TV SPIELFILM In der biographischen Verfilmung "Hitchcock" spielen Sie Alma Reville, die Ehefrau des Regisseurs. Eine sehr ambivalente Figur: Einerseits eine talentierte Drehbuchautorin und Cutterin, andererseits die starke Frau, die sich selbst ein Stück weit aufgibt, um ihren Ehemann im Rampenlicht erstrahlen zu lassen. Wie sehen Sie die Rolle?

HELEN MIRREN
Ich glaube nicht, dass Alma ihr Leben als Kompromiss zwischen zwei Extremen gesehen hat. Frauen ihrer Generation erwarteten keine Dankbarkeit für ihre Arbeit, und sie war sehr glücklich mit Alfred Hitchcock. Zwei Dinge hielten die Ehe zusammen: Ihr Humor und die gemeinsame Liebe für das Kino. Sie hat ihre Rolle weder privat noch beruflich bereut. Natürlich hat sie Hitchcock im Privaten sehr geholfen, wie Frauen das eben tun, wenn ihre Männer manchmal große Babies sind.

Das heißt, Alma war glücklich, für den Glanz ihres Ehemanns zu arbeiten?

HELEN MIRREN
Man muss beachten, dass die Art, wie wir uns selbst und unsere Existenz sehen, nie gleich mit der Betrachtung unserer Umwelt ist. Das kenne ich aus meinem Leben: Fremde Menschen kommen auf mich zu und sind völlig nervös, mit mir zu sprechen. Ich denke dann immer: Aber das bin doch nur ich, wovor fürchten die sich?
Der Film erzählt nicht nur die Entstehungsgeschichte von "Psycho", sondern auch die private Beziehung der beiden. Ist es auch der Versuch, Alma Reville aus dem übermächtigen Schatten von Hitchcock herauszuholen?

HELEN MIRREN
Auf jeden Fall. Viele Menschen kennen nicht mal den Namen Alma Reville. Es ist auch ein Versuch, ihr nachträglich die Anerkennung zu geben, die sie verdient.

Zu Beginn ihrer Karriere haben Sie Sexismus in der Filmbranche kennen gelernt. Was hat sich im Lauf der Zeit geändert?

HELEN MIRREN
Sowohl im Theater als auch beim Film hat sich das Klima für Frauen extrem verbessert. Besonders die Filmindustrie war zu Beginn meiner Arbeit als Schauspielerin eine testosterongetränkte Männerdomäne. Am Theater waren traditionell mehr schwule Männer, das war angenehmer für Frauen. Aber als ich mit Anfang 20 am Filmset war, hatten nur Männer das Sagen: Elektriker, Fahrer, Kameramänner und so weiter. Es gab die Auffassung, dass nur ein Mann einen Film drehen kann, weil nur ein Mann andere Männer kommandieren kann. Heute machen Frauen am Set alles, und erst kürzlich habe ich eine Elektrikerin am Set kennen gelernt.
Der Schönheitszwang Hollywoods ist aber nach wie vor präsent.

HELEN MIRREN
Ja, aber inzwischen auch für Männer. Was glauben Sie, wie viele großartige männliche Kollegen keine Rollen bekommen, weil sie nach ihrem Äußeren beurteilt werden.

Nach ihrer oscarprämierten Rolle als Königin Elizabeth standen Sie in London wieder als Queen auf der Bühne. Der Part scheint Ihnen zuzusagen.

HELEN MIRREN
Zu dieser Rolle zurückzukehren war ein Wagnis, weil ich lieber vorwärts als rückwärts mit meinen Rollen gehe. Nichts wäre schlimmer, als wenn morgen in der Zeitung stünde: "Helen Mirren wurde von einem Bus überfahren. Sie war berühmt dafür, die Queen zu spielen." Als ich jedoch wusste, wer alles in der Theaterproduktion mitmacht, konnte ich nicht nein sagen.

Haben Sie ein Problem damit, mit 67 Jahren von der Presse als Sexsymbol porträtiert zu werden?

HELEN MIRREN
Das ist ein Konstrukt der Medien und ich finde, es ist absolut nicht wahr. Ich muss ehrlich gesagt darüber lachen.
Trotzdem machen Sie in "Hitchcock" eine gute Figur im Badeanzug.

HELEN MIRREN
Ja, aber ich habe darauf bestanden, dass die Kamera gleich nach der Einstellung auf mich von meinem Körper wegschwenkt. Aber glauben Sie mir, ich habe schon schlimmere Szenen gedreht.

Würden Sie Nacktszenen drehen, wenn ein Regisseur das verlangt?

HELEN MIRREN
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber ich glaube schon. Ich habe kein Problem mit Nacktheit.

Schauen Sie sich ihre alten Filme an, wenn sie im Fernsehen laufen?

HELEN MIRREN
Vielleicht einige Minuten, dann schalte ich aus.

Warum?

HELEN MIRREN
Ich weiß ja, wie der Film ausgeht.

Interview: Henrik Hohl