Martin Scorsese hat es mit der Finanzierung seiner Filmprojekte aktuell nicht leicht. Erst dauert es geschlagene 26 Jahre, bis der 74-Jährige sein Herzensprojekt "Silence" umsetzen kann und jetzt lässt ihn Paramount bei der Realisierung von "The Irishman" hängen. Zu riskant sei der Produktionsfirma der 100 Millionen Dollar schwere Thriller gewesen, berichtet ein Insider. Doch glücklicherweise gibt es mit Netflix einen neuen Player auf dem Filmmarkt. Der millionenschwere VoD-Riese hat sich jetzt die Rechte an dem Gangsterfilm, in dem Robert De Niro die Hauptrolle übernehmen soll, gesichert. 2019 soll die Romanadaption von Charles Brandts Buch "I Heard You Paint Houses" weltweit über die Video-on-Demand-Plattform veröffentlicht werden.

Darum geht es in "The Irishman"

Der Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa, der Kontakte zur Cosa Nostra unterhielt, verschwindet am 30. Juli 1975 spurlos in Detroit. Sieben Jahre später erklärt man ihn für tot. Der Schriftsteller Charles Brandt bringt den Auftragskiller Frank "The Irishman" Sheeran in seinem Thriller "I Heard You Paint Houses" mit dem mutmaßlichen Mord in Verbindung. Martin Scorseses Adaption baut darauf auf und erzählt die mafiöse Geschichte des titelgebenden Auftragsmörders "The Irishman".

Wie gemacht für den Oscar-Preisträger, der seit "Taxi Driver" (1976), spätestens aber seit "Good Fellas" (1990), "Gangs of New York" (2002) und "Departed" (2006) als Spezialist für Mafia-Stoffe gilt. Altbewährt ist auch die Zusammenarbeit zwischen Regisseur und seinem kolportierten Hauptdarsteller: Robert De Niro hat in etlichen Scorsese-Filmen eine zentrale Rolle übernommen. In diesem soll das Äußere des 73-jährigen New Yorkers per CGI auf ein 30-jähriges Ich getrimmt werden.

Netflix mischt den Filmmarkt auf

Möglich ist das alles nur, weil Netflix bereitwillig den Filmpaten gibt. Nicht das erste Mal, dass größere Produktionsfirmen von Projekten Abstand nehmen, die Netflix anschließend mit Kusshand nimmt - auch außerhalb des Seriensegments. Das prominenteste Beispiel ist wohl das Kriegsdrama "Beasts of No Nation" (2015) vom gefeierten "True Detective"-Regisseur Cary Joji Fukunaga. Die internationalen Vertriebsrechte für die mit Idris Elba prominent besetzte Geschichte um einen Kindersoldaten konnte sich Netflix für rund zwölf Millionen US-Dollar auch aufgrund mangelnder Konkurrenz sichern.

Die mittel- bis langfristige Strategie des Streaming-Giganten ist es, das eigene Portfolio mit Exklusivproduktionen aufzuschönen und damit auch dem Kino Konkurrenz zu machen. So veröffentlichte Netflix "Beasts of No Nation" in einigen Filmpalästen, womit durch die gleichzeitige VoD-Verfügbarkeit das traditionell exklusiv den Kinos zustehende Auswertungsfenster von 90 Tagen entfiel. Die vier größten amerikanischen Kinoketten boykottierten daraufhin den Film. An diesem Beispiel lässt sich ablesen, wie erbittert der Kampf zwischen Streaming und Kino mittlerweile geworden ist. Netflix fühlt sich in der Position wohl und geht sogar noch einen Schritt weiter.

Wann gewinnt Netflix den ersten Oscar?

Netflix möchte so schnell wie möglich an der schillernden Bühne des größten Filmpreises der Welt partizipieren. Dafür bedarf es das Kino, denn die Statuten der Academy besagen, dass ein Awardfilm mindestens eine Woche lang im Kino gelaufen sein muss, um nominiert werden zu können. Zweimal griffen Netflix-Produktionen schon nach dem Goldjungen: Die Dokumentationen "The Square" (2013) und "Virunga" (2014) waren jeweils in der Kategorie "Beste Dokumentation" nominiert.

Das sechs Millionen teure "Beasts of No Nation" schaffte es lediglich zu den Golden Globes und auch der liebenswerte Film "Tallulah" mit Ellen Page in der Hauptrolle wurde zwar beim Sundance Filmfestival gespielt, lieferte Netflix aber keine Trophäen ins Haus. Dennoch dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Macher einer Netflixproduktion an einem späten Februarabend lächelnd die prestigeträchtigste Bühne Los Angeles betreten.

Autor: Steven Sowa

Am 2. März kommt Scorseses "Silence" in die Kinos