Fünf Jahre lang ­akribisch (und wohl ohne Honorar) hat Regisseur Peter Jackson, dreifacher Oscar-Preisträger ("Der Herr der Ringe") für "They Shall Not Grow Old" daran gearbeitet, den Krieg an der Westfront vom Anfang des 20. Jahrhunderts für uns Menschen des 21. Jahrhunderts dreidimensional begreifbar zu machen – und bunt. Auch die Soldaten hätten den Schrecken des Kriegs schließlich in Farbe erlebt, so Jackson.

Rund 100 Stunden Material standen dem Neuseeländer zur Verfügung, bislang unveröffentlichte Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den Archiven des Imperial War Museum in London wurden gesichtet, gereinigt, von Kratzern befreit, koloriert und in 3D (und 4K) konvertiert. Jackson hat dazu die preisge­krönten Digitalspezialisten seiner Effektschmiede Weta engagiert, die schon King Kong und Drache Smaug animierten.

Das Ergebnis ist verblüffend und irritierend zugleich: Manche Gesichter und Bewegungen scheinen seltsam künstlich, wie bei einem ruckeligen Videospiel. Dass wir alte Aufnahmen aus der Zeit häufig als zackig und seltsam beschleunigt empfinden, ist der Tatsache geschuldet, dass damals oft mit einer Rate zwischen 10 und 18 Bildern pro Sekunde gedreht wurde. Jackson ließ die Szenen am Computer in die gängige Rate von 24 Bildern pro Sekunde umrechnen. Das wirklich Beeindruckende – und streckenweise auch Anstrengende – des Films hängt aber mit Jacksons Entscheidung zusammen, die Geschichten von der Front ausnahmslos aus dem Off von Zeitzeugen, etwa 120 Soldaten, erzählen zu lassen, ohne Kommentar, ohne historische Einordnung.

"Ich habe es nie bereut"

Bei all den unterschiedlichen Dialekten und Sprachfärbungen muss man sich schon sehr konzentrieren, um alles mitzube­kommen (im Kino läuft der Film mit Untertiteln). Aber was man erfährt, in Kombination mit den plastischen, klaren Bildern und "Spielszenen" (manchmal gerät man mitten in eine launige Plauderei im Schützengraben), ist verblüffend und ergreifend. Jackson engagierte auch Lippenleser, um die Gesprächsinhalte der Stummfilmaufnahmen zu entschlüsseln.

"Ich hätte es nicht missen wollen" ist ungefähr der erste Satz dieser "Oral History", mit dem man im Film konfrontiert wird, auch: "Ich habe es nie bereut." Ein anderer Soldat erzählt, er habe sich gefühlt "wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal ins Theater geht". Aussagen von Soldaten, die an die Front gingen und überlebten. Im nächsten Moment sieht man Leichen im Stacheldraht hängen, bekommt die unfassbaren Verhältnisse in den Schützengräben geschildert. Bilder von Minenexplosionen entwickeln bizarre Schönheit, man sieht Soldaten beim Kämpfen, Graben, Schienen­legen – und beim Kacken.

Der Erste Weltkrieg ist in Neuseeland und Australien immer noch großes Thema, viele Einheimische kämpften damals in der britischen Armee, auch Peter Jacksons Großvater, den er nie kennenlernte, Sgt. William Jackson. Auch deshalb ist "They Shall Not Grow Old" (der Titel entstammt, leicht verändert, einer Strophe des Gedichts "For the Fallen" von Laurence Binyon) nach eigener Aussage Jacksons bislang persönlichster Film.