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Berlinale-Film "Tides": Die düstere Zukunftsvision geht in der Flut unter

Szene aus Tides
Szene aus "Tides" Constantin Film/BerghausWöbke/Gordon Timpen, SMPSP

Auch bei einem so großen Filmfest wie die Berlinale, bei dem eigentlich eher das Arthouse-Kino aus aller Welt zu Hause ist, gibt es hin und wieder Genrebeiträge zu sehen. Bei der Online-Ausgabe 2021 wurde so unter anderem auch "Tides" vorgestellt.

Der folgende Text gibt die Meinung eines einzelnen Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Für eine spannende Geschichte im Science-Fiction-Genre gebraucht es nicht immer der Kreation völlig neuartiger Welten. Manchmal reicht schon ein Blick auf die Gegenwart und Science für ein wenig Fiction. Und wie könnte man als Ausgangspunkt für seinen Film die Welt besser zerstören, als mit dem Klimawandel, Pandemien und Krieg?

Zu sehen gibt's das allerdings nicht, dafür gibt es einleitende Texttafeln zur deutsch-schweizerischen Co-Produktion "Tides", die jedenfalls einen sehr zeitgemäßen Realitätsbezug erwecken. So viel zu unserer Gegenwart und der fiktiven Vergangenheit, im Mittelpunkt steht jedenfalls der Erdenzustand nach der Katastrophe.

Denn um der Zerstörung zu entkommen, floh die herrschende Elite ins All, um eine Weltraumkolonie zu gründen. Nach zwei Generationen sollen nun Astronauten zurück zur Erde reisen und schauen, ob eine Neubesiedlung möglich ist. Doch die Mission entwickelt sich schnell zum Kampf ums Überleben ...

Tides: Starke Bilder, dröge erzählt

2011 brachte der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum mit Unterstützung von unter anderem Roland Emmerich seinen Horrorthriller "Hell" in die Kinos, in dem die Sonne und immense Temperaturen den Menschen zu schaffen machen. Vor dem Hintergrund wirkt "Tides" wie der exakte Gegenentwurf: Statt Helligkeit und Hitze regieren nämlich jetzt das nasse Element und ein grauer Schlechtwetter-Look. Die Welt ist überflutet und den Gezeiten unterworfen. Visuell wird das zu Beginn noch eindrucksvoll in Szene gesetzt, die Aufnahmen der endlosen, leeren Wattflächen erzeugen dabei eine dichte Atmosphäre. Ein späterer Schauplatz mit einem riesigen alten Öltanker sieht in den wenigen Totalen auch noch recht stimmungsvoll aus, die Handlung wird aber leider schnell ins karge Innere verfrachtet. Handwerklich macht "Tides" einiges her, auch wenn das Gezeigte per se recht öde anmutet.

Das Setting mag noch eine stimmige Einöde sein, aber leider schlägt sich das auch erzählerisch nieder, da bei "Tides" die Dystopie blitzschnell nur zum schmückenden Beiwerk für Genrekonventionen verkommt. Die Menschheit ist selbstverständlich nicht komplett ausgerottet worden, es gibt Überlebende, die sich zu teils primitiven Siedlungen zusammengefunden haben, während sie von anderen überfallen werden. Kennt man ja von unzähligen anderen Dystopien, doch eine wie auch immer geartete Reflexion über diesen Zustand hat hier herzlich wenig Platz. Lediglich zum Ende hin scheint ein perfider Plan durch, der einen moralischen Zwiespalt ermöglicht. Der wird aber nicht weiter erörtert und wen er doch interessiert, der möge lieber in die US-Hitserie "The Handmaid's Tale – Der Report der Magd" schauen, wo ein ähnlicher inhaltlicher Ausgangspunkt dargestellt wird. Dramaturgisch gibt es indes trotz dichter Atmosphäre einige Durststrecken zu überstehen - die Emotionen bleiben flach, auch dank blasser Figurenzeichnung, Actionmomente sind rar gesät.

Fazit: "Tides" möchte großes, eindrucksvolles Genrekino auf internationalem Niveau sein, doch die handwerklich gekonnt in Szene gesetzte Fassade kann nicht über die dramaturgische und inhaltliche Leere hinwegtäuschen.