigt. Da seine Figur Morbius zu dem Zeitpunkt der Handlung noch krank ist, läuft er schweren Schrittes auf zwei Krücken.

Zunächst einmal wird nur aufgenommen, wie Leto vom Fluggefährt Richtung Höhleneingang läuft und dabei mit seinen Handlangern spricht. Dabei handelt es sich um eine einzige, längere Aufnahme ohne Schnitt – in einem Rutsch wird also der ganze Weg gefilmt.

Vollblutprofi Jared Leto

Es ist vollkommen üblich bei einem Filmdreh, dass von einer einzigen Szene mehrere Aufnahmen gemacht werden – oder aber es braucht einfach ein paar Anläufe, bis überhaupt alles sitzt. Doch auch nachdem Regisseur Daniel Espinosa "Schnitt!" gerufen hat, verzieht Superstar Leto keine Miene. Konsequent und hochfokussiert bleibt er mental in der Figur Michael Morbius und behält auch dann seinen wackeligen Krückengang bei, wenn er wieder zurück an den Anfang muss. "Jared hat sich sehr drauf vorbereitet, viel Zeit auf Krücken und mit kranken Personen verbracht, um ihren Gang zu studieren", erklärt uns Louise Rosner, ebenfalls Produzentin bei "Morbius".

Doch auch bei einem Oscargewinner läuft nicht alles wie geschmiert: Während unseres Besuchs vergeigt Leto gleich mehrere Takes hintereinander, weil er sich entweder verhaspelt oder seinen Text vergisst. Man kann es ihm nicht verübeln, denn schließlich muss er in der Szene einen kleinen wissenschaftlichen Monolog über Fledermäuse halten, schwierige Begrifflichkeiten inklusive. Doch für Lacher sorgen die Patzer nicht und selbst die Nebendarsteller bleiben konzentriert. Vor jeder neuen Aufnahme können wir dann Leto dabei beobachten und zuhören, wie er leise seinen Text aufsagt – bis es wieder heißt: "Action!"

Die nächste Szene

Nach einigen Versuchen ist der erste Teil der Eröffnungssequenz im Kasten. Bevor es an die nächsten Einstellungen geht, wird es erst einmal hektisch am Set. Während einer laufenden Aufnahme befinden sich alle auf Position, andere halten sich im Hintergrund und es ist, bis auf die Geräusche und Gespräche für den Film selbst, mucksmäuschenstill. Aber jetzt wuseln die Mitarbeiter nur so durch die Gegend, werden lange Leitern und andere klobige Gegenstände herumgetragen und auch der große Kamerakran wird verschoben – wir Journalisten stehen ein klein wenig im Weg.

Unterdessen wird am Ende der künstlichen Felsformation eine neue, ausfahrbare Requisite aufgebaut, die im Film eine spezielle Fledermausfalle darstellen wird. Mit ihrer Hilfe (und einem Tropfen Blut) will Morbius die fliegenden Tiere für seine Forschungszwecke einfangen. Jared Leto bespricht derweil die nächste Szene und dann geht es schon wieder los. Alle auf ihre Plätze, die nächste Aufnahme steht an, in der sich Leto mit einer Machete eine Schnittwunde verpasst, um sein Blut als Köder zu benutzen. Nebelschwaden steigen aus dem Felsen empor, aber auch jetzt kommt es zu einer winzigen Komplikation: Während einer Aufnahme will einfach kein Kunstblut fließen. Doch auch dieses Problem wird schnell gelöst. Dann wird der Dreh fortgesetzt, wobei neue Kamerawinkel zum Einsatz kommen, die das Geschehen nun aus nächster Nähe einfangen.

Feierabend

Nach einigen Versuchen ist auch dieser Moment abgedreht. Anschließend wird erneut der erste Part gefilmt, bei dem Leto und die anderen Darsteller aus dem Helikopter steigen. Wieder wird aus gänzlich anderen Perspektiven gedreht und ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie all diese verschiedenen Aufnahmen am Ende im Schneideraum landen und der Cutter aus ihnen die beste Schnittfassung montieren muss. Zum Abschluss des Drehtages steht noch Jared Leto allein mit dem Tonmann auf dem Set, um ohne Szenenpartner einfach ein paar Sätze zu sprechen.

Für uns ist damit der Feierabend angebrochen. Gemeinsam werden wir wieder vom Gelände geführt und lassen dabei die Welt der Hollywood-Blockbuster und Marvel-Verfilmungen hinter uns. Zurück auf den Straßen Londons geht das Leben seinen ganz normalen Gang und es ist kaum zu glauben, dass wir uns gerade in einer ganz anderen Sphäre aufgehalten haben. Eine, die hoffentlich bald die Kinos erobern wird: "Morbius" wurde nämlich jüngst verschoben und soll nun Stand jetzt (4. Januar 2022) am 31. März in deutschen Kinos erscheinen

Natürlich kann sich coronabedingt kurzfristig wieder alles ändern. Hier ist noch mal der Trailer: