Er hat ein Faible für feines Tuch, schöne Frauen und Schweinebraten. Zeki Demirbilek (Tim Seyfi) stammt aus Istanbul. Er fühlt sich aber längst als Münchner und ist dank eindrucksvoller Physiognomie prädestiniert für den Job des Schnüfflers. Das hat man auch in der Behörde erkannt und den Multikulti-Ermittler zum Chef des Sonderdezernats "Migra" ernannt. Nun dürfen ihm die dickdreisten Kollegen Mordopfer nach rassistischen Kriterien zuschanzen: "Neger is der zwoa kaner, aber eher dunkel!"

Willkommen in Fernsehdeutschland 2017. Mit der schnurrigen Krimiverfilmung "Kommissar Pascha" (16. 3, 20.15 Uhr) macht die ARD dem Publikum ein neu abgeschmecktes Angebot: einen säkularen Muslim im gehobenen Beamtendienst, konservativ und leicht melancholisch. Vorurteilen begegnet er mal zornig, mal seufzend - Demirbilek hat keine Lust, die Schlachten von gestern erneut zu schlagen.

Abgerundet wird das Panoptikum der Integration durch Demirbileks Sidekicks: die übereifrige Isabel Vierkant, die osmanische Gebräuche wie Vokabeln lernt, die zupackende Deutschtürkin Jale Cengiz und den verbohrten Kollegen Pius Leipold.

Zugegeben, die Kombi hört sich nach Reißbrett an, sie ist aber für manchen Schmunzler gut. "Kommissar Pascha" ist weiß Gott kein Gesellschaftskrimi, aber ein klein bisschen wagemutig ist dieses Personal schon angesichts der Islamophobie, die gerade von Pegida und Co. salonfähig gemacht werden soll. Deshalb wohl setzt die Inszenierung auf Volkstümlichkeit. Der Film verulkt all jene Stereotypen, die deutsch-türkische Akteure in Film und Fernsehen bislang abgaben. Oder abgeben mussten.

Vom Opfer zum Täter zum Cop

Die Schwierigkeiten, mit denen die interkulturelle Fiktion zu kämpfen hat, lässt sich an ihrer Geschichte ablesen. Der allererste deutsch-türkische Kinofilm, Tevfik Basers "40 Quadratmeter Deutschland", entstand 1985, 25 Jahre nach Ankunft der ersten "Gastarbeiter". Er zeichnete ein archaisches Bild: eine Ehefrau, die von ihrem anatolischen Mann gleichsam gefangen gehalten wird. Ein schockierender Symbolfilm über eine verborgene Parallelgesellschaft, der zugleich über Jahre das medial vermittelte Bild der in Deutschland lebenden Türken prägen sollte: Sie waren hier noch nicht angekommen. Sie waren Opfer.

In den Neunzigern begannen die Deutschtürken der zweiten Generation, ihr komisches Potenzial zu entfalten. Hilmi Sözer startete seine imposante Karriere, die ihn vom "Ballermann 6" über den "Schuh des Manitu" bis hin zur Filmkunst führte ("Jerichow" von Christian Petzold). Ende der Neunziger erfand der deutsche Comedian John Friedmann den Türkproll "Erkan". Kurz darauf zeigte "Kanak Attack" den Deutschtürken als tragikomischen Gangsta, der rabiat gegen das Opfersein aufbegehrt.

Dann der künstlerische Meilenstein: Fatih Akins "Gegen die Wand" (2004, mit Sibel Kekilli) schilderte Identitätskrisen mit authentischer Wucht. Einerseits bestätigte der Film Vorurteile gegen deutsch-türkische Milieus, andererseits rebellierten seine tragischen Helden gegen die ihnen hier zugedachten Rollen. In der Folge bewies die ARD-Serie "Türkisch für Anfänger" (2006-2008) die Mainstreamtauglichkeit des Themas. Der schockierende Fernsehfilm "Wut" (2006, mit Oktay Özdemir) illustrierte wiederum die Angst des liberalen Bürgertums vor brutalen Migrantenkids.

Quantitativ gibt es immer mehr zu tun für deutschtürkische Mimen. Eine TV SPIELFILM-Sichtung ergibt, dass sie immer häufiger besetzt werden: anno 2000 in 21 von 221 Filmen (9,5 Prozent), 2016 waren es 36 Rollen in 249 Filmen (14,5 Prozent). Traurigerweise trug das aktuelle Fernsehdrama "NSU: Die Opfer" nicht wenig dazu bei.

Hauptrollen bietet ihnen heute vor allem die öffentlich-rechtliche Telepolizei. Erol Sander ist unser weichgespülter "Kommissar in Istanbul", Sibel Kekilli ermittelt im Kieler "Tatort", Aylin Tezel ist eine feste Größe im Dortmunder "Tatort"-Team, Fahri Yardim die bessere "Tatort"-Häfte von Til Schweiger. Man kann also sagen: In der Primetime haben sie es vom Opfer über den Täter bis zum Repräsentanten oder "Organ" des Staats gebracht.

Aus Filmen über sind Filme mit Deutschtürken geworden, deren Wurzeln langsam nur noch den Migrationshintergrund abgeben. Klagen von Schauspielern mit türkischen Wurzeln, ihnen würden meist nur ethnisch vorbelastete Rollen angeboten, dürften hoffentlich weniger werden. Das wird auch den Mann erleichtern, den die meisten für den größten deutschtürkischen Star halten: Elyas M''Barek. Doch Achtung: Der "Fack ju Göhte"-Liebling hat einen tunesischen Vater. Und eine österreichische Mutter.
Autor: Kai Nungesser