Der nachfolgende Text gibt die persönliche Meinung eines Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Augen auf und volle Konzentration lautete die Devise in der Pressevorführung zu "Onward: Keine halben Sachen". Von der ersten Sekunde an wanderten meine Pupillen ununterbrochen von oben nach unten, von links nach rechts, unternahm mein Blick permanent eine kleine Weltreise nach der anderen über die gesamte Leinwand hinweg und wieder zurück in die äußersten Ecken. Auf Dauer wurde mir regelrecht schwindlig beim Scannen des Geschehens, das ich nur peripher wahrnahm und eher mithörte als mit meinen Sehorganen zu genießen. Nach gefühlt 20 bis 30 Minuten gab ich allerdings auf, lehnte mich zurück und begann den Film erst dann ganz normal zu schauen.

Ich gebe zu, ich kam mir anschließend vor wie ein Versager und war enttäuscht – denn ich habe kein einziges Easter Egg gefunden!

Disney und Pixar: Ostereier suchen

Easter Eggs werden versteckte Anspielungen und Hinweise in Kunstwerken genannt, die dann von besonders aufmerksamen Fans gefunden werden können. Und bei Disney scheint man das ganze Jahr über Ostern zu feiern: Ganz egal ob bei "Star Wars", den Marvel-Filmen, hauseigenen Animationsfilmen oder bei Pixar, immerzu gibt es mehr als nur die Geschichte und die tollen Bilder zu entdecken.

Und das nervt mich mittlerweile tierisch. Denn heutzutage wissen Kinogänger, dass sie sich auf derlei Überraschungen bei einem neuen Film des Mäusekonzerns gefasst machen können. Wer findet sie als erstes? Wer die meisten? Und was haben sie zu bedeuten? Der Vorhang öffnet sich und losgeht ein inoffizieller Wettstreit, dem Fans wie Journalisten gleichermaßen erliegen. Moment mal, ist das etwa Rapunzel in "Die Eiskönigin?" Das muss etwas bedeuten! Schnell wird eine sogenannte Fantheorie entsponnen, die den Diskurs zum Werk auch lange nach seinem Erscheinen am Leben erhält – tolles Marketing, denkt sich der Zyniker in mir. Aber auch nach dem Kinobesuch gehören Gespräche darüber, wer was erkannt und gefunden hat, zum guten Ton. Dabei gilt: Je mehr Fundstücke man vorweisen kann, desto mehr Punkte gibt es auf der unsichtbaren Nerdskala.

Gleichzeitig sind Easter Eggs für uns Filmredakteure gefundenes Fressen für spannende und unterhaltsame Inhalte. Wer sie ausfindig macht und anschließend einen Artikel darüber schreibt, dem sind viele Klicks sicher. Als ich zum Beispiel Baymax in "Die Eiskönigin 2" zufällig sah und das veröffentlichte, klopfte ich mir zugegebenermaßen innerlich selbst auf die Schulter. Ich war so stolz auf mich! Ja, so schnell kann ich mein fragiles berufliches Selbstvertrauen aufbauen – mit einer winzigen Schneeskulptur irgendwo im Bild.

Easter Eggs: "Onward"-Macher stimmt zu

In dem Wissen um das garantierte Vorkommen von Easter Eggs habe ich aber auf der Suche nach ihnen doch glatt "Onward" vernachlässigt. Das habe ich auch Produzentin Kori Rae und Regisseur Dan Scanlon im Interview erzählt, das ich mit ihnen im Rahmen der Berlinale 2020 führen durfte. Aber gibt es denn wirklich welche im Film, fragte ich, um auf Nummer sicher zu gehen. "Ja", war die Antwort. Verdammt.

"Sie sind definitiv vorhanden, aber sie sind ein wenig besser versteckt als es sonst in der Vergangenheit üblich war", versicherte mir Rae und Scanlon ergänzte: "Ich hoffe natürlich, dass du sie deshalb nicht gefunden hast, weil du so sehr im Film vertieft warst." Aber genau das ist der springende Punkt: Lenkt die Erwartung an und die Suche nach Easter Eggs nicht von der Geschichte ab, weil viele diese als Erste finden möchten?

"Ganz ehrlich, ich war nicht dieser Auffassung, bis du mir das jetzt eben erzählt hast", antwortete mir Scanlon mit einem Lachen. "Wie können wir die nur im Film verstecken? Ich denke, du hast recht und besonders beim ersten Sehen wollen die Leute natürlich die Easter Eggs finden." Er betonte erneut, dass sie sehr gut versteckt sind und hoffentlich entspannen sich die Zuschauer dann einfach. "Genießt es einfach, ihr werdet sie schon beim zweiten Mal finden", fügte Rae noch hinzu.

Hört einfach damit auf!

Wenn ich bewusst nach Easter Eggs schaue, schenke ich dem Film an sich gleich weniger Aufmerksamkeit. Stolpere ich aber eher zufällig über eine Anspielung, reißt es mich sofort aus der Immersion. Da stellt sich mir doch glatt die Frage: Was soll der Quatsch dann noch?

Die Zuschauer für Easter Eggs zu sensibilisieren war meines Erachtens ein Fehler, an dem auch sie selbst einen gehörigen Anteil hatten. Aber warum kann denn ein Film nicht mehr ohne auskommen? Auf mich muten sie jedenfalls nur noch wie Trophäen an, für die man sich rühmen darf, oder als eigennützige Content-Gelegenheiten für Artikel, um die frohe Easter-Egg-Kunde im Netz zu verbreiten. Mit den Figuren, den Geschichten oder den fantasievollen Designs haben sie aber meines Erachtens herzlich wenig zu tun.

Deshalb fordere ich: Konzentrieren wir uns einfach wieder auf das Wesentliche – und bitte Disney, lasst die Easter Eggs einfach sein.

"Onward: Keine halben Sachen" ist seit dem 5. März 2020 in deutschen Kinos zu sehen. Hier ist der Trailer: