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Wie groß kann ein Horrorfilm eigentlich werden, ohne dass es zu Problemen führt? In puncto Erfolg spielt das eigentlich so gut wie keine Rolle. Filme wie "Blair Witch Project" oder "Paranormal Activity" sind aufgrund ihres geringen Budgets Meilensteine in Sachen Rentabilität, die zudem auch das Publikum zu ängstigen wissen. Den Vogel schoss aber 2017 "Es" ab, denn die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Stephen King avancierte zum erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten. Mit "Es Kapitel 2" erscheint nun die Fortsetzung, mit der die Handlung der Buchvorlage zu Ende erzählt wird. Diese ist größer, lauter, länger – aber damit auch besser?
"Es Kapitel 2": Die Story
"Es Kapitel 2": Mehr Schocker bedeuten nicht automatisch mehr Grusel
Wie eingangs schon angedeutet wirkt an "Es Kapitel 2" so ziemlich alles eine ganze Nummer größer als noch beim Vorgänger: Die Laufzeit nimmt mit 165 Minuten geradezu epische Ausmaße an und mit Stars wie James McAvoy ("Split"), Jessica Chastain ("Zero Dark Thirty") und Bill Hader ("Barry") fällt auch die Besetzung prominenter aus. Auf dem Papier wird also geklotzt und auch dramaturgisch wollen sich Regisseur Andy Muschietti und Drehbuchautor Gary Dauberman nicht lumpen lassen:
Gleich zu Beginn werden Puls und Gewaltgrad hochgeschraubt und auch über die gesamte restliche Dauer des Films bleibt der Plot zuverlässig ereignisreich. Viel Leerlauf entsteht so nicht, zahlreiche Rückblenden schließen inhaltliche Lücken zum Vorgänger, das formidabel zusammengestellte Ensemble spielt sehr gut auf und hält einen auch dann bei der Stange, wenn es dialoglastig wird oder es zu einer längeren Schnitzeljagd auf der Suche nach persönlichen Artefakten geht. Doch die schiere Masse an gruseligem Material entpuppt sich als Problem: Was theoretisch wie eine simple Addition von Länge, Effekten und Schockern wirkt, entwickelt sich in Wahrheit zu einer Subtraktion, bei der ausgerechnet die Effektivität abgezogen wird.
Der Horror als Opfer des Spektakels
Denn über die volle Dauer kann sich der Schrecken und damit der vordergründige Reiz von "Es Kapitel 2" gar nicht mehr steigern. Die Quantität und Frequenz an Jump-Scares haben mächtig zugelegt, aber durch das gleichbleibende Niveau nutzt sich die Qualität beim Schauen merklich ab. Paradoxerweise bleibt trotz der Lauflänge nämlich keine Zeit – für die Etablierung echter, unheimlicher Spannung, bei der man sich am Sitz festkrallt. So drischt die plötzlich lauter werdende Tonspur regelrecht und regelmäßig auf einen ein, bis man den nächsten Überraschungseffekt meilenweit gegen den Wind riecht. Dass besonders in der Mitte eine Reihe von Sequenzen erzählerisch quasi identisch abläuft (das war auch schon im Vorgänger der Fall), verstärkt nur die Vorhersehbarkeit.
So macht das Schaudern der eigenen Neugier darüber Platz, nicht etwa wann der nächste Schock um die Ecke kommt, sondern vor allem wie: In Bezug auf scheußliche Designs werden jedenfalls alle Register gezogen, zuhauf geben sich ekelerregende Wesen die Klinke in die Hand und man wird sogar in einer Szene an John Carpenters "Das Ding aus einer anderen Welt" erinnert. Dem visuellen Einfallsreichtum zuzuschauen, macht jede Menge Spaß und tröstet zumindest in Teilen über andere Mängel hinweg. Doch wenn im Showdown zu "Es Kapitel 2" die Bedrohung und das Effektegewitter monströse Ausmaße annehmen, droht der Film unter seiner eigenen Größe zu zerbrechen. Die Buchverfilmung ist so sehr modernes Blockbuster-Kino, wie es wohl ein Horrorfilm nur sein kann – teure, tolle Schauwerte, statt Explosionen gibt es laute Schockmomente, doch das teils beabsichtigt, teils unfreiwillig komische Spektakel übertüncht die Atmosphäre.
Fazit: Wer mehr "Es" erwartet, wird bei "Es Kapitel 2" durchaus auf seine Kosten kommen. Doch der produktionstechnisch eindrucksvollen Jump-Scare-Dauerparade geht mit der Zeit ordentlich die Puste aus.