Ab dem 27. Februar steht "Toni Erdmann" bei Amazon Video für Prime-Mitglieder in Deutschland und Österreich zum Abruf bereit. Auch wenn sich der Film gestern in der Kategorie "Bester Fremdsprachiger Film" der Konkurrenz aus dem Iran ("The Salesman") geschlagen geben musste, ist das ein großer Erfolg für die VoD-Plattform. Im frei empfangbaren Fernsehen wird der Film nämlich erst 2018 zu sehen sein.

Dementsprechend euphorisch kommentiert Christoph Schneider, Geschäftsführer Amazon Video Deutschland, den Zukauf: "Frisch von den Oscars exklusiv zu den Amazon Prime Video-Mitgliedern: Toni Erdmann besticht mit intelligentem Humor, emotionalem Feinsinn und einem unendlichen Gespür für das, was im Leben wirklich zählt. Dieses filmische Meisterwerk ist das neueste Mitglied in unserem Angebot an erstklassigen TV-Serien und Filmen, die Prime-Mitglieder sich sofort ansehen können."

Erst Amazon, dann Arte und schließlich die ARD

Einem Sprecher des Südwestrundfunks (SWR) zufolge wird der außergewöhnliche Film von Maren Ade nicht vor 2018 im Free-TV zu sehen sein. Die Premiere erfolgt bei Arte, danach kommt er ins Erste. "Toni Erdmann" ist eine Koproduktion unter der Beteiligung des SWR (Federführung), des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und des deutsch-französischen Kulturkanals Arte.

Sowohl bei den Oscars als auch bei den Golden Globes ging er als nominierter "Bester Fremdsprachiger Film" letztlich leer aus. Bereits beim Filmfestival in Cannes erhielt die Tragikomödie viel Lob und stand am Ende doch mit leeren Händen da. Erst als er fünf Preise beim Europäischen Filmpreis absahnte, nahm sein Erfolgslauf richtig Fahrt auf: Er holte 26 andere Auszeichnungen und hielt sich neun Wochen auf Platz 1 in den Arthouse-Kinocharts. Mit mehr als 900.000 Kinobesuchern in Deutschland und Österreich kann er eine mehr als ordentliche Kassenbilanz verbuchen.

Darum geht es in "Toni Erdmann"

Der Wiener Theaterschauspieler Peter Simonischek verkörpert den Musiklehrer Winfried: Der Alt-68er traktiert seine Umwelt mit absurden Scherzen und nimmt nichts richtig ernst. Ein Dorn im Auge ist ihm lediglich Tochter Ines (Sandra Hüller), die als aufstiegsorientierte Karrierefrau seiner Meinung nach in die völlig falsche Richtung tendiert. Er will sie umdrehen und erfindet zu diesem Zweck die Kunstfigur Toni Erdmann. Mit schwarzer Perücke und Scherzgebiss drängelt er sich in das Berufsleben von Ines und gibt sich gegenüber deren Chefs wahlweise als Berater des Tennismanagers Ion Tiriac, diplomierter Coach oder deutscher Botschafter aus. Indem er die Rituale der Geschäftswelt veralbert und karikiert, will er seiner Tochter verdeutlichen, in was für einer sinnentleerten, hohlen Welt sie sich eingerichtet hat. Hier geht es zu unserer Filmkritik.

Ohne Zweifel ist dem VoD-Anbieter Amazon mit dem Zukauf dieses Überraschungserfolgs ein geschickter Marketing-Schachzug gelungen.

Autor: Steven Sowa