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Star Wars, Godzilla, Lego Movie und Co.

Hollywoods Größenwahn: Zaster of the Universe

Hollywoods Größenwahn: Zaster of the Universe
Monsterverse Ein Jahr nachdem "Godzilla" zum Überraschungshit wurde, gaben die Produzenten bekannt, dass sie einen neuen "King Kong" drehen - mit dem Ziel, die beiden Giganten aufeinandertreffen zu lassen.

Seit Jahrzehnten macht Hollywood Reibach mit Filmreihen. Doch das ist den Studiobossen mittlerweile zu wenig: Jetzt müssen es gleich Universen werden. Leidtragende sind die Kreativen - und die Filmfans

Wie entsteht ein Blockbuster? Im Keller eines genialen Autors? Oder aus der Vision eines Regiegenies wie Steven Spielberg heraus? Diese romantische Vorstellung von der Geburt eines Kinohits gehört längst der Vergangenheit an. Heutzutage werden Filmhits im eleganten Büro eines Produzenten oder eines Marketingchefs konzipiert, die sich von ihren Assistenten mit Nummern und Statistiken füttern lassen, anhand derer sie den perfekten Titel zum perfekten Starttermin ausbaldowern und anschließend Autoren und Regisseure suchen, die ihnen den maßgeschneiderten Kassenknaller pünktlich zum vereinbarten Datum liefern.

Unangefochtener König dieser durchgeplanten Blockbuster ist Kevin Feige von Marvel. Als er am 28. Oktober 2014 die Presse zu einem Apple-ähnlichen Event nach Hollywood lud, präsentierte er den Marvel-Masterplan bis ins Jahr 2019. Neun Filme von "Captain America: Civil War" im Mai 2016 bis zu "Avengers: Infinity War - Part II" im Mai 2019 hatten bereits einen Starttermin. Dabei standen für die meisten von ihnen nicht einmal Stars oder Macher unter Vertrag.
Heutzutage werden nur Filme gedreht, die man mehrfach zu Geld machen kann
Tom Cruise geht ab 08. Juni auf Mumien-Jagd
Marvel hat sich diesen Status erarbeitet, indem das Comicunternehmen jahrelang exzellente Filme ausgeworfen hat: Vier der letzten neun Marvel-Filme haben weltweit über eine Milliarde Dollar eingespielt. Andere Firmen müssen sich diesen Vertrauensbonus erst noch verdienen. Aber Dollarzeichen haben sie alle in den Augen. Marvels Geschäftsmodell wird hemmungslos kopiert.

So existiert der gerade in den Kinos anlaufende "Kong: Skull Island" nicht in einem Vakuum, sondern ist Teil des Monsterverse, das auf ein Zusammentreffen von Godzilla und King Kong im Jahr 2020 hinarbeitet. Und wenn Tom Cruise ab 8. Juni "Die Mumie" jagt, legt er damit gleichzeitig den Grundstein für eine Neuauflage der Universal Monsters, für die in den nächsten Jahren Johnny Depp den "Invisible Man", Russell Crowe den Mr. Jekyll und Javier Bardem Frankensteins Monster spielen werden.

Selbst Filme ohne Superhelden und Schreckensmonster werden durch die Hintertür zum Teil eines Universums. Aus heiterem Himmel verkündete M. Night Shyamalan jüngst, dass sein aktueller Film "Split" eine Fortsetzung bekommt und - Spoileralarm - dort mit dem Bruce-Willis-Schocker "Unbreakable" zusammengeführt wird.

Den größten Anfall von Hybris bewies allerdings Lionsgate-Chef Jon Feltheimer, als er während eines Gesprächs mit Analysten verlauten ließ, dass er sich gleich "fünf, sechs oder sieben" Filme mit den neuen "Power Rangers" (Kinostart: 23. März) vorstellen könnte. Der
Grund? Die Fans hätten positiv auf das Design der neuen Kostüme reagiert.
Ohne Universum droht der Finanzkollaps
Hollywoods Faszination für Filmuniversen macht kommerziell durchaus Sinn. Wenn ein Studio für 400 Millionen Dollar fünf Filme dreht und drei ertragreich sind, ist die Erfolgsquote logischerweise größer, als wenn jemand zwei Filme à 200 Millionen Dollar dreht und nur einer gewinnträchtig ist. Aber: Aus diesem einen Erfolg lässt sich durch Fortsetzungen, Spin-offs, Merchandising & Co. letztlich so viel Geld herauspressen, dass es unter dem Strich die bessere Investition ist.

Das Antibeispiel lieferte Sony Pictures. Gerade gab die Filmabteilung Abschreibungen von knapp einer Milliarde Dollar bekannt. Der Grund? Individuelle Filme wie "Die irre Heldentour des Billy Lynn", "Passengers", "Pixels" oder "Chappie" floppten am laufenden Band. Gerade einmal 3,1 Milliarden Dollar konnte Sony zwischen 2014 und 2016 an den Kinokassen einnehmen. Zum Vergleich: Walt Disney kam, angetrieben von seinen "Star Wars"- und Marvel-Universen, im gleichen Zeitraum auf fast 7 Milliarden Dollar.

Weil Sony es nicht geschafft hat, neben der Erfolgsreihe "James Bond" ein eigenes Filmuniversum zu etablieren, gab es aus lauter Verzweiflung sogar (mittlerweile verworfene) Überlegungen, aus "21 Jump Street" und "Men in Black" jeweils Galaxien zu schmieden.
Die Vielfalt wird ersetzt durch Einfalt
Die Begeisterung für die Filmuniversen hat allerdings eine Schattenseite. Da selbst Hollywood-Studios nicht über Dagobert-Duck-Speicher voller Geld verfügen und die Budgets der neuen Blockbustergeneration meistens über 200 Millionen Dollar liegen, werden immer weniger Filme produziert. Hat Walt Disney seit 2010 im Schnitt jedes Jahr 13 Filme in die Kinos gebracht, waren es in den zehn Jahren davor noch 19.

Zwar nimmt die Gesamtzahl der Filme in den US-Kinos auch weiterhin beständig zu - von 478 im Jahr 2000 auf 731 im vergangenen Jahr -, doch die wenigsten davon kommen von den Big Playern. Unabhängige Studios füllen mit Filmen im Minibudget-Segment die Lücken. Auf der Strecke bleiben die Filme der mittleren Preisklasse.

"Wenn man heute zu einem Produzenten geht und etwas Neues drehen möchte, wirft er dich raus", sagte Francis Ford Coppola am Rand des Marrakech International Film Festivals. "Sie wollen die gleichen Filme, die ihnen Geld gebracht haben, noch einmal." Der Regisseur von Meilensteinen wie "Der Pate" oder "Apocalypse Now" ist nicht der Einzige, der die Entwicklung mit Sorge betrachtet. Steven Soderbergh und Jane Campion zieht es aus dem Kino hin zu Serien wie "The Knick" und "Top of the Lake" . Spike Lee ließ seinen Film "Da Sweet Blood of Jesus" via Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanzieren, bevor er sich von Amazon anheuern ließ.

Statt persönliche Filme wie "Gremlins" oder "Die Reise ins Ich" zu drehen, muss Joe Dante mit Auftragsarbeiten für Serien wie "Hawaii Five-0" oder "Legends of Tomorrow" die Miete zahlen. Und Kultregisseur John Waters ("Cry-Baby") darf seit zwölf Jahren keinen richtigen Film mehr drehen. Selbst Schwergewichte wie Steven Spielberg sind vor den Entwicklungen nicht sicher. Als sein Freund George Lucas während einer Diskussionsrunde prognostizierte, dass Filme wie "Lincoln" eines Tages ganz verschwinden und ins TV wandern, warf Spielberg ein: "Es wäre fast schon so gekommen. Frag HBO, wie kurz wir davor waren, für sie zu drehen."
Vom Indie- zum Blockbusterregisseur
Es sind nicht nur Kultfilmer aus den Achtzigern und Neunzigern, die dem Trend zu Universen zum Opfer fallen. Auch junge, vielversprechende
Kreative werden missbraucht, nur umgekehrt. Statt wie früher langsam steigende Budgets anvertraut zu bekommen, engagiert man sie gleich für die Blockbuster. Künstlerische Qualität wird von ihnen nicht verlangt. Eher Ausdauer und gute Nerven.

So durfte sich Colin Trevorrow nach seiner Indieperle "Journey of Love" unmittelbar an "Jurassic World" versuchen, Gareth Edwards sprang von "Monsters" zu "Godzilla" und "Rogue One", und die Russo-Brüder wurden von der Sitcom "Community" plötzlich zu Schirmherren des Marvel-Universums. Für Produzenten ein Traumszenario. Zum kleinen Preis bekommen sie Talente, die sich beliebig formen lassen. In Zeiten von Filmuniversen ist Individualität in jeder Hinsicht zum Störfaktor geworden.

Autor: Rüdiger Meyer
Den ersten Teil des "Legoverse" zeigt Sat.1 am Samstagabend