Ein Gespenst geht seit 15 Jahren in der deutschen Filmkritik um, das Gespenst der "Berliner Schule". Viele Filme und Regisseure wurden seitdem zu dieser Gruppe gezählt, obwohl es strittig ist, ob man überhaupt von einer fest umrissenen Schule sprechen kann.
2001 benutzte der Kritiker Rainer Gansera von der Süddeutschen Zeitung wohl zum ersten Mal den Begriff "Berliner Schule". In der sehenswerten Doku "Die Berliner Nouvelle Vague" (11. Januar, 21.45 Uhr, ARTE) erzählt er, dass der Begriff damals einfach in der Luft lag, weil eine Gruppe junger deutscher Filmemacher schon seit Mitte der 90er-Jahre frischen Wind in die heimische Kinolandschaft brachte.
Gansera meinte mit der Berliner Schule ursprünglich nur die Filmemacher Christian Petzold ("Die innere Sicherheit"), Thomas Arslan ("Im Schatten") und Angela Schanelec ("Marseille"). Die drei lernten sich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) kennen. Dort diskutierten sie bis in die Nacht über Filme und halfen sich gegenseitig bei ihren Projekten.
Später zählte die Filmkritik auch Filmemacher, die nicht an der dffb studierten, aber von Petzold und Co. inspiriert sind, zur Berliner Schule: Christoph Hochhäusler ("Unter dir die Stadt"), Benjamin Heisenberg ("Der Räuber") und nicht zuletzt Maren Ade, die gerade mit "Toni Erdmann" einen für das deutsche Kunstkino beachtlichen Kassenerfolg gefeiert hat. Hochhäusler und Heisenberg gründeten bereits 1998 die Filmzeitschift "Revolver", in der seitdem die theoretischen Debatten um den zeitgenössischen deutschen Film stattfinden.
Obwohl es nie ein gemeinsames Manifest gab, wie beim Neuen Deutschen Film in den 1960er-Jahren, kann man bei den Berlinern wegen des regen Austauschs also schon mit einigem Recht von einer Schule sprechen.
2001 benutzte der Kritiker Rainer Gansera von der Süddeutschen Zeitung wohl zum ersten Mal den Begriff "Berliner Schule". In der sehenswerten Doku "Die Berliner Nouvelle Vague" (11. Januar, 21.45 Uhr, ARTE) erzählt er, dass der Begriff damals einfach in der Luft lag, weil eine Gruppe junger deutscher Filmemacher schon seit Mitte der 90er-Jahre frischen Wind in die heimische Kinolandschaft brachte.
Gansera meinte mit der Berliner Schule ursprünglich nur die Filmemacher Christian Petzold ("Die innere Sicherheit"), Thomas Arslan ("Im Schatten") und Angela Schanelec ("Marseille"). Die drei lernten sich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) kennen. Dort diskutierten sie bis in die Nacht über Filme und halfen sich gegenseitig bei ihren Projekten.
Später zählte die Filmkritik auch Filmemacher, die nicht an der dffb studierten, aber von Petzold und Co. inspiriert sind, zur Berliner Schule: Christoph Hochhäusler ("Unter dir die Stadt"), Benjamin Heisenberg ("Der Räuber") und nicht zuletzt Maren Ade, die gerade mit "Toni Erdmann" einen für das deutsche Kunstkino beachtlichen Kassenerfolg gefeiert hat. Hochhäusler und Heisenberg gründeten bereits 1998 die Filmzeitschift "Revolver", in der seitdem die theoretischen Debatten um den zeitgenössischen deutschen Film stattfinden.
Obwohl es nie ein gemeinsames Manifest gab, wie beim Neuen Deutschen Film in den 1960er-Jahren, kann man bei den Berlinern wegen des regen Austauschs also schon mit einigem Recht von einer Schule sprechen.
Der Berliner Stil
Weil immer wieder dieselben Schauspieler (Nina Hoss, Devid Striesow) und dieselben Crewmitglieder, wie z.B. Cutterin Bettina Böhler, an den meisten Filme der Berliner Schule beteiligt sind, gibt es auch einen typischen Berliner Stil: Lange Einstellungen mit ungewöhnlichem Bildaufbau, eine melancholische Grundstimmung, eine einzigartige Mischung aus realistischem Setting und einem hochartifiziellen Blick darauf. Gesprochen wird zwischen den Anti-Helden nur wenig, die Kommunikation (oder auch oft das Scheitern der Kommunikation) findet über kleine Blicke und Gesten statt.
Die Figuren driften wie Gespenster (so lautet auch ein Filmtitel von Petzold) durch karge Provinzlandschaften oder durch anonyme Städte, die kein öffentlicher Raum mehr, sondern nur noch Durchgangsstationen sind. Egal ob Fotografin ("Marseille"), Buchhalterin ("Yella") oder Kleinkrimineller ("Dealer"): Die Figuren fühlen sich in der modernen Welt nicht mehr zurecht, sie suchen nach Glück ohne zu wissen wo und wie.
Die Berliner Schule grenzt sich ab von bekömmlichen Beziehungskomödien und den "Geschichtspornos" a la "Der Untergang". Es geht ihnen stattdessen um Gegenwart und um einen ganz neuen Blick auf unsere alltägliche Welt, für die es noch keine zum Klischee gewordenen (Film-)Bilder gibt.
Das gefällt nicht allen: "Gekünstelte Dialoge. Reglose Gesichter. Ausführliche Rückenansichten von Leuten. Zäh zerdehnte Zeit. Willkommen in der Welt des künstlerisch hochwertigen Kinos, willkommen in einer Welt aus quälender Langeweile und bohrender Pein" sagt Regisseur Dietrich Brüggemann ("Heil") ätzend über die Berliner Kollegen.
Die Figuren driften wie Gespenster (so lautet auch ein Filmtitel von Petzold) durch karge Provinzlandschaften oder durch anonyme Städte, die kein öffentlicher Raum mehr, sondern nur noch Durchgangsstationen sind. Egal ob Fotografin ("Marseille"), Buchhalterin ("Yella") oder Kleinkrimineller ("Dealer"): Die Figuren fühlen sich in der modernen Welt nicht mehr zurecht, sie suchen nach Glück ohne zu wissen wo und wie.
Die Berliner Schule grenzt sich ab von bekömmlichen Beziehungskomödien und den "Geschichtspornos" a la "Der Untergang". Es geht ihnen stattdessen um Gegenwart und um einen ganz neuen Blick auf unsere alltägliche Welt, für die es noch keine zum Klischee gewordenen (Film-)Bilder gibt.
Das gefällt nicht allen: "Gekünstelte Dialoge. Reglose Gesichter. Ausführliche Rückenansichten von Leuten. Zäh zerdehnte Zeit. Willkommen in der Welt des künstlerisch hochwertigen Kinos, willkommen in einer Welt aus quälender Langeweile und bohrender Pein" sagt Regisseur Dietrich Brüggemann ("Heil") ätzend über die Berliner Kollegen.
Berliner Schule goes Oscar
In Frankreich wurden die Filme begeisterter aufgenommen als in Deutschland. Die legendäre Filmzeitschrift Cahiers du Cinema, die schon Ende der 1950er die französische "Nouvelle Vague" ausrief, sprach von einer "Nouvelle Vague Allemande", einer neuen deutschen Welle.
Die Welle ist mittlerweile von der Gegenwartsdiagnostik auf andere Genres und Historienfilme übergeschwappt. Christian Petzold dreht Filme über die DDR ("Barbara") und die NS-Zeit ("Phoenix"), auch ein Western im Stil der Berliner Schule ist möglich ("Gold" von Thomas Arslan). Und mit Maren Ades international gefeiertem Auslandsoscar-Favoriten "Toni Erdmann" ist die Berliner Schule endgültig im Mainstream angekommen.
Autor: Sebastian Milpetz
Die Welle ist mittlerweile von der Gegenwartsdiagnostik auf andere Genres und Historienfilme übergeschwappt. Christian Petzold dreht Filme über die DDR ("Barbara") und die NS-Zeit ("Phoenix"), auch ein Western im Stil der Berliner Schule ist möglich ("Gold" von Thomas Arslan). Und mit Maren Ades international gefeiertem Auslandsoscar-Favoriten "Toni Erdmann" ist die Berliner Schule endgültig im Mainstream angekommen.
Autor: Sebastian Milpetz