Bei Kritikern fiel der Film zwar durch, die meisten Zuschauerreaktionen im Netz waren aber überraschend positiv – und wer Fan von Will Smith und seinem Schauspiel ist, der kam 2019 im Kino an "Gemini Man" nicht vorbei. In dem Actionthriller des erfolgreichen Regisseurs Ang Lee ("Brokeback Mountain", "Life of Pi") spielt Will Smith einen Ü50-jährigen Profikiller namens Harry Brogan, der kurz vor seinem Ruhestand sich plötzlich auf die Flucht begeben muss, als ein junger und bestens ausgebildeter Kollege auf ihn angesetzt wird, der knapp 30 Jahre jüngere Junior – auch gespielt von Will Smith.
Es handelt sich bei Junior nämlich um Harrys Klon, der genau wie ein Mensch ganz normal altert und jetzt sein Original ersetzen soll. Und so kommt es in "Gemini Man" mehrfach zu Szenen, in denen Will Smith gegen Will Smith kämpft. Um das umzusetzen, waren mehrere beeindruckende Tricks nötig.
Der doppelte Will Smith: Die Tricks von "Gemini Man"
Selbst die negativsten Kritiken zu "Gemini Man" mussten zugeben, dass die Spezialeffekte eine unglaubliche Leistung erzielten. Der junge Will Smith sah absolut überzeugend aus. Die Effekte übertrafen alles, was man bis dato an "Verjüngungen" im Kino gesehen hatte. So gelungen es beispielsweise im Superheldenblockbuster "Captain Marvel" war, Samuel L. Jackson um 30 Jahre zu verjüngen oder so überzeugend der junge Robert De Niro im Mafiaepos "The Irishman" auch wirkte – zu 100 Prozent funktionierten diese Tricks zuvor nie. Irgendwie erkannte man dann doch so gut wie immer den Computereinsatz dahinter. Und "Captain Marvel" und "The Irishman" erschienen im selben Jahr wie "Gemini Man".
Bei diesen Filmen hatte man Samuel L. Jackson und Robert de Niro ganz normal ihre Szenen drehen lassen, und dann mit Computertricks ihr Gesicht aufwendig bearbeitet. Falten wurden entfernt, die Haut gestrafft etc. In "Gemini Man" ging man dafür einen anderen Weg. Der junge Will Smith ist kein digital verjüngter Schauspieler, sondern von Grund auf eine computeranimierte Figur. Statt bestehendes Material zu animieren, hat Spezialeffekt-Genie Stuart Adcock mit seinem Team einen "neuen Schauspieler" aus dem Nichts erschaffen.
Ist "Gemini Man" mit Will Smith die Zukunft Hollywoods?
Für diese umso aufwendigere Technik entschied man sich deshalb, da es im Film zu viele Szenen gibt, in denen die beiden Will Smiths direkt miteinander interagieren – und er somit nur schwierig beide Rollen hätte spielen können. Dennoch sind Will Smith und sein Talent in den digitalen Junior eingeflossen. Smith spielte jede Junior-Szene vorab in einem extra gebauten Studio per Motion-Capturing-Verfahren, was bedeutet: Spezielle Kameras zeichneten jede seiner Gesichtsregungen auf und erzeugten von ihr eine digitale Kopie. So konnte später auf den digitalen Will Smith die Mimik des echten Will Smith übertragen werden. Im Grunde ist es genau die Technologie, mit der Andy Serkis in den "Der Herr der Ringe"-Filmen den Gollum spielte. Man hätte Will Smiths mimische Arbeit nämlich prinzipiell auch auf jedes andere digital erzeugte Gesicht packen können.
Ist "Gemini Man" damit der Beginn einer neuen Ära? Bislang wurde Motion-Capturing hauptsächlich für nicht-menschliche Charaktere eingesetzt, wie eben Gollum oder die Affen in der jüngsten "Planet der Affen"-Trilogie. Dass es nun aber möglich ist, dermaßen glaubwürdig und für das Auge nicht zu erkennen einen Schauspieler komplett am Computer zu basteln und ihn dann mit echtem Schauspiel-Material anzureichern, könnte in einigen Jahren für ganz neue Möglichkeiten im Kino sorgen. Aktuell ist die Technologie noch sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden, doch der technische Fortschritt in diesen Bereichen schreitet rasant voran. Schon bald könnte es so möglich sein, dass in Filmen gänzlich fiktive Schauspieler auftreten oder für biografische Spielfilme Stars in Rollen längst verstorbener Menschen schlüpfen, die von ihren realen Pendants nicht mehr zu unterscheiden sind.
Auch wenn also nicht jeder "Gemini Man" gelungen findet: Ein Blick in den Film lohnt sich – und wenn nur, um einen ersten Eindruck der möglichen Zukunft des Kinos zu erlangen.