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Disney vs Grimm: So verstörend waren die Vorlagen der Disney-Filme

Aus den Märchen der Gebrüder Grimm hat Disney fünf Langfilme machen lassen: Schneewittchen, Aschenputtel, Dornröschen, Küss den Frosch und Rapunzel. Die Heldinnen müssen in den Filmen schreckliche Erlebnisse verarbeiten und teils verstörende Dinge tun. Die Vorlagen waren sogar noch deutlich härter.

"Erzähl mir keine Märchen!" gilt heute als ein Ausruf, der jemanden der Lüge bezichtigt. Dabei erzählt uns der erfolgreichste Filmkonzern der Welt - Disney - mit seinen Produktionen ständig Märchen. Viele davon stammen aus dem Hause Grimm. Das berühmte Bruderpaar Jacob und Wilhelm Grimm sammelte im 19. Jahrhundert mit ihrem Erzählband "Kinder- und Hausmärchen" volkstümliche Geschichten, die ihnen damals größtenteils von Frauen mündlich zugetragen wurden. Später dienten sie dem "Märchenonkel" Walt Disney als perfekte Grundlage, um abendfüllende Zeichentrickfilme daraus zu machen.

Das erste Disney-Märchen war "Schneewittchen" - ein Stoff der Brüder Grimm. Es war der erste Zeichentrickfilm überhaupt, der 1937 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. In der Folge dreht Walt Disneys Produktionsfirma Filme wie "Pinocchio" (1940), "Dumbo" (1941) oder "Bambi" (1942) - auch sie gelten heute als Kinderklassiker, stammen allerdings nicht aus dem Grimmschen Erzählkosmos. Erst 1950 war es mit der "Aschenputtel"-Verfilmung "Cinderella" wieder soweit, dass ein Märchen der Gebrüder Grimm auf die Leinwand kam.

Für den Mäusekonzern war die Zielgruppe stets klar: Sie wollten Geschichten für Kinder erzählen. Mit der Vermenschlichung der Tiere schufen sie eine Identifikationsmöglichkeit, die es so zuvor nicht gegeben hatte. Doch die Märchen der Gebrüder Grimm waren alles andere, als für Kinder gedacht. Die Grimm-Geschichten waren grimmig und für Erwachsene. Viele Märchen sind rückblickend betrachtet extrem verstörend. Das zeigt unser Disney-Grimm-Vergleich:

Schneewitchen

Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Parkland Verlag
Die Geschichte der Gebrüder Grimm ist durchaus skrupellos: Um sicherzugehen, dass Schneewittchen von dem Jäger getötet worden ist, verlangt sie als Beweis die Leber und das Herz des Mädchens, die sie außerdem verspeisen möchte. Der gutmütige Jäger servierte der eifersüchtigen Königin aber stattdessen die Organe eines Wildschweins.

Am Ende erwacht Schneewittchen nicht durch den Kuss des Prinzen, stattdessen lässt der Prinz nur ihren gläsernen Sarg fallen, woraufhin Schneewittchen das in ihrem Hals steckende Apfelstückchen wieder herauswürgt.

Die böse Stiefmutter bekommt am Ende auch noch ordentlich ihr Fett weg: Man zwingt sie, auf der Hochzeit von Schneewittchen und dem Prinzen auf glühenden Kohlen zu tanzen, bis sie Tod umfällt.
Disney: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Foto: Verleih
In der Walt Disney Version klingt die Geschichte gleich viel lieblicher: Die eifersüchtige Stiefmutter kann es nicht ertragen, dass Schneewittchen schöner und anmutiger ist als sie. Deshalb beauftragt sie einen Jäger, der dem Mädchen den Garaus machen soll. Der lässt das Mädchen jedoch aus Mitleid ziehen. Irgendwann stöbert die Stiefmutter Schneewittchen in einer Zwergen-WG auf und füttert sie mit einem vergifteten Apfel. Ein Kuss des Prinzen kann den Zauber aber brechen und Schneewittchen erwacht wieder zum Leben.

Aschenputtel

Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Parkland Verlag
Die Geschichte der Gebürder Grimm geht so: Damit sie in den gläsernen Schuh schlüpfen können, schneidet sich eine der Stiefschwestern den großen Zeh ab und die andere eine Ferse. Es ist ein märchenhafter Ruf der Tauben, der den Prinzen warnt und die Hochstaplerinnen auffliegen lässt. Doch der Prinz lässt die garstigen Schwestern nicht ohne Strafe davonkommen: Das böse Duo bekommt auf der Hochzeit von Aschenputtel und dem Prinzen die Augen ausgepickt - von einem Haufen wilder Tauben.
Disney: Cinderella
Foto: Verleih
Die Disney-Version liest sich dagegen harmlos: Auf der Suche nach der geheimnisvollen Schönen, die um Mitternacht abrupt den Ball verließ, lässt der Prinz in "Cinderella" von 1950 alle ledigen Frauen im Königreich den zurückgelassenen gläsernen Schuh anprobieren, um so die Besitzerin ausfindig zu machen. Cinderella wird von ihrer fiesen Stiefmutter eingesperrt, damit sie nicht an der Anprobe teilnehmen kann. Doch die riesigen Treter ihrer fiesen Stiefschwestern passen nicht in den zierlichen Pantoffel. Cinderella kann sich aus ihrem Gefängnis befreien und so doch noch das Herz des Prinzen gewinnen.

Dornröschen

Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts", Parkland Verlag
Jacob und Wilhelm Grimm schrieben das Märchen so: Der Märchenprinz küsst das schlafende Mädchen nach einem hundertjährigen Nickerchen wach. Doch es gibt auch eine Fassung aus dem 17. Jahrhundert - Grimms Märchen wurden vielfach umgeschrieben und neu aufgelegt - in der es martialisch zur Sache geht. In der Version "Sonne, Mond und Thalia" von Giambattista Basiles vergewaltigt der Prinz die Schlafende und macht sich aus dem Staub. Das Mädchen bringt noch im Tiefschlaf Zwillinge auf die Welt und erwacht erst, als ihre Tochter ihr den Dorn aus dem Finger saugt. Als Dornröschen den Vater ihrer Kinder auftreibt, muss sie feststellen, dass der Vergewaltiger inzwischen eine andere Frau geheiratet hat. Und diese ist derart eifersüchtig, dass sie Dornröschens Zwillinge kochen und zum Abendessen servieren lassen will.

Dagegen waren die Gebrüder Grimm wahrlich ein romantisches Duo.
Disney: Dornröschen
Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Parkland Verlag
Von der bösen Fee verflucht, fällt Aurora in dem Disney-Klassiker von 1959 nach einem Piekser an ihrer Spindel in einen tiefen Schlaf. Der tapfere Prinz Philip kämpft sich durch die dicke, seit einem Jahrhundert gewachsene Dornenhecke und weckt die Schlafende mit einem Kuss. Wenn man es so betrachtet, liegen die Disney-Version und die ursprüngliche Variante der Gebrüder Grimm gar nicht weit auseinander.
Erst der italienische Schriftsteller Giambattista Basiles hat die Geschichte mit seiner Variation verstörend bösartig werden lassen.

Der Froschkönig

Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Parkland Verlag
Die ersten Versionen von "Der Froschkönig" von Jacob und Wilhelm Grimm waren weit weniger romantisch, als es später bei Disney dargestellt wurde. Es war gar kein Kuss, der den Bann brechen konnte. In der Märchenvorlage musste der Frosch mit aller Kraft gegen eine Wand geklatscht werden, um sich zu verwandeln. In späteren Abwandlungen der Grimm-Geschichte musste das Tier auch verbrannt oder geköpft werden, um den bösen Zauber zu besiegen.
Disney: Küss den Frosch
Foto: Verleih
Modern und harmlos: Tiana braucht dringend Geld, um sich ihren Traum von einem eigenen Restaurant zu verwirklichen. Ausgerechnet in dieser Situation begegnet sie einem sprechenden Frosch, der sich als verzauberter Prinz vorstellt. Er bittet Tiana flehentlich, ihn zu küssen, dafür würde er ihr auch ihren größten Wunsch erfüllen. In ihrer Verzweiflung überwindet Tiana ihren Ekel vor Fröschen und küsst die schleimige Kreatur. Der Zauber wirkt, aber nicht so wie die beiden sich das vorgestellt haben. Mit dem Kuss verwandelt sich die junge Afroamerikanerin in ein Froschweibchen. Doch wie wir alle wissen, gibt es in Disney-Geschichten immer ein Happy-End. Dementsprechend findet auch das Froschpaar einen Retter, der sie aus ihrer grünen Gestalt befreit.

Rapunzel

Foto: Grimm Märchen mit 172 klassischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts, Parkland Verlag
Eine grausame Geschichte, die die Gebrüder Grimm mit einem versöhnlichen Ende versehen haben. Schon damals wusste man also offenbar, wie wertvoll ein "Happy-End" sein kann: Als die Hexe von der Beziehung zwischen Rapunzel und einem Prinzen erfährt, schneidet sie ihrer Ziehtochter die Haare ab und verbannt sie in die Wildnis. Anschließend verkleidet sie sich als Rapunzel und verhöhnt den verliebten Prinzen so sehr, bis er aus dem Turmfenster springt. In den Dornenbüschen verletzt er sich, erblindet halb und irrt fortan ziellos durch die Gegend.

(Im Gegensatz zu einigen anderen brutalen Märchen gibt es hier aber zumindest noch ein echtes Happy End: Der blinde Prinz hört zufällig den Gesang der verbannten Rapunzel und ihre Tränen heilen seine Augen.)
Disney: Rapunzel - Neu verföhnt
Foto: Verleih
Wegen ihres magischen Haares wurde Rapunzel in der neuesten Disney-Adaption eines Grimmmärchens bereits als Baby von der bösen Mutter Gothel entführt und in einen abgelegenen Turm gesperrt. Inzwischen ist Rapunzel 18 Jahre alt und ihr wallend blondes Haar hat eine stolze Länge von mehr als 20 Metern erreicht. Ihr größter Wunsch ist es, einmal die Welt da draußen zu erkunden. Die Chance hierzu klettert in Form des Diebes Flynn Rider durchs Fenster. Ihm luchst Rapunzel das Versprechen ab, sie durchs Land zu führen, als Gegenleistung soll er ein wertvolles Diadem erhalten. Bei ihrer abenteuerlichen Reise kommen sich der charmante Ganove und die unbedarfte Prinzessin unweigerlich näher, doch die brutalen Foltermethoden der bösen Stiefmutter bleiben aus.

Peter Pan, Cap und Capper, Eiskönigin und Co.

Der erfolgreichste Disneyfilm aller Zeiten, "Die Eiskönigin", basiert auf dem Buch "Die Schneekönigin". Es ist ein Kunstmärchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen. "Cap und Capper" hingegen ist gar kein Märchen, sondern ein Roman mit dem Titel: "Fuchsspur - Geschichte einer Feindschaft".

Bei "Peter Pan" ist es widerum anders: Hierbei handelt es sich um eine Hauptfigur einiger Kindergeschichten von James Matthew Barrie. Doch auch in diesen Vorlagen tauchen teils verstörende, mitunter brutale Schilderungen auf. So wird beispielsweise der Bruder von "Die Schneekönigin" von einem zersprungenen magischen Spiegel verletzt. Die Splitter treffen den Jungen ins Auge und ins Herz, welches augenblicklich zu einem Eisklumpen gefriert und ihn zu einem bösartigen Menschen werden lässt.

Doch wisst ihr was? Das ist eine andere Geschichte. Die werden wir euch zu einem späteren Zeitpunkt erzählen.