Die eine spielt eine überaus wehrhafte Schönheit, die andere eine versessene Königin der Schatten. Im Fantasymärchen "Snow White and the Huntsman" nach Grimms "Schneewittchen" bekämpfen sich "Twilight"-Star Kristen Stewart und Verwandlungskünstlerin Charlize Theron ("Monster") buchstäblich bis aufs Blut - ein stilistisch ausgefeilter Zickenkrieg im mittelalterlichen Gewand.

Mit uns sprachen die beiden Leinwandheldinnen über Eitelkeit, Sexismus im Märchen und darüber, ob es auch im wahren Leben Traumprinzen gibt.

TV SPIELFILM: "Haut, so weiß wie Schnee. Lippen, so rot wie Blut. Und Haar, so schwarz wie Ebenholz": In Deutschland kennt jeder die Geschichte von Schneewittchen. Was verbindet Sie mit dem Märchen?

KRISTEN STEWART Als Kind fand ich Prinzessinnen, verwunschene Frösche und böse Hexen irgendwie langweilig. Ich habe noch nicht einmal die Disney-Version von "Schneewittchen" gesehen. Ich war eher ein Fan von "Dschungelbuch" und Co.

CHARLIZE THERON Mir geht es da ganz ähnlich. Ich bin, wie Sie wissen, in Südafrika aufgewachsen, einem ganz anderen Kulturkreis. Natürlich werden Kindern auch Mythen und Legenden erzählt, die unterscheiden sich aber völlig von den Erzählungen in Europa oder den USA.

Und trotzdem haben Sie für Rollen in "Snow White and the Huntsman" vorgesprochen...

CHARLIZE THERON Königin Ravenna hat mich gereizt, weil sie keine Schurkin vom Reißbrett ist. Sie ist eine Figur mit Motiven und echten Gefühlen, mit der sich vor allem Frauen sehr gut identifizieren können: Bereits als Kind wird sie vom König umgarnt und später gegen eine Jüngere ausgetauscht. Das macht sie rasend. Kein Wunder, dass sie ihr eigenes Altern um jeden Preis verhindern will. Nur ihre Methoden lassen zu wünschen übrig ...

Auf der Suche nach Schönheit und ewiger Jugend zerstört sie ganze Königreiche und saugt alles Leben in sich auf. Hört sich weniger nach einem Märchen als vielmehr nach einem Fantasyspektakel à la "Der Herr der Ringe" an...

KRISTEN STEWART Genau dieser düstere, erwachsene Ansatz hat mich so angesprochen an diesem Projekt: Der Film spielt viel mit der Kulturikone Schneewittchen, wir bieten den Zuschauern eine neue Interpretation des klassischen Stoffs. Außerdem muss ich nun endlich nicht mehr das ewige Mauerblümchen spielen, sondern einen Actionstar: von Klippen springen, auf Pferden in die Schlacht reiten ...

...und Superhelden-Darsteller Chris Hemsworth aus "The Avengers" nebenbei ein blaues Auge verpassen. Die Gelegenheit hat nicht jeder.

KRISTEN STEWART Ich war vielleicht etwas übermotiviert, aber bei "Twilight" durfte ich nie draufhauen. Ich durfte ja noch nicht einmal aufs Motorrad. Deswegen musste mich Regisseur Rupert Sanders auch so manches Mal zurückpfeifen, Schneewittchen ist ja schließlich nicht Xena.

Waren Sie körperlich fit?

KRISTEN STEWART Kurz vor einer großen Actionszene habe ich mich tatsächlich noch am Fuß und an der Hand verletzt. Ich dachte, ich könnte kaum noch mein Schwert halten, aber alles halb so wild.

Kristen, im Film und in der Realität sind Sie Mädchenschwarm und "Twilight"-Vampir Robert Pattinson verfallen. Träumen Sie selbst von einem Märchenprinzen, oder halten Sie dieses Rollenbild für überholt und albern?

KRISTEN STEWART Irgendetwas muss an diesen Träumereien dran sein. Sie sind schließlich ein Grund dafür, warum Märchen auch nach Jahrhunderten noch immer so erfolgreich sind. Für mich ist das aber nichts: Ich versuche, mit dem, was ich bin und kann, glücklich zu sein. Meiner Meinung nach kann man nur enttäuscht werden, wenn man Liebe und Glück derart idealisiert.

CHARLIZE THERON Das sehe ich anders: Als kleines Mädchen habe auch ich mir gewünscht, eine Meerjungfrau zu sein. Meine Mutter fand diese Vorstellung "sexistisch". Vielleicht sind Märchen in dieser Hinsicht wirklich etwas überhöht, das heißt aber noch lange nicht, dass man nur mit der rosaroten Brille durch die Welt läuft und nichts erreichen kann im Leben. Im Gegenteil: Ich glaube, dass Geschichten wie "Schneewittchen" sehr wichtig sind für die emotionale Entwicklung von Kindern.

Schneewittchen kann als zeitlose Parabel auf die Gesellschaft gesehen werden, die stets nach Schönheit und Perfektion lechzt, besonders in Hollywood. Wie steht es um Ihre eigene Eitelkeit?

KRISTEN STEWART Ich mag es zwar sehr, mich zu stylen und mich hübsch zu machen, aber ich muss nicht
immer teure und megaschicke Markenklamotten tragen. Mir reichen auch Jeans und T-Shirt. Wichtig ist, dass ich mich wohl fühle. Schönheit liegt wirklich im Auge des Betrachters.

CHARLIZE THERON Also, für 400 Jahre sehe ich im Film ziemlich knackig aus! Nein, im Ernst, auf mein Aussehen lege ich keinen großen Wert. Natürlich freut sich jede Frau über ein nettes Kompliment, aber das ist nichts, was mich wirklich antreibt im Leben.

Sondern? Anscheinend hat es Ihnen ja sehr viel Spaß bereitet, die Hexe zu spielen: Sie sollen Kollegen angeschrien haben. Eine dunkle Seite?

CHARLIZE THERON Ja, ich habe die Rolle sehr genossen, weil ich tun konnte, was ich mich sonst nie trauen würde. In einer Szene schreie ich einen Darsteller an, obwohl das nicht im Drehbuch stand. Chris Hemsworth, der nur zufällig am Set war, war völlig verstört. Tja, so ist das: Wenn man einen Bösen spielt, muss man sich für nichts entschuldigen. Herrlich! (lacht)

Scott Orlin