Nur wenige Minuten von der Londoner Waterloo-U-Bahnstation entfernt befindet sich das The Vaults genannte Gewölbe, in dem immersive Theaterdarbietungen und alternative Kunstformen angeboten werden. Schon vor dem Betreten des Geländes bekomme ich es mit der Angst zu tun, denn alles wurde im Stil von "Es Kapitel 2" umdekoriert, dem neuen Horrorfilm nach Vorlage von Stephen King. Authentisch wirkende Plakate verkünden das "Derry Canal Days Festival" und einen Auftritt von Pennywise, dem tanzenden Clown. Wenn ich mir dieses hässliche Gesicht mit der abnormal hohen Stirn so anschaue, möchte ich am liebsten den nächstbesten Flieger zurück nach Deutschland nehmen. Aber ich habe einen Job zu erledigen – ich muss mich dem Bösen stellen.

"Es Kapitel 2" originalgetreu nachgebildet

Im Inneren werde ich zunächst in eine kleine Vorhalle gelotst, an deren Ende ein riesiges Clownsgesicht mit weit geöffnetem Mund zu echtem Horror einlädt. Vorher darf ich mich aber noch an ein paar Jahrmarktsständen ausprobieren – ganz wie im Film: Beim Entenangeln versage ich komplett, allerdings bringe ich beim nächsten Spiel mit einer Wasserpistole einen Ballon erfolgreich zum Platzen und sichere mir so einen lilafarbenen Plüschhund (im Büro haben wir ihn Bananas getauft).

Danach geht es durch den Schlund des Clowns, vorbei an hin und her schwingenden Figuren mit finsterer Miene zu unheimlicher Orgelmusik. Noch finde ich das alles eher witzig als schockierend:

Gut aufgelegte Schauspieler

Herauskommen tue ich in einer weiteren Halle, in der das unheimliche Haus aus beiden "Es"-Filmen originalgetreu nachgebaut wurde. Davor stehen die Fahrräder der jungen Figuren, wie Kenner bemerken und an dieser Stelle ist es uns ein letztes Mal gestattet, die Handys zu zücken und ein paar Fotos zu machen. Gesagt, getan – dann beginnt die wahre Show. Aus dem Haus kommen zwei Schauspieler, die ganz aufgebracht mich und andere Besucher über die schrecklichen Vorkommnisse der jüngsten Zeit unterrichten: Mehrere Kinder sind spurlos verschwunden!

Gemeinsam betreten wir das Haus, wo ein dunkler Gang uns zu den drei aus den Filmen bekannten Türen führt: "Gruselig", "sehr gruselig" und "überhaupt nicht gruselig" steht auf ihnen geschrieben. In drei Schlangen werden wir dann vor den verschiedenen Eingängen aufgereiht und auf Anweisung reingeschickt. Manche gehen zu zweit oder zu dritt rein, einige müssen sich dem Grauen ganz allein stellen – so wie ich!

Allein mit dem Killerclown

Sehe ich etwa so mutig aus? Oder warum werde ich als einziger durch die "überhaupt nicht gruselige" Tür geschickt? Dahinter verbirgt sich jedenfalls ein unheimlich ausgestattetes Kinderzimmer, in dessen Mitte ein Tisch steht. Darauf befindet sich eine Spielzeugbox mit einer Kurbel. "Dreh mich langsam", weist mich ein Zettel an. Mir bleibt keine andere Wahl, denn vorher komme ich hier nicht heraus. Während ich die Kurbel drehe, ertönt eine unheimliche Melodie aus der Box. Mein Puls rast immer schneller und plötzlich springt ein kleiner Spielzeug-Clown aus der Box! Die Lichter fangen wie wild an zu blinken, lautes Donnern ertönt! Verängstigt stolpere ich orientierungslos durch den Raum und dann…

…springt mich mit lautem Gebrüll ein echter Killerclown an!

Einen Urschrei ausstoßend springe ich zurück und reagiere gerade noch schnell genug, um mir nicht in die Hosen zu machen. Dann sackt der Clown zu Boden und kriecht noch ein wenig auf mich zu. Langsam sammle ich mich wieder und frage, wo er denn nur herkommt (ja, offensichtlich würde ich im Ernstfall ein nettes Gespräch mit meinem Mörder anfangen). Dann suche ich einen Weg nach draußen, aber die Tür mit der Aufschrift "Ausgang" lässt sich irgendwie nicht öffnen. "Auuuuussgaaang" stöhnt der jetzt hilfsbereite Mörder mit Schminke im Gesicht und ich Trottel musste nur drücken und nicht ziehen – ich schieb's mal auf die Panik. Danke, Herr Clown!

Im Herzen der Finsternis

Die anderen Gäste haben schon auf mich gewartet und an einem großen runden Tisch Platz genommen. Es gibt Glückskekse, die jetzt genau das Richtige sind, um noch ein wenig Energie für das große Finale zu tanken. Wie im Film ist die darin enthaltene Botschaft allerdings nicht sehr aufbauend: "Er kommt, er kommt, er kommt", steht auf meinem Zettel. Sogleich müssen wir uns Walkman-Imitate mit Kopfhörern aufsetzen, damit wir nicht nur die Anweisungen unseres Guides immer klar hören können, sondern auch um die unheimliche Geräuschkulisse wahrnehmen zu können, die ertönt.

Dann werden uns Taschenlampen ausgehändigt und es geht noch tiefer in das Gelände, vorbei an Vermisstenanzeigen, zerfetzten Puppen und sonstigem Müll. Es ist stockduster. Unterdessen wird uns ein wenig über die fiktionale Geschichte der Kanalisation von Derry erzählt, als wir dann eine letzte Halle betreten, die völlig vermüllt ist. Ein wenig noch lassen wir unsere Lichtkegel durch den großen Raum wandern, doch dann knallt es auf der Tonspur und alle Taschenlampen gehen aus! Für einen kurzen Moment kann ich nicht einmal die Hand vor meinen Augen sehen und ich rechne schon damit, dass ich geschnappt werde. Zum Glück geht das Licht von unserem Guide wieder an. "Ok Leute, ich weiß nicht, was los ist, aber wir finden schon einen Weg hier heraus." Dicht gedrängt versammeln wir uns um die einzige noch verbliebene Lichtquelle.

"Sind alle da? Haben wir auch niemanden verloren?" Unser Guide strahlt mit der Taschenlampe umher, unsere Augen folgen dem Licht. Plötzlich läuft ein kleines Kind im gelben Regenmantel ruhigen Schrittes quer durch die Halle – ist das nicht der tote Georgie?

"Äh, hallo? Wer sind Sie denn?"

Pennywise kommt!

Etwas Unheilvolles liegt in der Luft, das Donnern und Poltern in unseren Ohren wird immer lauter. Ein rotes Licht blitzt auf und offenbart einen Schatten an der Wand mit einer sehr bekannten Silhouette, doch sogleich ist es wieder dunkel.

"Okay Leute, irgendetwas stimmt hier nicht, wir müssen hier weg!"

Unser Guide klingt jetzt regelrecht panisch, die Taschenlampe beginnt zu flackern, ausgerechnet jetzt! Dann herrscht wieder Dunkelheit. Für nur wenige Sekunden, die sich aber in diesem Moment wie eine Ewigkeit anfühlen. Irgendwo ist es hier mit uns in dieser Halle. Die Manifestation des absolut Bösen lauert uns auf – aber wo? Dann geht das Licht wieder.

Und auf einmal steht Pennywise direkt vor uns! Sein aufgerissener Mund offenbart grausige Zähne, die einen Menschen mühelos zerfleischen können und er streckt seine Arme laut und hysterisch lachend nach uns aus, bereit einen nach dem anderen zu töten. "Rennt Leute, rennt!" Hals über Kopf stürzen wir in die andere Richtung, wo sie eine Tür geöffnet hat, der Ton auf unseren Kopfhörern reißt plötzlich ab und für einen kurzen Moment nehm ich alles nur ganz dumpf und unwirklich wahr – bis auf das heftige Schlagen meines Herzens. Nur wenige Meter weiter ist der Spuk dann wieder vorbei und wir dürfen unsere Ausrüstung in Spinden ablegen. In einer Schranktür hat sich noch ein letzter Clown versteckt, der für einen letzten Schock sorgt.

Im folgenden Promoclip gibt es einige zusätzliche bewegte Eindrücke von dem Erlebnis zu sehen:

Wenig später befinde ich mich wieder auf den Straßen von London und fühle mich wie ein kleines, von Gänsehaut überzogenes Häufchen Elend und bin froh, meine Begegnung mit Pennywise überlebt zu haben. Eine wahnsinnig aufregende Erfahrung war das, die ich aber so ganz sicher nicht noch einmal erleben möchte. Da setze ich mich doch lieber in einen gemütlichen Kinosessel, wie so viele Filmfreunde aktuell. "Es Kapitel 2" läuft seit dem 5. September 2019 in deutschen Kinos.