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Prequels, Sequels, Spin-offs und Co.

Ohne Franchise-Wahn kein Independent-Kino?

Heute zeigt ProSieben Ridley Scotts "Prometheus", eine Art (unnötiger) Prolog zur längst Kult gewordenen Sci-Fi-Schocker-Reihe "Alien". Grund genug, einen Appell Richtung Hollywood zu entsenden.

Foto: 20th Century Fox, Ridley Scott bei der Arbeit an "Prometheus"
"Ich bin doch nicht pervers und guck mir meine eigenen Filme an!", erklärte einst der selige Harald Juhnke. Eine prima Haltung, der auch Ridley Scott und George Lucas folgen sollten. Die Regisseure schauen sich ihre Werke offenbar zu oft an und meinen dann: Da müssen wir noch mal ran! Lucas drehte nicht nur drei - hüstel - umstrittene Prequels zu seinem "Krieg der Sterne", er murkste gar mehrfach an der klassischen Trilogie herum.

So wild trieb es Scott nicht: Seine Director's Cuts zu "Blade Runner" oder "Königreich der Himmel" waren sinnvoll. Die Rückkehr zur "Alien"-Reihe enttäuschte aber: Scott raubt seinem Klassiker von 1979 das Mysteriöse. Der "Space Jockey" etwa, das Riesenskelett aus dem Raumschiffwrack in "Alien", war ein faszinierendes Rätsel. Seit "Prometheus" ist er nur noch ein Albino mit Glatze.

Hoffen wir, dass uns im Nachfolger "Alien: Covenant" (Kinostart: 18.5.) statt unerbetener Erklärungen wieder unergründliche Geheimnisse erwarten, denn langsam aber sicher schwirrt einem der Kopf vor lauter blassen Fortsetzungen, Prequels, Sequels, Spin-offs und sonsterlei Kino-Klimbim.
Weitere Déjà-vus im Anmarsch
Foto: Screenshot, So soll die Fortsetzung "Blade Runner 2049" aussehen..
Der Trend der Fortsetzungen gerät allerdings keineswegs ins Stocken. Im Gegenteil: 2017 lockt mit massenhaft verführerischen Déjà-vus. Superman, Batman, Suicide Squad drängen auf die Leinwände, Spiderman und King Kong bekommen Reboots. "Ich - Einfach Unverbesserlich" geht in die dritte Runde, genauso wie das Action-Franchise mit Vin Diesel "xXx: Return of Xander Cage", der dritte Auftritt von X-Men Wolverine in "Logan", der Sci-fi-Klassiker "Planet der Affen" oder die Superheldenaction "Thor Ragnarök". "Pirates of the Caribbean" geht in die fünfte, "Fast and Furious" in die achte Runde. Es gibt Fortsetzungen von Kultfilmen wie "Alien", "Blade Runner" und sogar "Trainspotting".

Selbst alte Serien werden als Blockbuster neu aufgelegt: siehe "Power Rangers" und "Baywatch". Zwar galten Kinoadaptionen von Kultserien lange Zeit als verpönt, doch nach dem Erfolg von Jonah Hills "21 Jumpstreet"-Auskopplung scheint Hollywood auch in diesem profitträchtigen Segment zuversichtlich.
Studios und ihre Blockbuster in Zahlen
- 7 Milliarden Dollar Umsatz hat die Walt Disney Company 2016 gemacht. Damit schlägt Disney den Rekord von Universal. Er lag bei 6,89 Milliarden Dollar.

- 658 Millionen Dollar hat "Doctor Strange" zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 weltweit eingespielt.

- 127 Millionen Mal wurde der Trailer zum Remake des Disney-Trickfilm-Klassikers "Beauty and the Beast" am Tag der Veröffentlichung angeklickt. Das schaffte weder "Star Wars" noch "Fifty Shades Darker".
Independent-Liebhaber können durchatmen
Angesichts solcher Entwicklungen liegt es nahe, zu ächzen: Das gegenwärtige Kino ist mehr Kalkül als Kunst. Es will Kasse machen und vergisst dabei seine Identität: gute Unterhaltung. Klar, wenn Machwerke nur noch aus Versatzstücken bestehen, von denen die Studiobosse wissen, dass sie die Masse ins Kino locken, werden Kinofilme austauschbare Warenartikel. Immer nur die beliebtesten Hollywood-­Darlings auf der Leinwand, ein bisschen Science-Fiction für den modernen Unterbau, Diversität vom Filmplakat bis in die letzte Nebenrolle, um in allen Teilen der Welt zu funktionieren und dazu würzt man die Mischung mit viel Romantik, Herzschmerz und Action. Das ist Kino am Reißbrett und hat nichts mit künstlerischer Innovation oder raffinierten Visionen zu tun.

Doch gleichzeitig ist es Quatsch, zu behaupten, Geld wäre ein moderner Antriebsmotor der Kinoindustrie. Schon immer haben die großen Studios auf ihre Scheine schauen müssen. Allerdings kamen aus dem Hause Columbia, heute Sony Pictures, beispielsweise Legenden wie "Die Faust im Nacken" (1954), "Kramer gegen Kramer" (1979) oder "Taxi Driver" (1976), eine Art von Film, die man sich heute nur noch als Co-Produktion von einigen innovationsfreudigen Independent-Unternehmen vorstellen kann. Für die Haie im Kinobecken wären solche Stoffe viel zu unberechenbar.

Womit wir auch schon beim Positiven dieser Entwicklung sind: Mit den Hollywood-Milliarden wird über Umwege das Independent-Kino finanziert. Ein Teil des Gewinns fließt in Werke von Künstlern wie Wes Anderson, Sofia Coppola oder Martin Scorsese (auch wenn die Finanzierung von "Silence" alles andere als leicht war).

Allein zur diesjährigen Oscar-Season ist dies gut ersichtlich: Der größte "La La Land"-Konkurrent für den Besten Film ist "Moonlight" von Barry Jenkins und dieser wurde unter anderem von Plan-B produziert, der Firma von Jennifer Aniston, Brad Pitt und Brad Grey - Filmschaffende, die durch den Geldregen Hollywoods zu Millionären wurden. Oder blicken wir auf den Oscar-Kandidaten (Casey Affleck gewann bereits den Golden Globe für seine Rolle) "Manchester by the Sea": Hier ist eine der produzierenden Firmen Pearl Street Films, die Firma von Ben Affleck und Matt Damon. Solange Stars aus solch aufgeblähten Franchises wie "Bourne" in den Erhalt anspruchsvollerer Kinofilme investieren, besteht Hoffnung.

Autoren: Roland Kruse und Steven Sowa