Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass Sie für den Oscar nominiert werden?

JENNIFER LAWRENCE
Nicht in meinen wildesten Träumen! Das ist total absurd und überwältigend, ich kann es immer noch nicht glauben. Ich habe damals ja sogar schon geheult, als ich erfahren habe, dass wir beim Sundance Filmfestival dabei sind. Meine einzige große Hoffnung war eigentlich immer nur, dass der Film überhaupt von irgendjemandem gesehen und vielleicht sogar gemocht wird.

Wie fühlt es sich an plötzlich berühmt zu sein?

JENNIFER LAWRENCE
Sehr merkwürdig! Es ist sehr einschüchternd zu realisieren, dass alles was man sagt, plötzlich eine Rolle spielt und auf die Goldwaage gelegt wird. Für eine Zwanzigjährige ist das ziemlich erschreckend. Natürlich ist es auch eine Ehre. Ich hätte es nie anders gewollt. Genau davon träumt man ja auch, wenn man einen Film dreht.

Ist es schwer bei all der Aufmerksamkeit, nicht die Bodenhaftung zu verlieren?

JENNIFER LAWRENCE
Nein, überhaupt nicht, weil ich nicht denke, dass all das passiert ist, weil ich so großartig bin. Ich war zwar Teil des Filmes, aber hunderte von Leuten haben genauso hart daran gearbeitet wie ich. All diese Interviews, Preisverleihungen und Foto Shoots sind für mich nicht mein wahres Leben. Ich gehe auf diese schicken Partys, weil es dazu gehört. Aber nach 45 Minuten kehre zu meinem wirklichen Leben zurück. Meine Realität sind meine Freunde, meine Familie und mein Job. Außerdem habe ich Eltern, die auf jeden Fall dafür sorgen, dass ich am Boden bleibe! Sie würden mir definitiv rechtzeitig einen auf den Deckel geben.

Aber werden Sie jetzt nicht trotzdem automatisch anders behandelt....

JENNIFER LAWRENCE
Ja, man muss schon aufpassen. Ich will auf keinen Fall, dass man gleich aufspringt oder mir gleich vier Leute ein Wasser hinhalten, wenn ich sage, dass ich Durst habe. Mir ist wirklich extrem wichtig, dass man mich wie einen normalen Menschen behandelt. Ich bin kein Stück besser als jeder andere.

Verleih/Ascot

Jennifer Lawrence: Mit 14 erstmals vor der Kamera, mit 20 nominiert für einen Oscar

Sie haben mit 14 angefangen als Schauspielerin zu arbeiten. Wird man am Set schneller erwachsen als in der Schule?

JENNIFER LAWRENCE
Oh ja! Wenn man den ganzen Tag mit Gleichaltrigen verbringt, entwickelt man sich automatisch im gleichen Tempo. Ich habe da eine wichtige Phase des Teenager-Daseins übersprungen, weil ich fast immer von Erwachsenen umgeben bin. Außerdem trägt man als Schauspieler eine Verantwortung, der man in dem Alter normalerweise noch nicht ausgesetzt ist. Das prägt sehr. Nicht das ich irgendetwas bereue, aber mir ist das schon sehr bewusst.

Ihre Rollen waren bisher alle relativ düster. Fällt es Ihnen schwer nach den Dreharbeiten wieder sie selbst zu sein?

JENNIFER LAWRENCE
Nein, überhaupt nicht. Ich bin nicht der Typ Schauspieler, der seine Rollen mit nach Hause nimmt. Sobald die Kamera aus ist, bin ich sofort wieder ich selbst und springe vergnügt über das Set, Bis jemand "Action" schreit. Selbst wenn ich wollte, wüsste ich gar nicht wie man in seiner Rolle bleibt, wenn die Kamera nicht an ist.

Wie schaffen Sie es dann, sich mit Ihrer Rolle zu identifizieren?

JENNIFER LAWRENCE
Mit purer Vorstellungskraft. Ich habe keine wirkliche Methode, weil ich nie auf einer Schauspielschule war. Ich habe nie richtig gelernt zu entscheiden, so jetzt schauspielere ich. Ich nutze meinen Instinkt und denke ganz genau über die Dialoge nach. Dann ist alles, was gesagt wird, auch irgendwie real. Die eigene Perspektive verschiebt sich. Ich reagiere dann nicht mehr so wie Jennifer, sondern wie mein Charakter. Ich versuche meine Rolle durch und durch zu verstehen. Wenn man die Gedankengänge nicht komplett begreift, kann man die Rolle nicht spielen.

Klingt als improvisieren Sie gerne?

JENNIFER LAWRENCE
Ja, ich liebe es zu improvisieren. Mein Problem ist, dass ich dann oft Scherze mache. Und die passen nicht immer unbedingt zum Film (lacht). Aber wenn der Regisseur damit einverstanden ist, improvisiere ich gerne.

Zum Scherzen sind Sie bisher ja eher nicht gekommen. Würden Sie als nächstes gerne eine Komödie machen?

JENNIFER LAWRENCE
Oh ja, auf jeden Fall! Aber ich erwarte von meinen nächsten Projekten nie etwas Konkretes. Jedes Drehbuch bringt etwas ganz Neues und wenn ich die Geschichte liebe, versuche ich die Rolle zu bekommen. Es kommt letztendlich wirklich auf das Drehbuch an, nicht auf das Genre.

Für die Rolle in "Winter's Bone" mussten sie angeblich sehr hart kämpfen?

JENNIFER LAWRENCE
Oh ja, sehr! Ich habe zwei Mal in LA vorgesprochen und sie fanden, dass ich für die Rolle zu gut aussehe. Ich bin dann nach New York geflogen und habe quasi nicht aufgegeben, bis ich endlich die Zusage bekommen habe. Ich hätte für diesen Film alles gemacht.

Was haben Sie beim Dreh von "Winter's Bone" gelernt?

JENNIFER LAWRENCE
Mit meinem Co-Star John Hawkes zu arbeiten, hat mir beigebracht, dass man nicht nur seine eigene Rolle, sondern jede Szene bis ins kleinste Detail durchdenken sollte. In seinem Drehbuch konnte man kaum ein Wort erkennen, weil es vollgekritzet mit Anmerkungen war. Ich hingegen, hatte meinen Text immer in der Nacht davor gelernt und bin dann einfach am nächsten Tag am Set aufgetaucht.

Sie lernen Ihren Text immer erst am Tag vorher?

JENNIFER LAWRENCE
Ja manchmal lerne ich meinen Text sogar erst am Drehtag, wenn ich mein Hair und Make-up bekomme. Aber John zu beobachten hat mir gezeigt, dass diese präzise Vorbereitung wichtig ist. Genau so sollte man es machen!

Ist ihr Charakter Ree Ihnen sehr ähnlich?

JENNIFER LAWRENCE
Mmmh, ich glaube eigentlich nicht. Es wäre eine Ehre für mich, wenn das jemand behauptet. Ich bin allerdings wie Ree ziemlich entschlossen und auch sehr dickköpfig. Ich gebe mich nicht leichtfertig mit einem Nein ab.
Sie haben bisher fast ausschließlich dickköpfige Teenager gespielt, haben Sie Angst, dass man Ihnen nur einen Typ Rolle zutraut?

JENNIFER LAWRENCE
Ja, das ist auf jeden Fall eine berechtigte Sorge. Jodie Foster hätte mir deshalb fast nicht die Rolle in "The Beaver" gegeben. Sie hatte genau dieses eine Bild von mir. Ich musste gegen meinen Stereotyp ankämpfen und beweisen, dass ich auch andere Rollen spielen kann.

Haben Sie sich deshalb auch für das Esquire Magazine in Bikinis fotografieren lassen, um zu beweisen, dass es sie auch in sexy gibt?

JENNIFER LAWRENCE
Ja, das war auf jeden Fall einer der Gründe. Auch wenn ich vorab gar nicht so genau wusste, was die vorhaben. Aber ohne diesen Foto-Shoot hätte ich die Rolle in X-Men mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bekommen. Mann muss als Schauspieler schon sehr strategisch planen.

Wie war es mit Stars wie Charlize Theron und Jodie Foster zu arbeiten?

JENNIFER LAWRENCE
Großartig! Die beiden sind auf professioneller Ebene große Vorbilder für mich. Aber vor allem habe ich gesehen, dass man extrem erfolgreich sein kann, ohne abzuheben. Für die beiden ist die Schauspielerei einfach nur ein Job. Das ist mir total wichtig. Die beiden sind wirklich ganz normal und haben überhaupt keine Star-Allüren. Es gibt Stars, die überall ein Riesen-Aufsehen erregen. Das finde ich auch irgendwie bewundernswert, aber für mein eigenes Leben könnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen.