Was war das bitte? Als Jake Gyllenhaals Adam in das Schlafzimmer der Frau seines Doppelgängers Anthony tritt erwartet man vieles, nur nicht, dass wir dort statt Helen (Sarah Gadon) eine riesige Spinne vorfinden, die sich ängstlich zurückzieht. Danach kommt der Abspann, wir werden mit einem der fiesesten "What the Fuck"-Momente der jüngeren Filmgeschichte alleine gelassen.
An den Anfang seines grandiosen, unterschätzten Psychodramas setzt Regisseur Denis Villeneuve ("Arrival") die Textzeile "Chaos ist Ordnung, jedoch unentschlüsselt". Versuchen wir uns also an einer "Entschlüsselung". Für Villeneuve ist die Story von "Enemy" übrigens "ganz, ganz einfach. Die Geschichte eines verheirateten Mannes ist das".
Es fällt nicht schwer, den introvertierten Geschichtsdozent Adam und dem lockeren Schauspieler Anthony als zwei Seiten derselben Person zu sehen, ebendiesem Ehemann. Der Doppelgänger (so heißt auch die Romanvorlage von Nobelpreisträger Jose Saramago) ist seit Jahrhunderten ein beliebtes Motiv der Literaturgeschichte um die Zerrissenheit des Menschen auszudrücken, die Spannung zwischen Vernunft und Instinkt, zwischen Natur und Kultur etc. Ganz so einfach wie er behauptet macht es uns Villeneuve aber auch wieder nicht. Es wird beim ihm nicht ganz klar, wer von Adam/Anthony das "Original" und wer der Doppelgänger ist und wer welche Seite der Person verkörpert.
Zunächst wird die Geschichte aus der Sicht von Unidozent Adam erzählt, der vom identisch aussehenden Schauspieler Anthony fasziniert ist, weil der ihm ein Leben jenseits seines Alltags verspricht, der aus lauter Wiederholungen besteht. In der Mitte switcht der Fokus auf Anthony und Adam ist jetzt der andere, der sich in sein, Anthonys Leben drängt. Allerdings ist Anthony aber scharf auf Adams Geliebte Mary (Melanie Laurent), mit der er aus dem Leben mit seiner schwangeren Frau ausbrechen will.
Doch zurück zur Schlussszene. Die Spinne kommt natürlich überraschend, aber auch folgerichtig. Schließlich ziehen sich Spinnen symbolisch durch den ganzen Film, mal mehr (z.B. als Duschvorgang in Spinnennetzoptik) mal weniger subtil (eine Riesenspinne stakst über Toronto).
Meistens sind die Spinnen mit Frauen verknüpft. In einer rätselhaften Sequenz am Anfang besucht Adam/Anthony eine Sexshow, bei der eine Frau mit High Heels eine Spinne zertritt (so was gibt es anscheinend wirklich, Stichwort Crush-Fetisch). Dann läuft (in einem Traum?) eine Frau mit Spinnenkopf an Adam/Anthony vorbei.
Nicht nur Adam/Anthony ist gespalten, wie diese Szenen suggerieren, sondern auch sein Verhältnis zu Frauen. Nach dem klassischen psychologischen Schema teilt er sie in Heilige (die mütterliche Helen) und Hure (die scharfe Mary) ein. Die Spinne wurde von vielen Kritikern als Verkörperung des mütterlichen Teils der Frau gesehen. In dieser Funktion taucht die Spinne auch immer wieder in Mythen und Märchen auf. Die attraktive Frau, die in der Anfangssequenz die Vogelspinne ertritt, verkörpert dann eher die weibliche Sexualität.
Während in der ersten Szene die sexuell aktive Frau die Spinne zerstört scheint es später, als Adam/Anthony die Frau mit dem Spinnenkopf sieht, als wären die Anteile der Hure und der Heiligen im Frauenbild von Adam/Anthony einigermaßen im Gleichgewicht.
Gegen Ende vertauschen sich die Rollen nochmal. Adam und Anthony tauschen heimlich unter sich die Partnerinnen (was man als Doppelgänger halt so macht). Der unstete, sich aber nach Solidität sehnende Adam gekommt die häusliche Mutter, der in der Ehe gefangene, auf Abwechslung hoffende Anthony die unverbindliche Geliebte. Eine Konstellation, die passender klingt als die Beziehungslage. Und tatsächlich scheint am Ende alles gut zu werden. Anthony und Mary sterben bei einem Autounfall, der unstete, irrationale Teil unseres Helden scheint abgetötet. Adam könnte jetzt friedlich mit Helen zusammenleben. Doch er findet einen Schlüssel, der ihm Zutritt zu einer dieser erotischen Crushingshows, die wir vom Anfang kennen, verleihen könnte. Adam will sich für den Abend von seiner Frau verabschieden, um weiter seiner dunklen Leidenschaft zu frönen. Doch dann findet er nur die verängstigte Riesenspinne vor.
Alles klar? Lassen wir das letzte Wort der Helen-Darstellerin Sarah Gadon: "Ich glaube, die Spinne ist eine physische Erscheinung seiner Angst vor weiblicher Intimität. An der Stelle im Film, wo er in der Lage ist, einer Frau nahe zu sein, rastet er aus, und plötzlich werde ich zum Symbol seiner größten Angst."
Autor: Sebastian Milpetz
Meistens sind die Spinnen mit Frauen verknüpft. In einer rätselhaften Sequenz am Anfang besucht Adam/Anthony eine Sexshow, bei der eine Frau mit High Heels eine Spinne zertritt (so was gibt es anscheinend wirklich, Stichwort Crush-Fetisch). Dann läuft (in einem Traum?) eine Frau mit Spinnenkopf an Adam/Anthony vorbei.
Nicht nur Adam/Anthony ist gespalten, wie diese Szenen suggerieren, sondern auch sein Verhältnis zu Frauen. Nach dem klassischen psychologischen Schema teilt er sie in Heilige (die mütterliche Helen) und Hure (die scharfe Mary) ein. Die Spinne wurde von vielen Kritikern als Verkörperung des mütterlichen Teils der Frau gesehen. In dieser Funktion taucht die Spinne auch immer wieder in Mythen und Märchen auf. Die attraktive Frau, die in der Anfangssequenz die Vogelspinne ertritt, verkörpert dann eher die weibliche Sexualität.
Während in der ersten Szene die sexuell aktive Frau die Spinne zerstört scheint es später, als Adam/Anthony die Frau mit dem Spinnenkopf sieht, als wären die Anteile der Hure und der Heiligen im Frauenbild von Adam/Anthony einigermaßen im Gleichgewicht.
Gegen Ende vertauschen sich die Rollen nochmal. Adam und Anthony tauschen heimlich unter sich die Partnerinnen (was man als Doppelgänger halt so macht). Der unstete, sich aber nach Solidität sehnende Adam gekommt die häusliche Mutter, der in der Ehe gefangene, auf Abwechslung hoffende Anthony die unverbindliche Geliebte. Eine Konstellation, die passender klingt als die Beziehungslage. Und tatsächlich scheint am Ende alles gut zu werden. Anthony und Mary sterben bei einem Autounfall, der unstete, irrationale Teil unseres Helden scheint abgetötet. Adam könnte jetzt friedlich mit Helen zusammenleben. Doch er findet einen Schlüssel, der ihm Zutritt zu einer dieser erotischen Crushingshows, die wir vom Anfang kennen, verleihen könnte. Adam will sich für den Abend von seiner Frau verabschieden, um weiter seiner dunklen Leidenschaft zu frönen. Doch dann findet er nur die verängstigte Riesenspinne vor.
Alles klar? Lassen wir das letzte Wort der Helen-Darstellerin Sarah Gadon: "Ich glaube, die Spinne ist eine physische Erscheinung seiner Angst vor weiblicher Intimität. An der Stelle im Film, wo er in der Lage ist, einer Frau nahe zu sein, rastet er aus, und plötzlich werde ich zum Symbol seiner größten Angst."
Autor: Sebastian Milpetz