Ein Mann und ein Kind liegen in einem Zelt zusammen. Er versucht spontan eine Geschichte zu erzählen und beginnt sie mit einer Füchsin, driftet dann aber immer mehr ab und am Ende geht es um den Freund der Füchsin und die Arche Noah.

Es ist eine lange Sequenz in wenigen Einstellungen, die "Light Of My Life" eröffnet, dem neuen Film von und mit Casey Affleck, der zusätzlich noch produzierte und das Drehbuch schrieb. Schnell wird etabliert, dass der Mann Vater des Kindes ist, das sich als Mädchen entpuppt und aufgrund der vorherrschenden, postapokalyptischen Umstände als Junge ausgeben muss. Denn eine verheerende Krankheit hat fast die gesamte weibliche Bevölkerung auf der Erde ausgelöscht und übrig sind nur noch ein Haufen Männer, die die Welt noch mehr ins Chaos gestürzt haben und die schon bei der Vorstellung eines weiblichen Geschöpfes zur Bedrohung werden.

Belästigungsvorwürfe gegen Affleck

Was sie konkret mit den wenigen verbliebenen Frauen machen, wird nur flüchtig angedeutet, aber es klingt mindestens nach Gefangenschaft, vielleicht sogar schlimmer. Viel konkreter wird Afflecks Skript in der Hinsicht nicht mehr, Fragen bleiben unbeantwortet, aber viel mehr ist auch nicht nötig. Die Prämisse an sich ist schon überdeutlich und im Anbetracht aktueller Geschehnisse und Strömungen eine zeitgemäße Variation des Endzeit-Thrillers. Ob wohl Affleck aber mit diesem Film beweisen möchte, dass er definitiv auf der richtigen Seite steht? Sein Werk nimmt ganz klar die Position ein, dass es ohne Frauen nicht geht und dass eine männliche Gesellschaft, so wird nahegelegt, in einen prä-zivilisatorischen Zustand verfällt. Eine simple Botschaft, die heute auf offene Arme stoßen sollte, aber auch von ihm? Schließlich sah sich der Oscarpreisträger (als Bester Hauptdarsteller für "Manchester By The Sea") in der Vergangenheit Vorwürfen der sexuellen Belästigung ausgesetzt, denen er vehement widersprach, wobei er auch Unterstützung von anderen Frauen, die mit ihm gearbeitet haben, bekam.

Die Angelegenheit wurde außergerichtlich geklärt, wie genau weiß man nicht, aber ohne jeden Zweifel nahm seine öffentliche Persona Schaden. Als Brie Larson ihm den Oscar überreichte, applaudierte sie nicht, ihre Entscheidung "sprach für sich selbst". Wegen der anhaltenden Kritik sah sich Affleck unter anderem dazu genötigt, auf die darauffolgende Oscarverleihung zu verzichten – dabei überreichen traditionellerweise die Vorjahresgewinner die Trophäen an die neuen.

Dystopische Wiedergutmachung

Im Anbetracht dieser Historie und der Tatsache, dass all dies gefühlt erst gestern geschah, fällt es schwer, "Light Of My Life" vollkommen losgelöst davon zu betrachten. Bei einer Pressekonferenz in Berlin betonte er, dass seine Regiearbeit "keine direkte Antwort auf #MeToo" und die Vorwürfe gegen sich selbst sei – dann eben eine indirekte. Der Thriller sei ja definitiv schon davor erdacht worden, aber schon seit 2010 bekam er erste Probleme diesbezüglich. Hilft alles nichts, Casey, dein neuer Wurf muss trotzdem durch dieses spezifische Prisma betrachtet werden. Der Film mag ein düsteres Zukunftsbild zeichnen, das Statement aber ist durchaus positiv. Frauen, so scheint Affleck durch sein Skript in die Welt hinauszubrüllen, sind das Kostbarste im Leben eines Mannes, auch in der hier dargestellten Vater-Tochter-Konstellation. Eine Sichtweise, die schon im Titel beginnt und sich auch in der Erzählung niederschlägt in vielen lauteren wie leiseren Momenten, in denen der von Affleck gespielte Vater sich auch den Herausforderungen der Erziehung an sich stellen muss. Der Star liefert dabei eine formidable Darbietung ab, sein junger Co-Star Anna Pniowsky ist ebenfalls sehenswert, die Chemie zwischen beiden ist stimmig.

Auch handwerklich überzeugt "Light Of My Life" auf ganzer Linie: Kameramann Adam Arkapaw ("True Detective", "Macbeth") findet reichlich atmosphärische Bilder, die den Film visuell veredeln, die Musik ist niemals aufdringlich, sondern stets effektiv. Das Erzähltempo ist gemächlich, der Tonfall über weite Strecken leise, aber zwischendurch und gerade am Ende gibt es Spannungsmomente, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Die Kombination von einem Erwachsenen und einem Kind in einer unwirtlichen Welt ist aber natürlich eine altbekannte Trope und weckt Erinnerungen an Titel wie "The Road" oder Videospiele wie "The Last Of Us". In diesem Aspekt ist der Film durch und durch ein typischer Vertreter seines Genres – aber ein sehr ansehnlicher.

Stellt sich jetzt nur noch die Frage, ob das Publikum genau diese Geschichte mit diesem Thema von genau diesem Filmemacher akzeptieren wird oder nicht. Casey Affleck hat nun künstlerisch einen Schritt auf all jene gemacht, für die seine Vergangenheit eine Rolle spielt und es liegt an ihnen zu entscheiden, ob sich "Light Of My Life" als eine Form der Wiedergutmachung eignet und als (ungewollter?) filmischer Beitrag zu den aktuellen, feministischen Zeiten qualifiziert. Alle anderen erfreuen sich an einem gekonnt durchexerzierten Thriller-Drama.