Berlin (dpa) - Beim Deutschen Filmpreis hat das Mädchendrama "Systemsprenger" gleich acht Auszeichnungen gewonnen, darunter die Goldene Lola für den besten Spielfilm. Regisseurin Nora Fingscheidt erzählt darin von einer Neunjährigen, die es anderen nicht leicht macht.
Sie gewann dafür eine Lola für Regie und Drehbuch - zugeschaltet aus der Ferne. Denn der Filmpreis wurde nicht bei einer Gala, sondern als Fernsehsendung im Ersten verliehen. Die Zuschauerzahl war so niedrig wie nie zuvor. Lediglich 0,52 Millionen (3,0 Prozent Marktanteil) sahen zwischen 22:34 Uhr und 01:00 Uhr zu. Im vergangenen Jahr waren noch etwa doppelt so viele Zuschauer dabei. Seit 2013 gab es bei ARD oder ZDF keinen Sendeplatz mehr vor 22 Uhr.
Prominente wurden diesmal aus ihren Wohnzimmern und Küchen eingeblendet. Die elfjährige Helena Zengel gewann für "Systemsprenger" die Lola als beste Hauptdarstellerin. Sie schrie vor Freude und bedankte sich bei ihrer Mutter: "Danke, Mama!"
Das Drama, das bereits auf DVD und bei Streamingdiensten zu sehen ist, war auch als deutscher Oscar-Beitrag ins Rennen gegangen. Es ist Fingscheidts erster abendfüllender Spielfilm. Gleich drei der Schauspieler gewannen eine Lola. Neben Zengel wurde Gabriela Maria Schmeide als beste weibliche Nebendarstellerin geehrt. Albrecht Schuch gewann sogar doppelt. Der 34-Jährige spielt in "Systemsprenger" einen Sozialarbeiter. Er bekam dafür eine Auszeichnung als bester Hauptdarsteller. Eine Lola als beste männliche Nebenrolle gewann er für "Berlin Alexanderplatz". Die Literaturverfilmung soll noch ins Kino kommen und gewann eine Silberne Lola. Eine Lola in Bronze ging an die Produzenten des Dramas "Es gilt das gesprochene Wort".
Deutscher Filmpreis - Die 70. Verleihung
Der Deutsche Filmpreis gilt als wichtigste nationale Auszeichnung in der Branche. Die rund 2000 Mitglieder der Deutschen Filmakademie stimmen über viele Gewinner ab. Die Preise sind mit insgesamt rund drei Millionen Euro für neue Projekte dotiert, das Geld kommt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Sie würdigte "Systemsprenger" als "Überraschungskinoerfolg des vergangenen Jahres".
Wegen der Corona-Pandemie wanderte die Verleihung ins Fernsehen. Moderator Edin Hasanović tanzte einsam über die Bühne, bewegte sich zwischen Briefkasten und Telefonzelle ("Ich fühle mich fast wie James Bond"). Der Schauspieler unterhielt mit geplanten Pannen, bekam Besuch von Ronald Zehrfeld auf einem Motorrad und hatte Unterstützung von Hund Wilma. Hasanović schlug aber auch politische Töne an und erinnerte an die Lage der Filmbranche. Bundesweit sind Kinos geschlossen, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzudämmen. Dreharbeiten ruhen. Die gesamte Branche stehe still, sagte Hasanović. Schauspieler Ulrich Matthes hatte als Präsident der Filmakademie bereits vorab auf die Lage von Produktionsstudios, Kinos und Schauspielern hingewiesen.
"Der deutsche Kinofilm lebt, das haben wir heute wieder gesehen, aber er steht vor den größten Bedrohungen seit Bestehen der Bundesrepublik", teilte der Präsident der Filmförderungsanstalt (FFA), Bernd Neumann, mit. Weitere Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern seien unverzichtbar. "Geeignet wären Maßnahmen, wie sie etwa die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft mit ihrem 560-Millionen-Stabilisierungsfonds vorgeschlagen hat."
Mit der Fernsehshow wollte die Filmakademie ein Hoffnungszeichen setzen. Sie sei so lange nicht im Kino gewesen, sagte Komikerin Anke Engelke am Freitagabend. Zwei Monate? Zwei Jahre? 20 Jahre? Sie wollten heute die Filmkunst feiern. Grütters sprach in einer Mitteilung von einem wichtigen Zeichen der Hoffnung in einer historischen Ausnahmesituation.
Verliehen wurde der Filmpreis zum 70. Mal. In der Kategorie "Bester Spielfilm" setzte sich "Systemsprenger" gegen fünf andere Kandidaten durch: gegen "Berlin Alexanderplatz", das Drama "Es gilt das gesprochene Wort" über eine Scheinehe, den Musikfilm "Lindenberg! Mach dein Ding", das Liebesdrama "Undine" und das Mutter-Sohn-Drama "Lara" mit Corinna Harfouch.
Regisseur Edgar Reitz ("Heimat") bekam den Ehrenpreis der Filmakademie. Die Lola für den besten Dokumentarfilm ging an "Born in Evin" von Regisseurin und Schauspielerin Maryam Zaree. Die Komödie "Das perfekte Geheimnis" mit Elyas M'Barek wurde als besucherstärkster Film ausgezeichnet. Regisseurin Nora Fingscheidt hätte einen wichtigen Moment übrigens fast verpasst. Als ihr der Regie-Preis zugesprochen wurde, hakte es kurz in der Leitung.